ARAB DIRNDL Völkerverständigungs-Komödie

URHEBER
Martin Thau
Tegernseer Landstraße 30
81541 München

ZELL AM SEE – dann MÜNCHEN: Maximilianstraße, Glockenspiel, Viktualienmarkt.

ARABISCHE TOURISTEN, die Fotos machen, mit Einkauftüten aus Boutiquen kommen, Fahrradrikscha fahren, in der Fußgängerzone spazierengehen oder in den Stühlen vor den Cafés der Neuhauserstraße sitzen.

Dann werden sie in den BERGEN gezeigt, ihre ersten Schneebälle werfend.

Darüber die VERKAUFENDE STIMME des Kommentators.

INN. DAMENTOILETTE – TAG

HESSA (17) überprüft ihr aufgewecktes, sparsam aber effektiv geschminktes Gesicht einer jungen Araberin im Spiegel.

Neben ihr wäscht eine FRAU IN WANDERJACKE sich die Hände.

HESSA

(Deutsch – mit Akzent)

Entschuldigen Sie die Störung.

Die Angesprochene blickt auf.

HESSA (NOCH)

Wissen Sie, ob die Drahtseilbahn pünktlich abfährt?

FRAU IN WANDERJACKE

(amerikanischer Akzent)

I’m sorry, I don’t speak German.

HESSA

Oh, please excuse me. Do you know if the cable car’s departure is on schedule?

FRAU IN WANDERJACKE

I guess so.

(. . .)

After all – this is Germany . . .

Sie betrachtet Hessa, die im schwarzen Überkleid der Araberinnen steckt.

FRAU IN WANDERJACKE (NOCH)

(stauned)

You’re from here?

HESSA

No, I’m visting Germany.

FRAU IN WANDERJACKE

But –  you speak the language?

HESSA

I did learn German – via internet. It’s a beautiful language. I like it.

Frau in Wanderjacke

Amazing.

HESSA

(hinzufügend)

Germany is a beautiful country.

FRAU IN WANDERJACKE

Yes, quite nice.

Sie nickt Hessa zu und verlässt die Damentoilette.

Hessa knüpft einen Schleier vor das Gesicht, ihre funkelnden Augen betonend und folgt der Frau nach.

Inn. gletscherrestaurant / zugspitze – tAG

HESSA nähert sich der SELBSTBEDIENUNGS-SCHLANGE vor dem Büffet, an welcher die FRAU MIT DER WANDERJACKE und ein ÄHNLICH GEKLEIDETER MANN anstehen.

An einem Tisch vor dem Alpen-Panorama-Fenster residiert zahlreich und der Kleidung nach konservativ Hessas FAMILIE. Man beobachtet, wie sie mit den Fremden spricht.

Sie kommt zu ihrer Familie.

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Die Seilbahn fährt gleich.

ABDULLAH, ihr jüngerer Bruder, lehnt sich aus dem Schatten des Vaters, SULTAN, 55.

Abdullah

(Arabisch – mit Untertitel)

Was ist das für ein Mann?

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Welcher Mann?

ABDULLAH

(Arabisch – mit Untertiteln)

Mit dem du da vorne geredet hast.

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Es ist mit der Frau verheiratet, die ich auf der Toilette kennengelernt habe. Er sagt, dass die Seilbahn pünktlich abfährt.

Abdullah schaut beifallheischend zum Vater. Dann wendet er sich wieder an seine Schwester:

ABDULLAH

(Arabisch – mit Untertiteln)

Ich verbiete dir, mit fremden Männern zu reden.

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Nächstes Mal ziehst du die Erkundigungen ein – mit deinen perfekten Sprachkenntnissen.

Tante NOURA (45) steckt wie Hessa in schwarzem Überkleid.

Noura

(Arabisch – mit Untertiteln)

Bleibt noch etwas Zeit, auf die Terrasse zu gehen?

AUSS. gLETSCHERRESTAURANT / terrasse – TAG

Während im Hintergrund die Seilbahngondel heraufkommt, tut sich HESSAS FAMILIE – etwas zitternd – auf der Terrasse zwischen ein paar RAUCHERN um.

ABDULLAH kratzt einen Schneeball zusammen – rutscht, als er ihn schleudern will, aus und landet auf dem Hintern.

HESSA lacht.

