Sind wir mehr als Identitäten?

Die Gender-Theorie fragt: Wie kann eine Person dem heterosexuellen Diktat entkommen, in welches sie geboren wurde? Es geht um Identität, wird davon ausgegangen, dass unsere symbolische Ordnung oder Kultur patriarchalisch-heterosexistisch ist und sie einem aufzwingt. Ihre Grenzen sind aber fließend, weil Identitäten oder Rollen einem nicht ein– für allemal auferlegt werden können, sondern von den Personen immer wieder aufgeführt und damit instanziiert werden müssen. Da aber eine genaue Wiederholung unmöglich ist, schleichen sich Unterschiede und damit Subversion ein – nichts anderes bedeutet das + in LGBT… +.

Aber ist es wirklich unsere soziale Position, die uns ausmacht, oder nicht vielmehr die Lust, welche wir umsetzen? Bestimmt das, worauf wir abfahren, unsere gesellschaftliche Rolle, oder ist sie nicht vielmehr sogar da, um wie Kleidung etwas zu verdecken?

Wer wir wirklich sind, erhellt mehr aus den ungelöschten Spuren unseres Browser-Verlaufs als aus unserer „Identität“.

Würden sich, wenn wir 10.000 anonymisierte Browser-Verläufe verglichen, dem Betrachter unendliche viele Geschlechter aufdrängen oder nicht doch eher zwei – Grundmuster der Lustverwaltung, die wir neigen, “männlich” | „weiblich“ zu nennen, und die sich nicht ergänzen, sondern widersprechen? Das eine grenzt aus und hat seine Freude daran, irgendwelche Idioten vorzuführen, an deren “Folter” man sich ergötzt – die andere (selbstbezogenere) ergießt sich über alles und erblüht darin, wahrgenommen (“zurückgeliebt”) zu werden.

“Lustig” wird weniger die Identität als die Struktur eines Subjekts beschrieben, seine Grundweise, Dampf abzulassen. Das Geschlechtsspezifische hat dann weniger mit der sozialen Identität, sondern mit der Art zu tun, sich Befriedigung zu verschaffen, das mörderische Potenzial umzusetzen, das jedem von uns eingeimpft scheint und keine Ruhe lässt.

P. S. Ukraine-Krieg: Welche der Parteien ist “weiblich”, welche “männlich” gepolt? Wer möchte “geliebt”, wer “gefürchtet” werden?