Die Zunge ist ein übersinnlicher Muskel, im Leib hat er allein nur ein Ende oder, könnte man auch sagen, ein „virtuelles“ zweites Ende. Ohne dieses gäbe es keine Geschichten, die einer Frucht der Sprache, also vor allem Zunge sind. Die Zunge ist das in uns, was nach dem anderen Ende sucht. Deswegen wollen Geschichten immer…
Kategorie: Philosophie
L’amour, c’est donner ce qu’on n’a pas à quelqu’un qui n’en veut pas
„Liebe ist, jemandem, der es nicht will, etwas zu geben, das man nicht hat“, raunt Lacan. Ein mystischer Gedanke, wie die meisten Lacans, was ihm den Ruf des „Scharlatans“ (Chomsky) eingetragen hat. So gesehen, braucht man nicht weiter nachzudenken über seine Äußerung. Was, wenn man’s doch tut? Kann ich jemandem etwas geben, das ich nicht…
Sex – Gender – Geschlecht
Sex ist ein Überschuss an Lebensenergie, der an keine besonderen Vorgänge gebunden ist, sondern sich irgendwelchen Dingen anschließt, die auch ohne ihn Bestand hätten. Ein schöner Bild dafür ist der Schnuller des Säuling, an dem zweckfrei ein Überschuss an Energie abgenuckelt wird. Auch wenn Kinder nicht einschlafen können, schwelt in ihnen noch ein Überschuss, der…
Menschen sind immer im Übergang – nie da …
Was gross ist am Menschen, das ist, dass er eine Brücke und kein Zweck ist: was geliebt werden kann am Menschen, das ist, dass er ein Übergang und ein Untergang ist. FRIEDRICH NIETZSCHE
Frauen …
Die Frauen sind von den Männern bisher wie Vögel behandelt worden, die von irgend welcher Höhe sich herab zu ihnen verirrt haben: als etwas Feineres, Verletzlicheres, Wunderlicheres, Süßeres, Seelenvolleres, — aber als Etwas, das man einsperren muß, damit es nicht davonfliegt.
Sexuelle Fantasie der Frau
In La Maison beschreibt die Autorin Emma Becker ihre Zeit als Hure. Die Fantasie kreist dabei um einen merkwürdigen Freier, zu dessen „Bedienung“ sich alle Frauen des Privat-Bordells, in dem sie zwei Jahre anschaffte, drängten. Die von Becker beschriebenen Freudenmädchen blieben, sie eingeschlossen, im Kontakt mit ihren Kunden meist körperlich taub, beim „Professor“ aber kamen…
Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie
Ludwig Wittgensteins Beobachtungen zum Wesen der menschlichen Seele stellen die überkommene Weisheitslehre des Abendlandes auf den Kopf, sind bis heute kaum wahrgenommen und ausgelegt worden. Ich zitiere hier einige Paragrafen aus Wittgensteins erstaunlichen „Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie“ und kommentiere sie.
Der Körper ist erstaunlicher als die Seele
Zwischen Wachen und Träumen kein wesentlicher Unterschied. Wie unsere Träume nichts sind, als ganz willkürliche Interpretationen unserer Nervenreize während des Schlafens, wo nur immer ein anderer Trieb der zufällige Souffleur ist, so ist unser ganzes Bewusstsein ein mehr oder weniger phantastischer Kommentar über einen unbewussten, vielleicht unwißbaren, aber gefühlten Text. Friedrich Nietzsche
Rechtfertigung des Widerspiels
In de Sades Juliette spekuliert der mörderische „Papst Pius“, die Natur sei eine rein schöpferische Kraft, Urgrund des Seins, aus dem sie eine Vielzahl von Formen hervorbringe, mineralische, pflanzliche und tierische. Der Wunsch der Natur nach immer neuen und anderen Nachkommen sei unerschöpflich. Sind einzelnen Formen jedoch einmal geschaffen, hat die große „blinde Mutter“ kein…
Grammatik spiegelt uns innere Festigkeit vor
Was den Aberglauben der Logiker betrifft: so will ich nicht müde werden, eine kleine kurze Tatsache immer wieder zu unterstreichen, welche von diesen Abergläubischen ungern zugestanden wird – nämlich, daß ein Gedanke kommt, wenn »er« will, und nicht wenn »ich« will; so daß es eine Fälschung des Tatbestandes ist zu sagen: das Subjekt »ich« ist die Bedingung…
Kann Extrembügeln woke sein?
Geschlecht ist etwas anderes als Gender. Gender ist vergänglich, Geschlecht dagegen untot, eine Triebgestalt.
Diversität und Wunde des Seins
Das Mantra der Diversität sieht systematisch ab von einem Quell der Vielfalt, welche demnach ursachenlos vorgestellt werden soll. Und wenn sie trotzdem stimuliert ist, sich also etwas verdankt, das sie hervortreibt? Was immer das sein mag, es wäre dann in der Lage, Diversität nicht nur ins Leben zu rufen, sondern auch wieder zurückzunehmen, eine Urkraft…
Geschlecht | Gender
Der Begriff Gender ist eine Pointe der feministischen Theorie des Sexus, die zu guter Letzt nicht nur das männliche Privileg, sondern den Unterschied Mann|Frau überhaupt abschaffen will. Ab Mitte der 80er wurde die Vorstellung des Geschlechts immer verdächtiger und zusehends aufgegeben um der entschärften Kategorie des Genders willen. Dessen These hat die Sexualität abgelöst vom…
Angst – Leitung zur Sprache
Horror-Film und Komödie haben mit dem zu tun, was uns Angst macht: der obszönen Gegenwart der Universalie – deren unheimliche Abwesenheit sonst das Gewebe von Sprache und Sein verursacht.