Auss. Seilbahn / bergstation – TAG

HESSAS FAMILIE drängt als letzte in die Gondel. Hinter ihnen schließen sich die Türen.

I./A. seilbahngondel – tAG

ABDULLAH schirmt mit ausgebreiteten Armen die FRAUEN der Familie vom Rest der FAHRGÄSTE ab.

HESSA und NOURA schauen durch die Scheibe der sich senkenden Kabine.

Im Tal ist eine Ortschaft auszumachen.

NOURA

(Arabisch mit Untertiteln)

Da unten ist Amna.

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Nein, das ist Grainau.

 

Noura

Grainau?

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Amna ist in Garmisch.

NOURA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Wo ist Garmisch?

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Da drüben – glaub‘ ich . . .

Sie zeigt nach Osten – wendet sich an eine neben ihr stehen JUNGE FRAU.

Hessa (NOCH)

(auf Deutsch)

Entschuldigen Sie, aber wo genau befindet sich Garmisch?

Die DEUTSCHEN schauen das verschleierte Wesen an, welches ihre Sprache spricht.

Junge FRAU

Garmisch ist da drüben.

Zeigt nach rechts.

HESSA

Meine Kusine ist dort – in der Schönsicht Klinik. Sie macht eine Suppen-Kur.

älterer Mann

Sie sprechen aber gut Deutsch.

HESSA

Danke.

ÄLTERER MANN

Wo haben Sie das denn gelernt?

ABDULLAH

(Arabisch – mit Untertiteln)

Woher kennst du den Mann?

Älterer MANN

Was hat er gesagt?

HESSA

Das ist mein Bruder, Abdullah.

ÄLTERER MANN

Angenehm, Schröder.

Er reicht Abdullah die Hand. Dieser – schüttelt sie.

ABDULLAH

(Arabisch – mit Untertiteln – zu Hessa)

Was hast du ihm gesagt?

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Nichts.

(leise auf Deutsch)

Nur, dass du Idiot bist . . .

AUSS. seilBAHN / talstation – TAG

MEHMET, der deutsch-arabische Fahrer der Familie, lehnt an einer Limousine und spielt ein Geschicklichkeitsspiel auf seinem Smartphone.

Die Gondel fährt ein, ihre Türen springen auf. Die FAHRGÄSTE quellen heraus, als letztes die ARABISCHE FAMILIE, HESSA Abschiedsgesten wechselnd mit der JUNGEN FRAU. Sie winkt ihr nach.

Die Familie strebt zu der Limousine. Mehmet hält die Türen auf.

Die junge Frau wurde von ihrem FREUND erwartet. Er winkt. Sie rennt in seine Armen, die beiden küssen sich.

NOURA verharrt im Einsteigen. ABDULLAH gibt einen LAUT DES MISSFALLENS von sich.

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Das ist bestimmt ihr Bruder.

AUSS. falknerei – tag

FALKE kreist aus dem blauen Himmel steil hinab auf den Handschuh eines FALKNERS – bei dem SULTAN und ABDULLAH stehen.

HESSA beobachtet entfernt von einem Tisch mit Kaffee und Kuchen aus, an dem sie mit ihrer Tante NOURA sitzt, wie Vater und Bruder mit dem Falkner fachsimpeln.

AUSS. autobahn / Chiemgau – tAG

Falkenbox auf dem Dachgepäckträger der Limousine.

Sie rast dahin vorm Alpenpanorama des Chiemgaus.

AUSS. WINDHUND-ZUCHTSTÄTTE – tAG

SLOUGHIS jagen über Wiese.

SULTAN und ABDULLAH stehen bei dem ZÜCHTER.

Während HESSA und NOURA das Geschehen – wieder aus der Ferne beobachten – bei Kaffee und Kuchen.

Hessa hat ihr Smartphone in der Hand.

Amna (O.S.)

(Telefonstimme – arabisch – mit Untertiteln)

Diese Suppen bringen mich um – morgens, mittags, abends – dünn sind sie und schmecken wie Meerwasser . . .

HESSA

Hast du wenigstens viel Zeit, Deutsch zu lernen.

ANZEIGEFLÄCHE DES SMARTPHONES

AMNA, Hessas rundliche Cousine, im Skype-Rahmen.

AMNA

(Telefonstimme – arabisch – mit Untertiteln)

Hör‘ bloß auf mit dieser unmöglichen Sprache.

