Der Detektiv ist eine Frau

Gender bezeichnet eine Rolle, die wir zufällig spielen, Geschlecht dagegen die Art und Weise, wie wir uns vergnügen – es gibt nur zwei: die schweinische und die durchtriebene. Die beiden ergänzen sich nicht, sondern schließen einander aus.

Schweinische klingt „männlich“, durchtrieben „weiblich“. Es gibt aber, das macht die Sache komplizierter, „schweinische“ Frauen und „durchtriebene“ Männer. Ein schweinisches Weib hat das meiste Vergnügen mit einem schweinischen Kerl, eine Durchtriebene fährt mehr ab auf ein Schlitzohr. Und umgekehrt.

Die Schweinischen erkennt man an ihrer Gesinnungsethik, die Durchtriebenen an ihrem Ästhetizismus.

Es geht, nochmal gesagt, bei dieser Bestimmung von Geschlecht darum, worauf jemand abfährt. Unser Geschlecht besteht in dem, was uns anmacht: Überschreitung (Schweinerei) oder Verallgemeinerung (Stil). Diese Weisen schließen einander aus, und es gibt keine dritte. Gender bezieht sich dann auf die zufällige Umsetzung des Geschlechtes in diesem oder jenem Leib oder Kontext.

Was die Gender-Diskussion manchmal aufheizt, ist die Gesinnungsethik („toxische Maskulinität“) mancher ihrer Protagonisten, die eben keine Funktion ihres Leibes, sondern ihres Geschlechts ist.

Der klassische Detektiv, angefangen mit Hercule Poirot, Sherlock Holmes bis zu unseren Tatort-Kommissaren, wäre demnach geschlechtlich eine Frau. Was man unter anderem daran erkennt, dass er fast immer unbeweibt ist. Klassische Detektive sind Junggesellen, deswegen nicht (auch nicht latent) homosexuell. Sie brauchen keine Frau, da sie selber eine sind. Denn sie beziehen ihr Vergnügen aus der Betrachtung und mählichen Verallgemeinerung der Verhältnisse. Was immer ihnen vorkommt, wird nicht schon für bare Münze genommen, sondern erst noch mit Aura, dem Glanz einer heimlichen Bedeutung umgeben. In allem oberflächlich Wirklichen liegt ein köstlicher Schimmer, den es freizusetzen gilt. Im Krimi sind das die Beweggründe und Methoden des Täters, deren Nachvollzug dem Detektiven restlose Befriedigung bereitet. Er „kommt“ in seiner finalen Deutung der Verhältnisse.

„Detektiv“ heißt mit anderen Worten, lüstern zu sein auf Bedeutung, also Verallgemeinerung; denn was die Ermittlungen den individuellen Tatsachen (Spuren) hinzutuen, ist eben das, was sie durchgängig einbettet und auslegt.

Dass der Detektiv nie verheiratet ist, beweise ich an der Ehefrau von Inspektor Columbo, von der ständig die Rede ist, aber gesehen hat sie bis heute noch niemand. (Als Columbo einmal von einem verdächtigen Star ein Autogramm für sie haben will, und der Star fragt, welchen Namen er hinter „für …“ schreiben soll, herrscht einen Moment Stille. In die der Inspektor schließlich sagt: „Mrs. Columbo.“)