Cassiodor über Musik
„Schädliche Melancholie verwandelt er in pure Freude, er weckt den Schläfrigen aus seiner Erstarrung, gibt dem Schlaflosen die Ruhe zurück, führt den durch Lust Verdorbenen zur Keuschheit und Moral zurück und heilt die Trägheit des Geistes, den steten Feind förderlicher Gedanken“, schwärmt Cassiodor, höchster Beamter des Ostgotenreiches, von den Freuden der Musik und den Fähigkeiten…
Neid ist die Wurzel der Gerechtigkeit
Was man dann später in der Gesellschaft als Gemeingeist, esprit de corps usw. wirksam findet, verleugnet nicht seine Abkunft vom ursprünglichen Neid. Keiner soll sich hervortun wollen, jeder das gleiche sein und haben. Soziale Gerechtigkeit will bedeuten, daß man sich selbst vieles versagt, damit auch die anderen darauf verzichten müssen, oder was dasselbe ist, es nicht fordern…
Subjekt ist mehr als Identität
Die Gender-Theorie fragt: Wie kann eine Person dem heterosexuellen Diktat entkommen, in welches sie geboren wurde? Es geht um Identität, wird davon ausgegangen, dass unsere symbolische Ordnung oder Kultur patriarchalisch-heterosexistisch ist und einem die Identität vorschreibt. Deren Grenzen sind aber fließend, weil Identitäten oder Rollen einem nicht ein– für allemal auferlegt werden können, sondern von…
Sind wir mehr als Identitäten?
Was eine Kritik der Gender-Theorie abwirft zur Einschätzung des Ukraine-Kriegs …
Des Bogens Namen ist also Leben, sein Werk Tod. (Heraklit)
Wie kann der Tod das „Werk“ des Lebens sein und uns schon vor seinem Eintritt verewigen?
Aus der natürlichen Arbeitsscheu der Menschen leiten sich die schwierigsten Probleme ab
Keine andere Technik der Lebensführung bindet den Einzelnen so fest an die Realität als die Betonung der Arbeit …, [die unerlässlich ist] zur Behauptung und Rechtfertigung der Existenz in der Gesellschaft … Und dennoch wird Arbeit … von den Menschen wenig geschätzt. Man drängt sich nicht zu ihr wie zu anderen Möglichkeiten der Befriedigung.
Zur Lust am Querdenken
Querdenken macht Spaß und nur darum geht es ihm. Ums Vergnügen.
WAS BEDEUTET WOKE – und warum löst die Geste Wut aus?
Erklärung eines kontroversen Begriffes und seiner Entfremdung.
m/w/d – Ukraine-Krieg & Video-Spiele
Der Ukraine-Krieg veranschaulicht gerade Wesen und Unterschied der Geschlechter, weil Wolodymyr Selenskyj eine Frau ist, Waldimir Putin dagegen ein Mann. Denn Geschlecht bedeutet zwei widersprüchliche Weisen, in der Welt zu sein, die Kant z. B. aufspürte in den mathematischen vs. dynamischen Antinomien, anschaulicher nach ihm Schopenhauer im Vergleich zu dem “weibischeren” Nietzsche. Schopenhauer bestimmt das…
Moral fordert heraus und erfüllt nicht
Tugendhaftes Handeln ist nach Kant nicht daran zu erkennen, dass es Vergnügen bereitet. Das Gegenteil ist der Fall. Jeder moralische Elan ist daher abzuklopfen auf die Begeisterung, die ihn verunreinigt. Echtes moralisches Handeln besiegt wie Leistungssport oder Fasten innere Widerstände.
Künstler
Man ist um den Preis Künstler, daß man das, was alle Nicht-Künstler Form nennen, als Inhalt, als die Sache selbst empfindet. NIETZSCHE
Identität ist ein Fetisch
Identität oder Ich verdanken sich dem Absehen von etwas tief Wirksamen und bilden daher einen Fetisch.
Neuauflage des Universalienstreits
Was haben der Ukrainekrieg und die zugleich flammende Gender-Debatte womöglich gemeinsam?
Die Welt als Stottern Gottes
Wenn ich die Monadologie nochmal durchgehe, verdankt sich die Welt einer Art „Stottern“ Gottes: sie existiert infolge eines gewissen Nichtgelingens, welches stückweise eingeholt wird. Das ist dann das Wesen der Geschichte. Die logischerweise im Ende, also Verschwinden der Welt gipfelt. Denn die Welt kann nur bestehen, indem etwas „noch nicht so weit“ ist. „Woher die…
Penis-Wahn
Das auseinandersetzende Denken und Sprechen bleibt gleichwohl im Banne dessen, dem es entkommen möchte – infolge der Zwangsvorstellung einer Superrolle, die alles, wonach einem ist, wirklich wahr werden lässt. Immer am Ziel ihrer Wünsche, widersteht sie jeglicher Auseinandersetzung oder »Entmannung«. So gelingt es der Vernunft niemals ganz, die Einbildung zu verwinden. Ohne auseinandergesetzt zu werden,…
„Die Frau existiert nicht …“
Lacans Aussage bleibt nur verblüffend, wenn man die ungewöhnliche Bedeutung seiner Geschlechts-Auffassung nicht nachvollzieht und meint, „Existenz“ sei etwas Echtes. Nach Lacan verdankt dieser Begriff sich aber einem Aberglauben, der Voraussetzung dafür ist, dass wir etwas Bestehendes wahrnehmen.