(auf deutsch – mit Aussprechschwierigkeiten)

Frucht…

(arabisch)

Kannst du das aussprechen?

HESSA

(Deutsch – Aussprechschwierigkeiten)

Frucht . . .

(weiter – mit Aussprechschwierigkeiten)

Zwanzig – Eichhörnchen …

AMNA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Siehst du, kein normaler Mensch beherrscht diese Sprache.

HESSA

(nochmal)

Eichhörnchen . . .

AMNA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Und? Was habt ihr heute noch alles angestellt?

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Hab‘ ich dir doch alles schon erzählt – das ist jetzt der fünfte Windhund-Züchter, den wir besuchen.

AMNA

(auf Deutsch)

Du langweilst dich . . .

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

In deiner Diät-Klinik hast du bestimmt mehr Abwechslung.

AMNA

(auf Deutsch)

Was ist mit Oktoberfest?

HESSA

Da darf ich leider nicht hin. Abdullah war schon zweimal da.

AMNA

Trinkt er dort Bier?

HESSA

Bestimmt. – Als Frau brauchst du auch ein Dirndl, um hinzugehen.

AMNA

Hast du keins?

HESSA

Wozu denn? Ich darf ja doch nicht hin.

AMNA

Du musst auf jeden Fall eins kaufen. Im Holareidulijö.

HESSA

Wo??

AMNA

Ich schick‘ dir den Link, das ist Münchens bester Dirndl-Laden.

NOURA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Was redet ihr da die ganz Zeit? – Gib‘ mir mal.

Nimmt Hessa das Smartphone aus der Hand.

NOURA (NOCH)

(Arabisch – mit Untertiteln)

Noura? Hier spricht Mama.

AmNA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Mama. Wann holt ihr mich hier heraus?

NOURA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Wenn du wieder in dein Brautkleid passt, mein Schatz.

AUSS. autOBAHN – tag

Limousine mit Falkenbox auf dem Dachgepäckträger saust vorbei – zieht einen einachsigen Transportanhänger hinter sich her, auf den farbige Schatten von Windhunden lackiert sind.

I./A. limousine – tag

Neben NOURA auf der Rückbank sitzt HESSA, über ihr Smartphone gebeugt.

ANZEIGEFLÄCHE DES SMARTPHONES

Im WhatsApp-Fenster wird auf ein Link geklickt. Es öffnet sich die Homepage des „Holareidulijö“.

Menüpunkt „Trachten und Lederhosen“

Bilder von Puppen in Drindln.

Ein besonders schönes zeigt  Hessa ihrer Tante herüber.

AUSS. nobelrestaurant – tAG

Durch die Fensterfront sind im Inneren KELLNER zu sehen, die Prunk-Tabletts voller Hamburger und Pommes an den Tisch bringen, an welchem HESSAS FAMILIE sitzt.

Gespiegelt in dem Fensterglas sieht man MÄNNER IN LEDERHOSEN und FRAUEN IN DIRNDLN vorbeiziehen.

HESSA steht auf und begibt sich in Richtung Toiletten.

Inn. Nobelrestaurant / gang – tAG

Eine FRAU IN DIRNDL verschwindet in der Damen-Toilette. Eine ANDERE kommt heraus.

Gefolgt von HESSA – die sich anschickt, zurück in Richtung Restaurant zu gehen. Aber BESCHWINGTE STRASSENGERÄUSCHE, die kurz wie durch eine nach außen geöffnete Türe lauter werden, lenken sie ab.

Sie begibt sich – nach kurzem Zögern – in die Richtung, aus welcher diese erklangen.

AUSS. nobelrestaurant / seitenausgang – tAG

FRAU IN DIRNDL kommt heraus – gefolgt von HESSA, die sich neugierig umsieht.

Auf der Straße zieht der TRACHTEN- UND SCHÜTZENZUG des Oktoberfestes vorbei.

Hessa macht Aufnahmen mit ihrem Smartphone.

Sie winkt den TEILNEHMERN des Zuges zu. Nimmt ihre Gesichtsschleier ab, damit diese nicht abgeschreckt werden, zurück zu winken.

Vor einer Horde ausgelassener AUSTRALIER weicht sie zurück – durch den Seiteneingang wieder ins Innere des Nobelrestaurant.

