Pierre ist nicht da

Aber man muß beachten, daß es in der Wahrnehmung immer Konstituierung einer Form auf einem Hintergrund gibt. Kein Objekt, keine Gruppe von Objekten ist speziell bestimmt, sich als Hintergrund oder als Form zu organisieren: alles hängt von der Richtung meiner Aufmerksamkeit ab. Wenn ich in dieses Cafe eintrete, um dort Pierre zu suchen, bildet sich eine synthetische Organisation aller Gegenstände des Cafes als Hintergrund, auf dem Pierre gegeben ist als der, der erscheinen soll. Und diese Organisation des Cafes als Hintergrund ist eine erste Nichtung. Jedes Element des Raums, Person, Tisch, Stuhl, sucht sich zu isolieren, sich von dem durch die Totalität der anderen Gegenstände konstituierten Hintergrund abzuheben und fällt in die Undifferenziertheit dieses Hintergrunds zurück, löst sich in diesem Hintergrund auf. Denn der Hintergrund ist das, was nur mitgesehen wird, das Objekt einer bloß marginalen Aufmerksamkeit. So ist diese erste Nichtung aller Formen, die erscheinen und versinken in der totalen Äquivalenz eines Hintergrunds, die notwendige Bedingung für das Erscheinen der Hauptform, die hier die Person Pierres ist. Und diese Nichtung ist meiner Intuition gegeben, ich bin Zeuge des sukzessiven Schwindens aller Gegenstände, die ich betrachte, besonders der Gesichter, die mich einen Augenblick festhalten («Ob das Pierre ist?») und die sich sofort auflösen, eben weil sie Pierres Gesicht «nicht sind». Würde ich jedoch Pierre endlich entdecken, so wäre meine Intuition durch ein festes Element erfüllt, ich wäre plötzlich von seinem Gesicht fasziniert, und das ganze Cafe würde sich um ihn herum zu diskreter Anwesenheit organisieren. Aber Pierre ist eben nicht da. Das soll keineswegs heißen, daß ich seine Abwesenheit an irgendeiner bestimmten Stelle des Lokals entdecke. Pierre ist von dem ganzen Cafe abwesend; seine Abwesenheit läßt das Cafe in seinem Schwinden erstarren, das Cafe bleibt Hintergrund, es verharrt dabei, sich meiner bloß marginalen Aufmerksamkeit als undifferenzierte Totalität darzubieten, es gleitet zurück, es verfolgt seine Nichtung. Doch für eine bestimmte Form macht es sich zu Hintergrund, es trägt sie überall vor sich her, es bietet sie mir überall dar, und diese Form, die sich immer wieder zwischen meinen Blick und die festen, realen Gegenstände des Cafes schiebt, ist gerade ein ständiges Schwinden, sie ist Pierre, der sich vom Nichtungshintergrund des Cafes als Nichts [néant] abhebt. So ist das der Intuition Dargebotene ein Flimmern von Nichts, das Nichts des Hintergrunds, dessen Nichtung die Erscheinung der Form herbeiruft und verlangt, und die Form – Nichts [néant], das wie ein nichts [rien] auf der Oberfläche des Hintergrunds dahingleitet. Was dem Urteil: «Pierre ist nicht da» als Grundlage dient, ist also genau das intuitive Erfassen einer zweifachen Nichtung.

Jean-Paul Sartre