Je größer die Ungewißtheit, umso größer die Bereitschaft zu teilen …
In seinem 1970-Interview antwortet Orson Welles, dass er sich als Alternativ-Karriere die eines Anthropologen vorstelle (cf. https://www.youtube.com/watch?v=9NTOSevzp4w ). Cavett, der Moderator, liebäugelt statt dessen mit der Philosophie, aber Welles meint, die Philosophie sei erledigt, die Anthropologie „spannender“. Was ich nach der Lektüre des Hauptwerks des bedeutendsten Vertreters der Theorie des Kulturmaterialismus bestätigen kann.
Die geschriebenen Gesetze verfolgt das Ich, die ungeschriebenen das Über-Ich
Vom Über-Ich bestimmte Menschen heißen Zyniker: sie verachten das geschriebene und genießen das ungeschriebene Gesetz. Der Leitstern der Zyniker ist das Vergnügen. Ihm opfern sie alles. Hier einige Gedanken zur Kafkas Parabel „Vor dem Gesetz“ (Text der Parabel am Ende des Beitrags).
Habermas zu dem Ukraine-Krieg und seinen Folgen
In einem Gastbeitrag für die »Süddeutsche Zeitung« hat der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas sich zur Diskussion um die deutsche Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine geäußert.
Habermas arbeitet heraus, wie die jüngere Generation im Westen keine militärischen Begriffe mehr kennt und daher auf das Geschehen juristisch reagiert, wofür es nur eine vorgestellte, aber keine wirkliche Grundlage gibt.
Am fruchtbarsten fand ich Habermas Bild der Ukraine als Teenager im Vergleich zum „erwachseneren“ Europa. In der Begeisterung für die Sache der Ukraine schwelt, wenn sie z. B. aus Deutschland kommt, immer auch etwas „Berufsjugendliches“, also mehr das eigene Alter und dessen Pflichten Verwerfende. Habermas plädiert stattdessen für eine Unterstützung der Ukraine, die von gegenseitigem Respekt und Wissen um das Alter geprägt ist, welches das eigene Werden erreicht hat.
Habermas meint, dass der Westen, also auch die westlichen Jugendlichen, „alt“ in dem Sinne vor „weiter entwickelt“ sind, indem sie die Welt in juristischen Kategorien deuten — während die Ukrainer, also auch die ukrainischen Großväter, „jung“ sind in dem Sinne von „noch am Anfang stehend“, indem sie Welt in militärischen Kategorien deuten. Das bürokratischere Gemüt des Westens sehnt sich nach der verlorenen Unmittelbarkeit der Entstehung seiner Voraussetzungen und beutet so den Freiheitskampf der Ukraine für seine eigenen Träume aus.
Der Geschlechtstrieb ist unbestimmt
Männer wie Frauen suchen in erster Linie Genuss. Wobei es sein mag, dass beider Organe nur im Koitus völlig zur Auswirkung kommen können – was sie aber nicht von Haus aus oder nur dunkel zu wissen scheinen. Damit es zur Befruchtung kommen kann, müssen zwei eher unbestimmte Begierden zusammenkommen.
Der Sieg über das Unorganische, den Tod, ist eine Folge der Verschwendung in der Natur.
Die Überholung der Schildkröte
Lacan meint, Achilles überhole die Schildkröte „im Realen“, Blondel dasselbe, wenn er von „der Tat“ redet, die etwas fertigbringt, was die reine Berechnung nicht schafft. Der Grenzwert der Unedlichkeitsrechnung ist eine fiktionale, also „nicht bestehende“ oder „nichtige“ Größe. Lacan und seine Gefolgschaft (Derrida …) nimmt das dann an der Unendlichkeit der Signifikantenreihe auseinander und wundert…
Kriegsverbrechen
Meine Großmutter hatte mir früher von Bombenangriffen erzählt, Nächte, welche die Familie in Luftschutzkellern durchzittert hatte. Meine Mutter musste als 15jährige Leichen nach solchen Angriffen von der Straße schleppen, wovon sie sich innerlich einen Leben lang nicht erholt hatte. Meine Großmutter war mehrfach vergewaltigt worden. Sie wäre aber nie auf den Gedanken gekommen, von „Kriegsverbrechen“…
Whataboutismus
Der Neologismus beschimpft lediglich eine Wahrheit, an die man (noch) nicht gewöhnt ist. Man kann sie ablehnen, aber nicht verwerfen.
Unterschied zwischen den Geschlechtern
Trotzdem mache ich einen sogar rigorosen Unterschied zwischen den Geschlechtern, die ich für unterschiedliche Formen des „seelischen Vampirismus“ halte = der Art und Weise, die Abwesenheit dessen zu verarbeiten, wonach uns als Menschen immerzu ist. Der/die Menschende ist nach meiner Beobachtung und inzwischen auch Auffassung unabhängig von dem Geschlechtsteil entweder „männlich“ oder „weiblich“, etwas Weiteres…
Über-Ich und Moralapostel
Das Über-Ich ist nun mal eine Triebgestalt, die ihr Mütchen “im Interesse der Allgemeinheit” kühlt. Die Nummer gleicht dann der dünnen Spiel-Handlung in einem Pornofilm und verrät sich auf Facebook häufig durch die obszöne Verwendung von Stimmung verspritzenden Bildschriftzeichen unter Beiträgen, die es “nicht fassen können” oder die Wortkette “immer noch nicht” wiederholen. Es bleibt…
Anaximander
Woher die Dinge ihre Entstehung haben, dahin müssen sie auch zugrunde gehen nach der Notwendigkeit; denn sie müssen Buße zahlen und für ihre Ungerechtigkeiten gerichtet werden gemäß der Ordnung der Zeit.
