Menschen sind immer im Übergang – nie da …

Was gross ist am Menschen, das ist, dass er eine Brücke und kein Zweck ist: was geliebt werden kann am Menschen, das ist, dass er ein Übergang und ein Untergang ist. FRIEDRICH NIETZSCHE

Frauen …

Die Frauen sind von den Männern bisher wie Vögel behandelt worden, die von irgend welcher Höhe sich herab zu ihnen verirrt haben: als etwas Feineres, Verletzlicheres, Wunderlicheres, Süßeres, Seelenvolleres, — aber als Etwas, das man einsperren muß, damit es nicht davonfliegt.

Der Körper ist erstaunlicher als die Seele

Zwischen Wachen und Träumen kein wesentlicher Unterschied. Wie unsere Träume nichts sind, als ganz willkürliche Interpretationen unserer Nervenreize während des Schlafens, wo nur immer ein anderer Trieb der zufällige Souffleur ist, so ist unser ganzes Bewusstsein ein mehr oder weniger phantastischer Kommentar über einen unbewussten, vielleicht unwißbaren, aber gefühlten Text. Friedrich Nietzsche

Grammatik spiegelt uns innere Festigkeit vor

Was den Aberglauben der Logiker betrifft: so will ich nicht müde werden, eine kleine kurze Tatsache immer wieder zu unterstreichen, welche von diesen Abergläubischen ungern zugestanden wird – nämlich, daß ein Gedanke kommt, wenn »er« will, und nicht wenn »ich« will; so daß es eine Fälschung des Tatbestandes ist zu sagen: das Subjekt »ich« ist die Bedingung…

Die Überholung der Schildkröte

Lacan meint, Achilles überhole die Schildkröte „im Realen“, Blondel dasselbe, wenn er von „der Tat“ redet, die etwas fertigbringt, was die reine Berechnung nicht schafft. Der Grenzwert der Unedlichkeitsrechnung ist eine fiktionale, also „nicht bestehende“ oder „nichtige“ Größe. Lacan und seine Gefolgschaft (Derrida …) nimmt das dann an der Unendlichkeit der Signifikantenreihe auseinander und wundert…

Nietzsches Beitrag zum Wesen des Geistes

Unbewusstes Morgenröte 119 Erleben und Erdichten. – Wie weit Einer seine Selbstkenntniss auch treiben mag, Nichts kann doch unvollständiger sein, als das Bild der gesammten Triebe, die sein Wesen constituiren. Kaum dass er die gröberen beim Namen nennen kann: ihre Zahl und Stärke, ihre Ebbe und Fluth, ihr Spiel und Widerspiel unter einander, und vor…

Bewusstsein als politisches Organ

Was den Aberglauben der Logiker betrifft: so will ich nicht müde werden, eine kleine kurze Tatsache immer wieder zu unterstreichen, welche von diesen Abergläubischen ungern zugestanden wird – nämlich, daß ein Gedanke kommt, wenn »er« will, und nicht wenn »ich« will; so daß es eine Fälschung des Tatbestandes ist zu sagen: das Subjekt »ich« ist die Bedingung…

Nietzsche | Freud

NIETZSCHE & FREUD, wenn sie auch viel gemeinsam haben, unterscheiden sich doch erheblich im Hinblick auf ihre Erklärung der Bindungskraft des Wortes. Nietzsche denkt, wir gehorchen aus Angst, Freud denkt, wir gehorchen aus Freundschaft. Die Gründe für beider Gegensatz finde ich faszinierend. Nietzsche geht davon aus, dass unser Bewußtsein das Ergebnis eines Dressuraktes ist, voll…

Nietzsches Posthumanismus

Was kann allein unsre Lehre sein?— Dass Niemand dem Menschen seine Eigenschaften giebt, weder Gott, noch die Gesellschaft, noch seine Eltern und Vorfahren, noch er selbst (—der Unsinn der hier zuletzt abgelehnten Vorstellung ist als „intelligible Freiheit“ von Kant, vielleicht auch schon von Plato gelehrt worden). Niemand ist dafür verantwortlich, dass er überhaupt da ist, dass er so und so beschaffen ist,…

Philosophie als Funktion der Lebensform

Daß die einzelnen philosophischen Begriffe nichts Beliebiges, nichts Für-sich-Wachsendes sind, sondern in Beziehung und Verwandtschaft zueinander emporwachsen, daß sie, so plötzlich und willkürlich sie auch in der Geschichte des Denkens anscheinend heraustreten, doch ebensogut einem Systeme angehören als die sämtlichen Glieder der Fauna eines Erdteils: das verrät sich zuletzt noch darin, wie sicher die verschiedensten…

Begabung

In einer so hoch entwickelten Menschheit, wie die jetzige ist, bekommt von Natur jeder den Zugang zu vielen Talenten mit. Jeder hat angeborenes Talent, aber nur wenigen ist der Grad von Zähigkeit, Ausdauer, Energie angeboren und anerzogen, so daß er wirklich ein Talent wird, also wird, was er ist, das heißt: es in Werken und Handlungen entladet.