AUSS. NOBEL-HOTEL – ABEND

Eine Gruppe aufgeregt miteinander redender ARABER kommt aus dem Haupteingang, geht den Bürgersteig hinunter.

Dort mustert eine POLITESSE einen abgestellten Transportanhänger, auf den farbige Umrisse von Windhunden lackiert sind – zuckt zurück, als sie daraus ANGEBELLT wird.

Inn. nobEl-Hotel / Suite / zimmer hessa – ABEND

Der TV-Flachbildschirm gibt diverse Programme wieder – ARABISCHE SENDER, CNN, MUSIK-KANAL . . . -, zwischen denen herumgeschaltet wird.

Bleibt schließlich stehen auf der Oktoberfest-Berichterstattung des Bayerischen Rundfunks.

HESSA in Jeans und T-Shirt legt die Fernbedienung aus der Hand. Betrachtet das merkwürdige, sie aber faszinierende Treiben auf dem Bildschirm.

Da geht die Türe auf, ihre Tante erscheint. Unverschleiert erkennen wir NOURA erst gar nicht.

Inn. NOBEL-HOTEL / SUITE / wohnzimmer – ABEND

NOURA (jetzt erkennen wir sie an ihrem schleppenden Gang) kommt mit HESSA.

MEHMET, der Fahrer, steht bei Hessas Vater SULTAN.

Sultan

(Arabisch – mit Untertiteln – zu Hessa)

Ich versteh‘ nicht, was er von mir will.

(zu Mehment)

Your agency said that you speak perfect English.

MEHMET

(deutsche Akzent)

Yes, I can English. But if you are in Stuttgart, wo fährt around die ladies?

Sultan blickt zu Hessa.

HESSA

(zu Mehment)

Mein Vater versteht nicht, was Sie ihm sagen wollen.

MEHMET

(zu Hessa)

Ah so, ja, also, ich fahre doch morgen mit Ihrem Vater und Ihrem Bruder nach Stuttgart, um die Spezialanfertigung abzuholen.

HESSA

Die Spezialanfertigung?

MEHMET

Den Mercedes, den Ihr Vater bestellt hat, ausgeschlagen mit blauem Kamelleder. – Aber wer fährt inzwischen euch Frauen hier in München?

HESSA

Sie sollten doch einen Ersatzmann besorgen.

MEHMET

Das versuche ich Ihrem Vater ja die ganze Zeit zu erklären. Der Ersatzmann kommt morgen früh.

(lächelt in Richtung Sultan)

No problem.

Der Vater schaut Hessa fragend an.

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Er sagt, alles geht in Ordnung. Es kommt ein anderer Chauffeur, der uns Frauen fährt.

Sultan nickt in würdevollem Einverständnis in Richtung Mehments.

HeSSA (NOCH)

(zu Mehment)

Wie heißt der Fahrer denn?

MehMET

Paul.

HESSA

Und weiter?

MEHMET

Mensch, den Nachnahmen weiß ich jetzt nicht. – Paul. Er ist total in Ordnung.

HESSA

Weiß er, dass er Amna abholen muss?

MEHMET

. . . ?

HESSA

Meine Kusine. Sie muss auch noch abgeholt werden. Aus der Schönsicht-Klinik, in Garmisch.

Mehmet verarbeitet die Informationen.

MEHMET

Da wird er sich schon drum kümmern.

(zu Sultan)

No Problem.

Inn. nobEl-Hotel / Suite / zimmer hessa – ABEND

SMARTPHONE-ANZEIGEFLÄCHE

AMNA im Skype-Rahmen

AMNA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Aber ich habe meine Abschlussuntersuchung erst am späten Nachmittag.

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Dann holt Paul dich danach ab, am Abend.

AMNA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Und wir fliegen wirklich schon am nächsten Morgen?

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Allerdings. Oder willst du spät zu deiner Hochzeit kommen?

(. . .)

Lass uns ein bisschen Deutsch reden!

AMNA

Gehst du noch auf’s Oktoberbest?

HESSA

Vater erlaubt er nicht.

AMNA

War Abdullah da?

HESSA

Jetzt schon zum dritten Mal.

Sie richtet die Smartphone-Kamera auf den Flachbildschirm an der Wand, der TV-Bilder wiedergibt vom Oktoberfest.

HESSA (NOCH)

Amna?

AmnA

Ja?

