NIETZSCHE & FREUD, wenn sie auch viel gemeinsam haben, unterscheiden sich doch erheblich im Hinblick auf ihre Erklärung der Bindungskraft des Wortes. Nietzsche denkt, wir gehorchen aus Angst, Freud denkt, wir gehorchen aus Freundschaft. Die Gründe für beider Gegensatz finde ich faszinierend.
Nietzsche geht davon aus, dass unser Bewußtsein das Ergebnis eines Dressuraktes ist, voll eingeprügelter Regeln und Empörungen dagegen. Freud denkt, dass unser Bewußtsein sich einer Lüge verdankt: dass wir unsterblich sind. Jeder Mensch weiß, dass er sterben wird, aber keiner glaubt es. Als Antwort auf das Ensetzliche bildet sich lt. Freud das Bewußtsein. Es trägt zwar den Stempel seiner Herkunft, kann ihn aber nicht deuten.
Interessanterweise wird durch Freuds – im Gegensatz zu Nietzsches – Auffassung das Spielfeld also nicht begrenzt, vielmehr entsteht eine Art kreative Unruhe im ständigen nicht ganz eins Seins mit sich Selbst. Eine „Lügengeschichte“ jagt die andere, und das ganze nennt sich Kultur.
Deren Wirtschaftsleben verdankt nach Nietzsche dann der garantierten Rachsucht: wenn jemand seine Schulden bei mir nicht begleichen kann, darf ich ihn „zur Belohung“ foltern, Grundlage des Strafrechts. Für Freud wird dieselbe Partei im wirtschaftlichen Verhältnis dagegen zum „Gläubiger“. Das Wirtschaftssystem beruht für ihn nicht auf Vergeltung, sondern Zuversicht – nach der Begehung einer Bluttat. Freud fantasiert dazu die Ermordung des Urvaters. Gemeint ist wohl, dass Menschen dadurch, dass sie gemeinsam etwas anrichten, zu einem Vertrauensverhältnis gelangen, einer Art Ganovenehre, die für Freud den Ursprung von Wirtschaft und Recht aussmacht.
Die kritische Theorie auch heute noch folgt mehr dem Pfade Nietzsches, finde ich, als Freuds. Aber sind seine Gründe nicht überzeugender?