Dionysos

Den Griechen war deshalb das geschlechtliche Symbol das ehrwürdige Symbol an sich, der eigentliche Tiefsinn innerhalb der ganzen antiken Frömmigkeit. Alles einzelne im Akte der Zeugung, der Schwangerschaft, der Geburt erweckte die höchsten und feierlichsten Gefühle. In der Mysterienlehre ist der Schmerz heilig gesprochen: die »Wehen der Gebärerin« heiligen den Schmerz überhaupt, – alles Werden und Wachsen, alles Zukunft-Verbürgende bedingt den…

Wesen der Wahrheit

Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen. MENSCHLICHES ALLZUMENSCHLICHES Das Leben kein Argument. – Wir haben uns eine Welt zurechtgemacht, in der wir leben können – mit der Annahme von Körpern, Linien, Flächen, Ursachen und Wirkungen, Bewegung und Ruhe, Gestalt und Inhalt: ohne diese Glaubensartikel hielte es jetzt keiner aus zu leben! Aber damit…

Grausamer Grund der Kreativität

. . . das Sein der endlichen Dinge als solches ist, den Keim des Vergehens als ihr Insichsein zu haben; die Stunde ihrer Geburt ist die Stunde ihres Todes. – HEGEL Logik Dionysos: Sinnlichkeit und Grausamkeit. Die Vergänglichkeit könnte ausgelegt werden als Genuß der zeugenden und zerstörenden Kraft, als beständige Schöpfung. – NIETZSCHE Wille zur…

Hass auf die Einsamen

Ungerechtigkeit und Schmutz werfen sie nach dem Einsamen: aber mein Bruder, wenn du ein Stern sein willst, so mußt du ihnen deshalb nicht weniger leuchten! Und hüte dich vor den Guten und Gerechten! Sie kreuzigen gerne die, welche sich ihre eigne Tugend erfinden – sie hassen den Einsamen. ALSO SPRACH ZARATHUSTRA

Was ist also Wahrheit?

Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen, kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden, und die nach langem Gebrauche einem Volke fest, kanonisch und verbindlich dünken: die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind, Metaphern, die abgenutzt und sinnlich kraftlos geworden sind, Münzen,…

Was den Menschen vom Tier unterscheidet

. . . und wenn die gesamte Natur sich zum Menschen hindrängt, so gibt sie dadurch zu verstehen, daß er zu ihrer Erlösung vom Fluche des Tierlebens nötig ist und daß endlich in ihm das Dasein sich einen Spiegel vorhält, auf dessen Grunde das Leben nicht mehr sinnlos, sondern in seiner metaphysischen Bedeutsamkeit erscheint. Doch…

Der Intellekt als Mittel zur Erhaltung des Individuums entfaltet sein Hauptkräfte in der Verstellung

. . . denn diese ist das Mittel, durch das die schwächeren, weniger robusten Individuen sich erhalten, als welchen einen Kampf um die Existenz mit Hörnern oder scharfem Raubtier-Gebiß zu führen versagt ist. Im Menschen kommt diese Verstellungskunst auf ihren Gipfel: hier ist die Täuschung, das Schmeicheln, Lügen und Trügen, das Hinter-dem-Rücken-Reden, das Repräsentieren, das…

Der gemütliche Atheismus der DDR

Es gibt eine verblüffende Stelle in Nietzsches ANITCHRIST (10): “Der protestantische Pfarrer ist Großvater der deutschen Philosophie, der Protestantismus selbst ihr peccatum originale [ihre Erbsünde]. Definition des Protestantismus: die halbseitige Lähmung des Christentums – und der Vernunft …” IMHO hatte das von Nietzsche beklagte deutsche Programm – der Säkularisierung im Kielwasser des Protestantismus – seine…

Etappen zur Überwindung des Nihilismus

Nackt hatte ich einst Beide gesehn, den grössten Menschen und den kleinsten Menschen: allzuähnlich einander, allzumenschlich auch den Grössten noch! Von da an sind alle meine Schriften Angelhaken: vielleicht verstehe ich mich so gut als jemand auf Angeln? … Wenn Nichts sich fing, so liegt die Schuld nicht an mir. Die Fische fehlten. Wir aber…

Todestrieb

Das Jasagen zum Leben selbst noch in seinen fremdesten und härtesten Problemen; der Wille zum Leben im Opfer seiner höchsten Typen der eignen Unerschöpflichkeit frohwerdend – das nannte ich dionysisch, das verstand ich als Brücke zur Psychologie des tragischen Dichters. Nicht um von Schrecken und Mitleiden loszukommen, nicht um sich von einem gefährlichen Affekt durch…