Blick
Eines der fruchtbarsten Konzepte in dem romantischen Gedankengestrüpp Lacans. Er bedeutet nicht, was unsere Perspektive versammelt, sondern etwas in dem Gesichtsfeld, das dessen Ordnung oder Macht zerstört, das „bucklicht Männlein“ in dem Volksgedicht: Will ich in mein Gärtlein gehn, will mein Zwiebeln gießen; steht ein bucklicht Männlein da, fängt als an zu niesen. …
Männlich | weiblich – Maskenformen
Je mehr eine Maske als Maske zu erkennen ist, desto weiblicher wirkt ihr Träger. Schminke ist davon der ultimative Ausdruck. Die Maske (Form des Bewusstseins) setzt nur einen Leib, nicht aber dessen weitere Merkmale voraus. Je weniger sie als Maske zu erkennen ist, desto männlicher macht sie die sie tragende Person.
Nietzsches Beitrag zum Wesen des Geistes
Unbewusstes Morgenröte 119 Erleben und Erdichten. – Wie weit Einer seine Selbstkenntniss auch treiben mag, Nichts kann doch unvollständiger sein, als das Bild der gesammten Triebe, die sein Wesen constituiren. Kaum dass er die gröberen beim Namen nennen kann: ihre Zahl und Stärke, ihre Ebbe und Fluth, ihr Spiel und Widerspiel unter einander, und vor…
Bewusstsein als politisches Organ
Was den Aberglauben der Logiker betrifft: so will ich nicht müde werden, eine kleine kurze Tatsache immer wieder zu unterstreichen, welche von diesen Abergläubischen ungern zugestanden wird – nämlich, daß ein Gedanke kommt, wenn »er« will, und nicht wenn »ich« will; so daß es eine Fälschung des Tatbestandes ist zu sagen: das Subjekt »ich« ist die Bedingung…
Psychoanalyse und Katholizismus
Es gibt ja diese Interviewantwort von Lacan, die „einzig echte Religion“ sei „die römische“. Als Sohn einer strengkatholischen Mutter (sein kleiner Bruder wurde Mönch …) sollte Lacan also einen heimliches Kirchenprogramm mit seiner „Rückkehr zu Freud“ verfolgt haben? Nach der Seinslehre der Psychoanalyse kommt der Mensch, weil er zu früh geboren wird, uneinheitlich oder ohne…
Ma-ma | Pa-pa – vom Wesen der Sprache und Selbstwerdung
In unseren ersten Worten zeigt sich etwas Wiederholendes, Festhaltendes: „Ma-ma“ – „Pa-pa“. Es entspricht dem Ausschnitt, den wir immer nur von der Welt gewahren, der Tatsachen, dass wir keine Augen im Hinterkopf haben. Indem wir etwas ausmachen, heben wir es ab von seiner Umgebung – die es dadurch bedeutet. Wörter oder „Signifikaten“ treiben dies nur…
Wesen der Verdrängung
Freud: Zum psychischen Mechanismus der Vergesslichkeit Freud_Vergesslichkeit Einen mächtigen Zuwachs an Interesse aber gewinnt das hier erläuterte Beispiel, wenn man erfährt, dass es uns geradezu als Vorbild für die krankhaften Vorgänge gelten darf, denen die psychischen Symptome der Psychoneurosen – Hysterie, Zwangsvorstellen und Paranoia – ihre Entstehung verdanken. … vermittels ähnlich oberflächlicher Assoziationen bemächtigt sich …
Pierre ist nicht da
Aber man muß beachten, daß es in der Wahrnehmung immer Konstituierung einer Form auf einem Hintergrund gibt. Kein Objekt, keine Gruppe von Objekten ist speziell bestimmt, sich als Hintergrund oder als Form zu organisieren: alles hängt von der Richtung meiner Aufmerksamkeit ab. Wenn ich in dieses Cafe eintrete, um dort Pierre zu suchen, bildet sich…
Die Faszination klassischer Literatur
„Aber die Schwierigkeit liegt nicht darin, zu verstehn, daß griechische Kunst und Epos an gewisse gesellschaftliche Entwicklungsformen geknüpft sind. Die Schwierigkeit ist, daß sie für uns noch Kunstgenuß gewähren und in gewisser Beziehung als Norm und unerreichbare Muster gelten“ schreibt Karl Marx – überraschend als Theoretiker der Literatur – in seiner Einleitung zur Kritik der…
Philosophie ist bereits eine Dekadenzerscheinung
„Es scheint, daß die griechische Philosophie etwas gefunden hat, was eine gute Tragödie niemals finden sollte: ein langweiliges Ende.“ Karl Marx
Kunst-Theorie Karl Marx‘
Bei der Kunst bekannt, daß bestimmte Blütezeiten derselben keineswegs im Verhältnis zur allgemeinen Entwicklung der Gesellschaft, also auch der materiellen Grundlage, gleichsam des Knochenbaus ihrer Organisation, stehn. Z.B. die Griechen verglichen mit den modernen oder auch Shakespeare. Von gewissen Formen der Kunst, z.B. dem Epos, sogar anerkannt, daß sie, in ihrer Weltepoche machenden, klassischen Gestalt…
The Lady Eve …
… scheint mir unübertroffen. Der Wirrkopf (Screwball) wird hier gespielt von Peter Fonda, der ständig über seine eigenen Füße stolpert. Seine Partnerin macht ihn zum kompletten Narren, verliebt sich dabei aber in ihn. Kann sich eine Frau also nur in einen Mann verlieben, den sie durch den Kakao zieht? Das ist es nicht, und Peter…