HESSA

I’m terrible!

AMNA

Why would you say that, dear?

HESSA

Ich bin undankbar. Der Urlaub war fantastisch. Aber ich hab‘ mir mehr erwartet.

AMNA

Was – „mehr“?

HESSA

Ich hätte mich gerne mehr mit den Menschen hier unterhalten. – Wozu haben wir denn Deutsch gelernt?

AMNA

Hier in der Klinik habe ich mich schon mit Deutschen unterhalten.

HESSA

Weil du nicht immer den blöden Schleier vor dem Gesicht hattest. Das schreckt die Deutschen ab.

AMNA

Komm‘ mich doch besuchen. In meinem Zimmer ist ein Bett frei. Hier kannst du jede Menge deutsch reden.

HESSA

Ich kann nicht. Muss morgen einkaufen gehen mit den alten Frauen.

AMNA

Mit welchen Frauen?

HESSA

Mit deiner Mutter – und ihren Freundinnen, die sie hier im Hotel kennengelernt hat.

AMNA

Du Arme . . .

HESSA

Aber weißt du was? Ich werd‘ mir ein Dirndl kaufen! Und das ziehe ich an und fahre so aufs Oktoberfest.

AMNA

. . .

HESSA

Amna? – Ich hab‘ doch nur Spaß gemacht!

Inn. NOBEL-HOTEL / SUITE / wohnzimmer – NACHT

In die Dunkelheit des Raumes fällt aus der sich öffnenden Türe ein Lichtschacht vom Hotelgang.

ABDULLAH torkelt herein.

Er schließt die Türe hinter sich, den Raum wieder in Dunkelheit tauchend.

KRACH, indem etwas umgestossen wird, gefolgt von VERWANDTEN GERÄUSCHEN.

Die Raumbeleuchtung flammt auf.

SULTAN steht im Nachtmantel an der Türe zum Schlafzimmer.

Der betrunkene Abdullah setzt ein blödes Lächeln auf und vollführt eine wackelige Begrüßungsgeste in Richtung seines Vaters.

SPÄTER

Der zerzauste Abdullah schläft auf der Couch des wieder verdunkelten Raumes.

HESSA kommt im Schlafanzug herein, holt sich etwas zu trinken aus dem Kühlschrank hinter der Bar.

Sie bemerkt den SCHNARCHENDEN Bruder.

NAH

Abdullahs Smartphone ist auf den Boden gefallen.

Hessa hebt es auf, legt es zurück auf den kleinen Tisch neben der Couch.

Dann nimmt sie es wieder und überprüft den Inhalt.

Smartphone-Lautsprecher:

OKTOBERFEST-GERÄUSCHE

SMARTPHONE-ANZEIGEFLÄCHE

Schwenk über die SINGENDE MEUTE eines Bierzeltes – auf Abdullah mit Selbstfoto-Stab zwischen zwei DRINDL-BRÄUTEN.

ABDULLAH

(Verschlafen – arabisch – mit Untertiteln)

Was ist denn los . . .? – Gib‘ mir das!

Er langt nach seinem Smartphone.

Hessa

(Arabisch – mit Untertiteln)

Tagen die Frauen auf dem Oktoberfest alle Dirndl?

ABDULLAH

(Arabisch – mit Untertiteln)

Was geht dich das an? Gib mir mein Telefon.

Hessa lässt es zu Boden fallen.

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Oh – Entschuldigung . . .

Sie geht zurück in ihr Zimmer.

AUSS. edelboutique – tag

In vor der Boutique parkendem Mercedes E-Klasse-Kombi wartet PAUL (24), strubbeliger Hipster, hinter dem Steuer.

Es ist ein warmer Spätsommer-Tag.

Ein robuster TAXLER erblickt und erkennt Paul aus dem Fenster seines vorbeifahrenden Wagens.

SMARTPHONE-ANZEIGEFLÄCHE

Online-Poker-Spiel – Karten wandern hin und her . . .

ANRUFTON.

PAUL hebt sein Smartphone ans Ohr.

PAUL

Ja? – Ja, alles in Ordnung. Ich hab‘ sie zu dem Laden gebracht, den du mir gesagt hast. Weiter geht es dann – warte mal . . .

(konsultiert Haftnotiz an Armaturenbrett) )

. . . zur Schuh-Boutique!

