Sexuelle Fantasie der Frau

In La Maison beschreibt die Autorin Emma Becker ihre Zeit als Hure. Die Fantasie kreist dabei um einen merkwürdigen Freier, zu dessen „Bedienung“ sich alle Frauen des Privat-Bordells, in dem sie zwei Jahre anschaffte, drängten. Die von Becker beschriebenen Freudenmädchen blieben, sie eingeschlossen, im Kontakt mit ihren Kunden meist körperlich taub, beim „Professor“ aber kamen sie alle zum Orgasmus. Becker beschreibt ihn als einen pedantisch wirkenden Lehrertyp in zu großem Mantel, kurz vor der Pensionierung, mager und hässlich, der immer einen geheimnisvollen kleinen Koffer dabei hatte. Darin war alles mögliche Fesselwerkzeug, dessen Anwendung die Frauen zur Raserei brachte. Wie kann ein hässlicher Mann, mit Fesseln, einen weiblichen Orgasmus auslösen? Es muss sich dabei etwas im Kopf abspielen (wie immer beim Orgasmus). Becker kann es nicht begreifen, beschreibt nur die körperlichen Reaktionen. Ich spekuliere, dass es mit der Rolle „Lehrer|Professor“ zu tun hat, der darin anwesenden Befugnis oder Befehlsgewalt. Und was befiehlt er, der Herr Lehrer? Dass sein Schülerin „kommen“ soll, auf der Stelle! Becker lässt durchblicken, dass der merkwürdige Professor genau die richtigen Stellen kannte, die er anfassen musste, um das Meiste auszulösen. Sehr wichtig dabei: er fragt nicht um Erlaubnis, denn diese kann nimmer gegeben werden, sondern erteilt sie und löst damit einen Sturm der „unfreiwilligen“ Erregung aus. Während die männliche sexuelle Fantasie, könnte man daher spekulieren, mit Dominanz zu tun hat, dreht sich die weibliche um Erlaubnis (sich gehen zu lassen). Der Partner ist dabei wie in jeder Fantasie kaum anwesend, sondern weiß einfach nur, was zu tun ist. Erstickend wirkt folglich die Unsicherheit signalisierende Erkundigung, ob alles auch richtig gemacht wird („Ist es so gut für Dich?“). Denn gerade nicht dem Einverständnis entquillt die Lust, sondern der Überwindung des Verbots. Das ist dann alles sehr verwirrend und führt in der Regel dazu, dass genau im falschen Moment nicht mehr weitergemacht wird. Wissen wir heute eigentlich – im Vergleich zu unseren Vorfahren – mehr oder weniger davon?