Metonymie & Metapher
Es ist eben wie mit der Familienähnlichkeit: wir können sie in jedem Gesicht eines Mitgliedes wahrnehmen, es aber nicht als Paradebeispiel für etwas allen Gemeinsames vorzeigen, da dieses letztlich in einem Muster liegt, das durch etliche Bestandteile zustande kommt. Gleich dem Bild, welches in einem Mosaik, in jedem seiner Teile, anwesend ist, ohne in irgendeinem…
Das Patriarchat …
… die Herausforderung, vor die es einen stellt, wird deutlicher, wenn wir stattdessen „Ordnung“ sagen. Diese wiederum ist keine rein begriffliche Größe, sondern hängt von den materiellen Verhältnissen ab, die sie einrichtet. Verändern sich diese, verändert sich avec die Ordnung. Es ist deswegen richtig und falsch von einer „Krise des Patriarchats“ zu reden, denn faktisch…
Die Kastrationsangst des ostdeutschen Mannes
Psychoanalytisch ist der Term „Kastration“ natürlich sinnbildlich aufzufassen, drückt aber vor allem emotional gut aus, worum es geht. „Alle Frauen sind kastriert, aber nicht nur“, las ich neulich bei Lacan, und: „Alle Männer sind kastriert, außer einem“ – der im unbewussten DDR-Männergemüt in Wandlitz lebte. Ich erinnere mich noch gut an die ratlosen Kamera-Bewegungen, welche…
Warum das Christentum auch verhasst ist
Hat mit seinem Menschenbild zu tun, zusammengefasst im Dogma der Erbsünde. Die Vorstellung dahinter: dass der Mensch ein Mängelwesen ist, eine Art Krüppel, angewiesen auf Prothesen. Die schlimmste Sünde ist folglich der „Hochmut“, also Auffassung, man sei nicht verkrüppelt. Denn erst dieses Eingeständnis macht die Beschaffung und Optimierung von Prothesen möglich, die allerdings niemals die…
Joan Copjec LIES MEIN BEGEHREN
Die Autorin bringt in ihrem Klassiker das psychoanalytischen Mantra in Stellung, um Kritiker von Ideologie und Zwängen mit einer übersehenen Freiheitschance zu konfrontieren. Die Kapitel ihres Buches nehmen dabei vor allem Ansichten Foucaults aufs Korn im Hinblick auf etwas Überschüssiges, das er Punkt für Punkt vernachlässige und das nicht in den Ordnungen oder Neurosen der…
Unbelastet von den Beschuldigungen des Irrtums
Nach Descartes gibt es ja eine Instanz, die über jegliche Aussage hinausgeht, die ein Subjekt machen kann, und deswegen unbelastet bleibt von allen Beschuldigungen des Irrtums. Entsprechend die heutige Vorstellung von Demokratie mit einer Menschlichkeit als Basis, die durch die Verschiedenartigkeit der Bürger, die daran beteiligt sind, nicht verfälscht werden kann. Was diesen Bürger ausmacht,…
Verschwörungstherorien …
… betrachten die Welt wie eine Leinwand oder Gardine vor einer ungeheuren Wirklichkeit, die sich dahinter verbirgt. Der ultimative Einblick bleibt letztlich verwehrt. Immerhin bringen ihn Löcher, die in den Schutzschirm gestoßen werden, näher. Deswegen verstärken gerade die widersinnigsten Behauptungen, die das Gewebe der Wirklichkeit massiv einreißen, die Hoffnungen auf den Durchbruch. Das Verhalten ist…
Was „Geschlecht“ wirklich ist – und warum es nur zwei davon gibt (die sich nicht vertragen)
Der Gender-Vormarsch sieht vieles richtig, nur eine Hauptsache, die ihm obendrein den Namen gibt, ist, wenn auch nicht 100%, so doch im entscheidenden Punkte verkehrt. Denn das Geschlecht ist nicht wie Klasse oder Rasse ein kultureller Oberton, der sozusagen mit der Mode geht, sondern eine unvergleichliche Weise, mit Welt und Leben fertig zu werden und…
Was ist denn dann „Geschlecht“?
Ich habe in der Auseinandersetzung mit J. Butlers Gender Trouble gefunden, dass „Geschlecht“ nicht auf derselben Stufe wie „Rasse“ oder „Klasse“ stehen, sich deswegen nicht entwickeln kann, also eine kulturübergreifende Alterität ausmacht. Die aber worin besteht? Spontan fällt mir als Antwort ein: Im voneinander abweichenden Verhältnis zur Schokolade! Da gibt es eindeutig ein „weibliches“ und…
Warum ich Nichtrauchern mißtraue
Ich rauche schon lange nicht mehr, würde mich deswegen aber nicht als Nichtraucher bezeichnen. Aufgehört habe ich mit dem Rauchen aus derselben Ursache, die meinen lebenslangen Abstand von Drogen bewirkte – Ekel vor Abhängigkeit. Die wenigen Erlebnisse, die ich in meiner Jugend mit Drogen hatte, waren dermaßen genussvoll, dass ich augenblicklich einen Riegel vorgeschoben hatte….
Warum hält Lacan Homosexualität für „pervers“?