I./A. limousine / Autobahn – tag

MEHMET steuert über die Autobahn. Hintern sitzen SULTAN und ABDULLAH.

MEHMET

Okay. Ja. – Und vergiss nicht: morgen abend dann noch die Dicke aus dieser Klinik abholen, in . . .

I./A. E-Klasse-Kombi – tAG

PAUL

(ins Smartphone)

Garmisch, ja ich weiß. Hast du mir jetzt schon tausendmal gesagt.

I./A. limousine / Autobahn – tag

MEHMET

(ins Smartphone)

Mann, ich hätt‘ es ja selber gemacht. Aber da lotse ich wahrscheinlich gerade den Scheich und seinen Sohn zurück nach München.

I./A. E-Klasse-Kombi – tAG

PAUL

(ins Smartphone)

Geht schon in Ordnung. – Moment mal!

Er nimmt das Smartphone vom Ohr und tappt darauf herum.

SMARTPHONE-ANZEIGEFLÄCHE

Online-Poker-Spiel . . .

I./A. limousine / Autobahn – tag

MEHMET

(ins Smartphone)

Paul? Bist du noch dran?

SULTAN und ABDULLAH schauen sich an.

I./A. E-Klasse-Kombi – tAG

Im Hintergrund sieht man ein Gruppe VERSCHLEIERTER FRAUEN aus der Edelboutique kommen.

PAUL beendet seine Manipulation der Smartphone-Fläche und hebt das Gerät ans Ohr.

PAUL

(ins Smartphone)

Mehmet, ich muss jetzt Schluss machen! Sie kommen gerade aus dem Laden.

I./A. limousine / Autobahn – tag

MEHMET

(ins Smartphone)

Okay, Mann. Bau bloß keinen Mist.

Er legt sein Smartphone zurück auf die Mittelkonsole. Dreht sich dann kurz zu SULTAN und ABDULLAH.

MEHMET (NOCH)

(Daumen nach oben)

Everything okay. No problem!

AUSS. edelboutique – tag

PAUL (24) steigt aus dem Wagen – öffnete die Ladeklappe für die Einkaufstüten der ARABERINNEN IN SCHWARZEN ÜBERKLEIDERN.

Sie steigen hinten ein.

I./A. E-Klasse-Kombi – tAG

HESSA klettert als letzte zu PAUL auf den Beifahrer-Sitz.

Dieser tippt auf die Haft-Notiz.

PAUL

Zur Schuh-Boutique?

HESSA

Bringen wir’s hinter uns.

AUSS. edelboutique – tag

Das E-Klasse-Kombi parkt aus, fährt los und biegt, gefolgt von dem plötzlich auftauchenden Wagen des robusten TAXLERS, in die nächste Seiten-Straße. Dort hält es schon wieder an – in zweiter Reihe.

I./A. E-Klasse-Kombi – tAG

PAUL zeigt schrägt durch die Frontscheibe.

PAUL

(zu Hessa)

Da vorne ist die Schuhboutique. Ich kann hier leider nicht parken. Ich fahre rum, und Sie rufen mich an, wenn ich kommen soll.

HESSA

(seufzt)

In Ordnung.

GEHUPE der hinter Paul aufgestauten weiteren Fahrzeug.

Er hängt seinen Arm aus dem Fenster und lässt ihn kreisen: dass man an ihm vorbeifährt.

Als erster überholt der TAXLER, böse zu Paul hereinschauend, der’s mit einem Schulterzucken weglächelt.

AUSS. SCHUHBOUTIQUE – tag

Die FRAUEN IN SCHWARZEN ÜBERKLEIDERN steigen wieder aus dem E-Klasse-Kombi.

Kaum hat die letzte die Türe zugeschlagen, setzt dieses im Rückwärtsgang auf die Hauptstrasse und prescht davon.

Die Frauen schauen erstaunt hinterher, bevor sie in dem Laden verschwinden.

AUSS. KIOSK – tag

Das E-Klasse-Kombi parkt am Straßenrand – von hinten nähert sich ihm der TAXLER, parkt seinen Wagen.

Die Sonne scheint und wärmt die Umgebung.

PAUL steht an einem Stehtisch mit Bierflasche darauf, über sein Smartphone gebeugt.

SMARTPHONE-ANZEIGEFLÄCHE

Online-Poker-Spiel – Karten wandern hin und her . . .

