Freud: Zum psychischen Mechanismus der Vergesslichkeit
Einen mächtigen Zuwachs an Interesse aber gewinnt das hier erläuterte Beispiel, wenn man erfährt, dass es uns geradezu als Vorbild für die krankhaften Vorgänge gelten darf, denen die psychischen Symptome der Psychoneurosen – Hysterie, Zwangsvorstellen und Paranoia – ihre Entstehung verdanken. … vermittels ähnlich oberflächlicher Assoziationen bemächtigt sich bei der Neurose ein verdrängter Gedankengang eines harmlosen recenten Eindrucks und zieht ihn mit die Verdrängung hinab.
Im Beispiele: Signorelli war z. B., solange mir der Name des Malers unzugänglich blieb, die visuelle Erinnerung an den Zyklus von Fresken und an sein in der Ecke eines Bildes angebrachtes Selbstportrait überdeutlich, jedenfalls weit intensiver als visuelle Erinnerungsspuren sonst bei mir auftreten.
… bis ich mit einem gebildeten Italiener zusammentraf, der mich durch die Mitteilung des Namens: Signorelli befreite. Ich konnte dann aus Eigenem den Vornamen des Mannes, Luca, hinzufügen. Die überdeutliche Erinnerung an die Gesichtszüge des Meisters auf seinem Bilde verblasste bald.
Anders Beispiel: Verdrängung der Erinnerung an „München Hauptbahnhof“, weil dort etwas Unangenehmes geschah. Ich muss aber dort jemand abholen. Ich erinnere mich nur an „… hof“, ersetze „München“ aber durch etwas Verwandtes, etwa, „Hofbräuhaus“. Ich weiß aber, dass ich die Person nicht im „Hof des Hofbräuhauses“ abholen soll. Dies sagt mir das überdeutliche Bild eines Kiosks, den ich aber nicht zuordnen kann. Er steht im Hauptbahnhof. Sobald ich mich richtig erinnere, tritt ds Bild zurück. Bis dahin vereint es die gesamte Besetzung auf sich, damit sie keine andere Bedeutung munter machen kann.