Ich versuche mir immer mal wieder einen Reim auf die Lacansche Terminologie und das Gedankengebäude dahinter zu machen, etwa: dass die seelische Ordnung des Menschen entweder “hysterisch”, “obsessiv” oder “pervers” sein muss. Zur Veranschaulichung wird dann von Lacan noch gesagt, Frauen seien in der Regel “hysterisch”, Männer “obsessiv” und z. B. Homosexuelle “pervers” – weil…
objet a als Ungeheuer
Lacan hat den Begriff objet a geprägt für den Gegenstand eines endlosen Grundwollens. Das objet a ist Ausdruck für die Unvollständigkeit der Welt – etwas, das es nie gibt. Außer im Horror-Film, wo es verkörpert wird durch das Ungeheuer. Das Ungeheuer stellt etwas dar, dass es nicht gibt. Diese Widersprüchlichkeit macht es unheimlich. Der Begriff,…
Psychoanalyse | Wittgenstein
Die Psychoanalyse unterscheidet zwei Sprachspiele: Bewusstes und Unbewusstes. Sie ordnen z. T. selbe Gegenstände einander verschieden zu. Lacan setzt nur Verstand gleich mit Bedeutung. Die unterbrochen werden kann, indem unwissende Sprachspiele dieselben Gegenstände reklamieren. Für Wittgenstein ist dagegen jedes Sprachspiel gleich maßgebend, Bewusstsein also nur ein Sonderfall der Bedeutung. Wissen muss falsifizierbar, Verstand optimierbar sein,…
Freud | Lacan
Bei der Psychoanalyse geht es immer um Sex. Dabei weiß diese Lehre kaum etwas über Sex, könnte also keine Ratschläge geben. Vielmehr stellt sie fest, wie Sex zustande kommt, nämlich als etwas Überflüssiges, das den Menschen – nach Freud – sogar unmenschlich macht. Freud beobachtet, dass Sex aus dem besteht, was übers Ziel hinausschießt. Egal,…
Impfgegnerschaft & Geburtstrauma
Wenn ich die Beiträge jener, die gegen’s Impfen sind, in meinem Nachrichtenstrom nach etwas durchgehe, das sie gemeinsam haben, find‘ ich im Regelfall eine starke Zurückweisung von, for lack of a better word, Abkühlung. Am meisten machen sie sich Sorgen über Persönlichkeit und sehen deren Entäußerung als lauter Missbrauch an. Sollten Impfgegnernde somit eingeordnet werden…
Sex
„Nichts ist abstoßender“, schreibt Davila, „als das, was der Dummkopf ‚eine harmonische und ausgeglichene sexuelle Aktivität‘ nennt. Die hygienische und methodische Sexualität ist die einzige Perversion, die die Dämonen ebenso verabscheuen wie die Engel.“ Was will der Philosoph uns damit sagen? Ich hole Freud zur Hilfe: „… man müsste sich, so befremdend das auch klingt,…
Das Begehren ist das Begehren des anderen …
Dieser Kernsatz Lacans könnte missverstanden werden im Sinne Girards: dass wir uns nur begeistern können für etwas, das andere möchten: indem sie darauf brennen, wird auch uns danach – so entstehen dann Konflikte usf. Nach Lacan ist uns dabei jedoch mehr nach dem inneren Fiebern – von anderen. Wetteifernd, würden wir jemand sogar gewinnen lassen,…
Zombiehafte Endlosigkeit
Die Nachrichtenströme der sozialen Medien vermitteln etwas Hoffnungsloses, indem wir nie ihr Ende einrollen können. Sie sind – im wahrsten Sinne des Wortes – untot. Ähnlich der virtuelle Raum der Videospiele, in dem sich immer noch eine Umgebung hinter derjenigen auftut, die wir gerade durchqueren. Die endlosen Fernsehserien, Walking Dead! Ist das endlich die nomadische…
Novissima Sinica
Nach dem Untergang des Osmanischen Reiches könnte sich mit China erstmals wieder eine Weltmacht mit einem nicht westlichen kulturellen Erbe zu Wort melden. Es ist ja das uns fremde Gedanken- und Wertesystem des Konfuzianismus, das Leibniz in seiner Novissima Sinica in Relation setzte zu einem europäischen Gedanken- und Wertesystem, das er für dringend reformbedürftig hielt…
Geek culture
I have always had a soft spot in my heart for geek culture, because at core, geeks care deeply about something, and I think it’s incredibly cool. Maybe it goes back to my adolescence, which I spent engrossed in fantasy novels and serial mysteries. In middle school, my clique of friends dubbed itself the „Multiplying…
Kunst soll . . .
. . . weniger der „Gesellschaft einen Spiegel vorhalten“ (wär‘ eher was für Journalisten) als die Menschen lehren, ihre Spieltalente zu entdecken. Kultur besteht bestenfalls darin, möglichst viele Ernstfälle in den Spielfall zurückzuverwandeln, den Möglichkeitssinn absolut zu strapazieren, um einer Fanatisierung des Wirklichkeitswillens entgegenwirken und gefahrfrei an die Grenze zu gehen. Virtuosen gehen ja gerne…
La Rochefoucauld BETRACHTUNGEN
Mittelmäßige Geister verurteilen gewöhnlich alles, was über ihren Horizont geht. Wie es das Kennzeichen großer Geister ist, mit wenig Worten viel zum Ausdruck zu bringen, so haben die kleinen Geister hingegen die Gabe, viel zu reden und nichts zu sagen. Wir sprechen fast nur denen gesunden Menschenverstand zu, die unserer Meinung sind. Jedermann beklagt sich…
Monadologie – in leichter Sprache
Meine Übersetzung von G. W. Leibniz’ Monadologie aus dem französischen Original in verständliches Deutsch. Leichte Sprache ist eine speziell geregelte einfache Sprache. Die sprachliche Ausdrucksweise des Deutschen zielt dabei auf die besonders leichte Verständlichkeit. WIKIPEDIA 1. Dieser Text handelt von Monaden. Monaden sind Einheiten. Sie verleihen Vollkommenheit. Einheiten sind ohne Teile. 2. Es muss Einheiten…
Kann man „Monade“ durch „Sprache“ ersetzen?
