Die Frau existiert nicht … I

Das Subjekt muss nach Lacan unabhängig von seinen Keimdrüsen einen Sexus haben. Der Körper gibt keine Auskunft über dieses Geschlecht.

Es besteht und unterscheidet sich im Hinblick auf den Frust, der unser Leben ausmacht.

Es gibt zwei Sorten von Frust.

Der eine entspringt der Ansicht, dass es andere Menschen gibt, die ungeschoren mit etwas davon kommen, das einem selber versagt bleibt. Diese Ungerechtigkeit, denken wir, ist verantwortlich für die Unruhe, die uns quält.

Die andere Sorte Frust entspringt der dauernden Ansicht, dass die Erfüllung „um die nächste Ecke“ wartet; man braucht nur noch dies oder das zu deichseln, dann stellt sie sich ein.

In Wirklichkeit aber wird das menschliche Sein von einer grundsätzlichen Abwesenheit durchstrichen, die es unzufrieden macht im Vergleich zu allem, was es sonst so gibt.

Das Von-sich-Weisen dieser Abwesenheit durch die Vorstellung, jemand anderes käme ungestraft mit etwas davon, das sie ins Gegenteil verkehrt, macht nach Lacan das männliche Geschlecht aus.

Die Herausforderung der Abwesenheit durch die Vorstellung, sie ließe sich mit immer mehr Wissen aus der Welt schaffen, macht nach Lacan das weibliche Geschlecht aus.

Die „Frau existiert“ deswegen „nicht“, weil sie niemals den Schlusspunkt erreicht, der ihr Sein abrunden würde. Der Mann andererseits ist ganz da durch denjenigen, dem er unterstellt, ungestraft davonzukommen mit dem, was alleine uns zufriedenstellen würde.

„Männlichkeit“ beruht nach Lacan somit auf einem Aberglauben, „Weiblichkeit“ auf Zwischenlösungen. Sie ergänzen sich nicht, sondern sind unverträglich. Denn die Wissenschaft will etwas vollenden, das der Aberglaube „erreicht“ hat.

Männlichkeit und Weiblichkeit sind, wie gesagt, für Lacan nicht an den biologischen Körper gebunden, sondern haben mit dem Wahn zu tun, jemand anderes käme ungestraft davon, gegenüber der Hoffnung, sich mit immer neuen Moden abrunden zu können.

Als Mann träumen wir vom Durchbrennen – ins Lager jener, die ungestraft davonkommen. Als Frau träumen wir davon, endlich Boden unter die Füße zu kriegen.