Identität ist einer Funktion der Schwäche

Daß die Lämmer den großen Raubvögeln gram sind, das befremdet nicht: nur liegt darin kein Grund, es den großen Raubvögeln zu verargen, daß sie sich kleine Lämmer holen. Und wenn die Lämmer unter sich sagen »diese Raubvögel sind böse; und wer so wenig als möglich ein Raubvogel ist, vielmehr deren Gegenstück, ein Lamm – sollte…

Nur das Unnatürliche kann die Natur zur Preisgabe ihrer Geheimnisse zwingen

Es giebt einen uralten, besonders persischen Volksglauben, dass ein weiser Magier nur aus Incest geboren werden könne: was wir uns, im Hinblick auf den räthsellösenden und seine Mutter freienden Oedipus, sofort so zu interpretiren haben, dass dort, wo durch weissagende und magische Kräfte der Bann von Gegenwart und Zukunft, das starre Gesetz der Individuation, und…

Naivität des Wissenschaftlers

Jede Zeit hat ihre eigene göttliche Art von Naivetät, um deren Erfindung sie andre Zeitalter beneiden dürfen: – und wie viel Naivetät, verehrungswürdige, kindliche und unbegrenzt tölpelhafte Naivetät liegt in diesem Überlegenheits-Glauben des Gelehrten, im guten Gewissen seiner Toleranz, in der ahnungslosen schlichten Sicherheit, mit der sein Instinkt den religiösen Menschen als einen minderwerthigen und…

Logik des Traums

Freud soll irgendwann aufgehört haben, Nietzsche zu lesen, weil es ihn demotivierte, seine Theorie fortzubauen. Vielleicht hat er ihn aber heimlich doch gelesen und dann nurmehr ausgedeutet. Der 13 Aphorismus in Menschliches Allzumenschliches, in welchem Nietzsche beschreibt, wie und warum wir träumen, ist eines des bemerkenswertesten Zeugnisse deutscher Luzidität: „Im Schlafe ist fortwährend unser Nervensystem…

Das Ungriechische im Christentum

Die Griechen sahen über sich die homerischen Götter nicht als Herren und sich unter ihnen nicht als Knechte, wie die Juden. Sie sahen gleichsam nur das Spiegelbild der gelungensten Exemplare ihrer eignen Kaste, also ein Ideal, keinen Gegensatz des eignen Wesens. Man fühlt sich miteinander verwandt, es besteht ein gegenseitiges Interesse, eine Art Symmachie. Der…

Persönliche Notwendigkeit des Unglücks

…alles, was mit dem Unglück verbunden sein kann, kümmert den lieben Mitleidigen nicht: er will helfen und denkt nicht daran, daß es eine persönliche Notwendigkeit des Unglücks gibt, daß mir und dir Schrecken, Entbehrungen, Verarmungen, Mitternächte, Abenteuer, Wagnisse, Fehlgriffe so nötig sind wie ihr Gegenteil, ja daß, um mich mystisch auszudrücken, der Pfad zum eigenen…

Wer nicht genau sieht, sichert sich einen Vorsprung

Herkunft des Logischen. – Woher ist die Logik im menschlichen Kopfe entstanden? Gewiß aus der Unlogik, deren Reich ursprünglich ungeheuer gewesen sein muß. Aber unzählig viele Wesen, welche anders schlossen, als wir jetzt schließen, gingen zugrunde: es könnte immer noch wahrer gewesen sein! Wer zum Beispiel das »Gleiche« nicht oft genug aufzufinden wußte, in betreff der…

Nietzsches Affinität zur Kirche

„Der protestantische Pfarrer ist Großvater der deutschen Philosophie, der Protestantismus selbst ihr peccatum originale [ihre Erbsünde]. Definition des Protestantismus: die halbseitige Lähmung des Christentums – und der Vernunft …“ Der Antichrist 10 Im Streit um die Rechtfertigungslehre zwischen Luther und Papst, ergreift Nietzsche entschieden Partei für den Papst: „Vor allem und zuerst die Werke! Das heißt Übung, Übung, Übung!…

Der Ernst des Handwerks

Redet nur nicht von Begabung, angeborenen Talenten! Es sind große Männer aller Art zu nennen, welche wenig begabt waren. Aber sie bekamen Größe, wurden »Genies« (wie man sagt), durch Eigenschaften, von deren Mangel niemand gern redet, der sich ihrer bewußt ist: sie hatten alle jenen tüchtigen Handwerker-Ernst, welcher erst lernt, die Teile vollkommen zu bilden,…