1. La Monade, dont nous parlerons ici, n’est autre chose qu’une substance simple, qui entre dans les composés ; simple, c’est-à-dire sans parties. Hier führt das Wort „entrer” in die Irre. Es ist nicht falsch, aber so ungeschickt, wie wenn man sagte „Eine Melodie ist etwas, das zu Tönen tritt” – was irgendwie stimmt, aber…
Die Monadologie des Gilles Deleuze
DELEUZE interessiert sich weniger als die meisten französischen Philosophen seiner Zeit für Sprache, hingegen besonders für Metaphysik. Seine Philosophie ähnelt in dieser Hinsicht der Naturlehre Schellings, z. B. in ihrer Auffassung des Wesens von Begriffen. Unter diesen werden, wenn ich Deleuze richtig lese, keine geistigen Vorlagen verstanden, die der Wirklichkeit gegenüber stehen, denen entsprechend sie…
Hässlichkeit verschlingt die Zukunft
Schönheit ist immer zerbrechlich, strahlt Unbestand aus und damit das Neue, durch das sie ersetzt werden soll. Hässlichkeit wirkt dagegen robust, muss die Zukunft nicht fürchten, weil sie sie verschlungen hat. Der hässliche Stolz ist zeitlos, versperrt die Verheißung und muss sich im Kreis drehen. Wo nichts zerbrechen will, kann auch nichts werden.
Walter Benjamin | Über den Begriff der Geschichte
»Zu den bemerkenswerthesten Eigenthümlichkeiten des menschlichen Gemüths«, sagt Lotze, »gehört – neben so vieler Selbstsucht im Einzelnen die allgemeine Neidlosigkeit jeder Gegenwart gegen ihre Zukunft.« Diese Reflexion führt darauf, daß das Bild von Glück, das wir hegen, durch und durch von der Zeit tingiert ist, in welche der Verlauf unseres eigenen Daseins uns nun einmal…
Maschine Mann | k. I. der Frauen
Der Unterschied zwischen einer Maschine und einem Organismus besteht darin, dass es im letzterem nichts Überflüssiges gibt. Wenn wir irgendwo ein Teil finden, können wir jedes Mal erkennen, ob es zu einem Organismus, nicht aber immer, falls es zu einer Maschine gehört. Denn in Maschinen gibt es Elemente, denen man die Maschine nicht ansieht, weil…
The Aphorisms of Nicolas Gomez-Davila — “Escolios a Un Texto Implícito”.
Nicolás Gómez Dávila (1913-1994), catholic conservative writer of the XXth century. To compromise is to sacrifice a distant good to an immediate urgency. (I, 13) With God there are only individuals. (I, 16) Every goal other than God dishonors us. (I, 18) An “ideal society” would be the graveyard of human…
Von der Zurückgezogenheit
Wie sehr hatte doch Descartes recht mit seiner Devise Bene vixit, bene qui latuit (Derjenige hat gut gelebt, der im Verborgenen gelebt hat) oder auch mein Großvater, der auf seinem Arbeitstisch Ama nesciri (Liebe es, nicht bekannt zu sein) eingeschrieben hatte, oder Monsignore Rivet, als er mir, nachdem er mich trotz gewisser Befürchtungen meiner Eltern…
Against Lacanism I A Conversation with André Green
Conversation held in Green’s office in Paris, 17.5.94. Published in Journal of European Psychoanalysis – No. 2 – Fall 1995-Winter 1996. …
Die geheimnisvolle Tiefe der Tatsachen
„Nicht wie die Welt ist, ist das Mystische“, schreibt Wittgenstein in seiner Logisch-philosophischen Abhandlung, „sondern dass sie ist.“ Wir können jeden Gegenstand in seine Bestandteile zerlegen oder mit anderen zusammenstellen, vermessen, um zu bestimmen, was es mit ihm auf sich hat – dadurch wird aber nicht erklärt, warum es ihn gibt. Egal, wie sehr man…
Die Philosophie des Maurice Blondel – Blick über die Hauptgedanken
„Ja oder nein: Hat das menschliche Leben einen Sinn? Hat der Mensch eine Bestimmung?“ beginnt Blondel sein Hauptwerk L᾽Action – lässt es enden mit dem Satz: „Es ist.“ Der Philosoph nimmt an, dass unserer Leben auf Erden bedeutend ist durch eine Bestimmung, deren Sinn sich schrittweise herausstellt, nachdem wir ihn uns eingehandelt haben. Denn die…
„Emotionale Intelligenz“?
Ob eine tiefere Kenntnis sich nun dem Kopf verdankt oder dem Bauch, eines bleibt gleich: der Ausschluss von Zweifel. Auch die „emotionale Intelligenz“ betont ja nicht etwa Schattenhaftigkeit, sondern behauptet im Gegenteil, ihren Gegenstand gänzlich zu durchdringen. Wofür es keinerlei Anhaltspunkt gibt. Erkennen ist an sich begrenzt und endlich. Statt Bauchgefühl würde Aufmerksamkeit – im…
Was fasziniert stolze Frauen an Schwächlingen?
Dass sie sich beherrschen lassen, wäre die erste, spontane Antwort. Aber sie knechten diese Männer ja nicht herum, putzen sie eher heraus, behängen sie mit Schmuck wie eine Prostituierte ihren Zuhälter oder ein Primitiver seinen Fetisch, dem er übernatürliche Kräfte zuschreibt trotz seiner Mickrigkeit. Fetische sind nie imposant, im Gegenteil. Ihre merkwürdige Übernatürlichkeit verdanken sie…
Arbeitswerttheorie
KARL MARX bleibt Ausleger Abrahamitischer Religion, wenn ich die seinem Denken zentrale „Arbeitswerttheorie“ betrachte . Der Mensch, verstehe ich diese, sei die einzige Quelle echten Wertes und legitimer Besitzer der Früchte seiner Arbeit: was wir gemacht haben, gehört unbedingt uns. So wie (das sagt Marx zwar nicht, daher kommt aber, denke ich, die Vorstellung) die…
Kann ein kontingenter Satz etwas über die Wirklichkeit sagen, wenn er falsch ist?
Besteht sein Falschsein darin, dass die Verbindung zur Wirklichkeit nicht zustande kommt, er kontaktlos ihr gegenüber zerfällt? Ist das überhaupt vorstellbar? Oder nimmt er eine zwar negative, trotzdem aber doch Bestimmung vor? In dem Fall verfinge nämlich eine interne, also nicht-kontingente Relation. Kontingenz bestünde dann in der Bestimmungsweise, negativ oder positiv, nicht aber in der…
Blondel über die Entstehung von Begriffen | Motiven
Das intellektuelle Licht trägt auf diese Weise die vitale Kraft in sich und benutzt diese. Das Motiv ist tatsächlich nur der Niederschlag und die Synthese von tausend lautlosen Aktivitäten; gerade dies ist der Grund seiner natürlichen Wirkkraft. Es tritt nicht plötzlich in Erscheinung, sozusagen aus heiterem Himmel und spontan hervorgebracht. Es ist von einer Menge…
Wahre Liebe
Abzuwehren ist hier die Vorstellung der Interessengemeinschaft oder Sinnlichkeit – durch jene des Unendlichen des fremden Subjekts als Grundlage von Gemeinschaft. Die dafür nötige Dezentrierung des Willens aber ergänzt nicht den Egoismus um Altruismus, sondern wechselt den Standpunkt, der nicht das Produkt seiner vorhergehenden Bestimmungen ist, sondern diese überragt und seine eigenen Bedingungen mit sich…
Sag‘ bloß?
Virtuos kann nur sein, wer die Zweifel erwürgt hat. Virtuosität nimmt deswegen nie gefangen. Weil sie nichts riskiert, immer im voraus schon weiß, was Sache ist. Das spekulative oder theoretische Pendant der Virtuosität ist die Ironie (Facebook-Seuche . . . ). Sie signalisiert die unbedingte Herrschaft des Ichs, das sich von jeder äußeren Regel gelöst…
Tun
Der Hauptgedanke von Maurice Blondels L‘ Action – Die Tat, ein philosophisches Buch, das mich seit 2 Jahren beschäftigt, ist, dass Denken dem Tun entspringt, nicht umgekehrt. Etwas Neues kommt in die Welt, indem wir uns die Hände schmutzig machen, nicht spekulieren. Das kann leicht missverstanden werden als die Aufforderung, seinen Worten Taten folgen zu…
Vorteil der Naivität
Der Naive hat in der Regel mehr Erfahrungen gemacht als der Blasierte, ist auch weniger betrogen als dieser, indem er nicht den Anspruch erhebt, sich von nichts trügen zu lassen, da er weiß, dass alles Trug ist.
Moral
Was unterscheidet Moral von Verstand? Wenn ich drüber nachdenke: das Opfer. Verstand erschöpft sich in den Möglichkeiten, die ich habe. Er lässt sich vergrößern, unendlich vergrößern, wenn ich drüber nachdenke. Ich könnte täglich etwas lernen, je älter ich werde, desto mehr. Der Verstand hat keine natürliche Grenze. Die Moral besteht dagegen darin, dass ich eine…
Claudio Monteverdi
Ich weiß, dass meine Arbeit unvollendet ist, denn aller Anfang ist schwer. Deswegen bitte ich meine Nachfolger, meine besten Absichten anzuerkennen, die aus ihrer feinfühligen Feder Verbesserungen erwarten. Denn es ist leicht, auf bereits Erfundenem aufzubauen. Lebet glücklich!
Die Frau gibt es nicht . . .
. . . ist der herausfordernder Witz von Lacans quantischer „Formel der Sexuierung“. Was er damit aber eigentlich sagen will: Männer tragen Toupets – Frauen Schminke. Was ist der Unterschied? Das Toupet will über etwas hinwegtäuschen, die Schminke stellt etwas vor. Schminke ist insofern ehrlicher im Hinblick auf einen Mangel als Toupet….
Kultureller Marxismus
. . . ist so ein Reizwort, das sich aus Blüten wie der Gender-Theorie entwickelt hat. Gewissermaßen geht es bei dem Streit dann darum, ob es das Paradies gegeben hat oder nicht. Das rechte oder konservative Lager nimmt an, die Erzählung vom Garten Eden beschreibe in verklausulierter Form eine „30.000 Jahre alte“ Tatsache, aus der…
Verliebtheit
Was einen an einer anderen Person magisch und unausweichlich anzieht, jene kaum fassbaren, merkwürdig partiellen Gründe, wird Projektion genannt, weil der Mitmensch dabei nicht erkannt, sondern besetzt wird. Aber gibt es eine andere Verliebtheit als jene, in dem anderen etwas zu vermuten, das man einmal verloren hat? Kann Verliebtheit daher nie auf Gegenseitigkeit beruhen, sondern…
Deleuze & Wittgenstein
Der schwere Angriff Deleuzes auf Wittgenstein (im Abécédaire) könnte meiner Meinung nach auf ein Missverständnis zurückgehen, besonders der Logisch-philosophischen Abhandlung (Tractatus), die als argumentum ad absurdum gelesen werden muss, um ihre eigentliche Wirkung zu entfalten. Wittgenstein entwickelt im Tractatus das Schema nicht nur eines naturwissenschaftlichen, sondern auch jedes vorstellbaren metaphysischen Systems – als Parodie. Man…