Taxler (o.S.)

So sieht man sich wieder.

Paul blickt auf – will im ersten Moment weglaufen. Setzt dann aber ein Willkommenslächeln auf.

PAUL

He, Mann, ich wusste gar nicht, dass du in der Stadt bist.

TAXLER

Dasselbe wollte ich gerade von dir sagen. Hättest dich sonst doch, wie abgemacht, bei mir gemeldet.

PAUL

Mir ist was dazwischen gekommen.

TAXLER

Macht nichts, ich hab‘ dich ja auch so gefunden.

Er legt seinen Schlüsselbund wie einen Schlagring auf den Tisch.

Paul nimmt einen nervösen Schluck aus seiner Flasche. Hält sie dann in Richtung des Taxlers.

PAUL

Bier?

TAXLER

Willst du mich einladen, aus deiner Flasche zu trinken?

PAUL

Du kriegst dein Geld.

TAXLER

. . .

PAUL

Ich hab’s im Wagen.

TAXLER

Dann hol‘ es, jetzt.

Paul schnappt sich den Schlüsselbund des Taxlers und wirft ihn in den Gully. Dann schubst er den Kerl weg, rennt in Richtung seines Wagens.

Als er seine Chauffeursmütze verliert, kehrt er nochmal zurück, bückt sich danach. Fast erwischt der Taxler ihn dabei.

Paul springt hinters Steuer seines Wagens und prescht davon.

AUSS. SCHUHBOUTIQUE – tag

Wagen mit PAUL am Steuer hält in zweiter Reihe, während die tütenbepackten FRAUEN IN SCHWARZEN ÜBERKLEIDERN zusteigen.

Wagen fährt los.

Auss. Innenstandt – tag

E-Klasse-Kombi fährt durch Altstadt.

Inn. Modeladen / umkleidekabine – tag

HESSA legt ihr schwarzes Überkleid ab. Sie trägt Jeans und T-Shirt. Probiert einen Designer-Mantel an, der von überdimensionalen Klammern zusammen gehalten wird.

Jetzt sieht sie aus wie eine Model.

ZÜNFTIGE BIERGARTEN MUSIK dringt durch ein geschlossenes Fenster, welches Hessa – hinter einem schweren Vorhang – entdeckt.

Sie stemmt es auf.

I./A. blick aus der umkleidekabine – tag

Im Hof sind die Tische und Stühle eines kleinen Biergartens herausgestellt worden.

Die GÄSTE wirken animiert – dazwischen balancieren zwei KELLNERINNEN die Bestellungen.

Der TROMPETER der KAPELLE hat sich auf einen der Tische gestellt und spielt ein melancholisches Solo.

HESSA schaut herunter auf die Szene.

NOURA (O.S.)

Hessa!

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Was ist?

NOURA (O.S.)

(Arabisch – mit Untertiteln)

Brauchst du Hilfe?

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Nein! Es ist alles in Ordnung!

InN. mODELANDEN – TAG

HESSA kommt, wieder im schwarzen Überkleid, aus der Umkleidekabine.

Die ANDEREN FRAUEN stehen in unterschiedlichen Modekleidern vor den Spiegeln, während Hessa ihren Mantel der VERKÄUFERIN aushändigt.

Verkäuferin

You like it?

Hessa

Ist schön, aber ich hab‘ schon so viele davon.

NOURA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Was ist los? Warum gibst du ihn zurück?

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Ich hasse diese Klamotten.

NOURA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Aber das ist Prada.

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Alle tragen wir Prada. Ich will ein Drindl haben!

NOURA

(zur Verkäuferin)

Do you have Drindls?

VerKäUFERIN

Of course. You please come this way.

Aber Hessa kommt nicht.

NOURA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Geh‘ mit der Verkäuferin. Was hast du?

HeSSA

(Arabisch mit Untertiteln)

Ich will kein Dirndl aus so einem teuren Laden. Ich will ein richtiges.

Die Verkäuferin lächelt geduldig, versteht aber selbstverständlich kein Wort.

Hessa zieht ihr Smartphone hervor und holt etwas auf dessen Oberfläche, hält es der Verkäuferin hin.

ANZEIGEFLÄCHE DES SMARTPHONES

Homepage des „Holareidulijö“.

HESSA (NOCH)

Ist das weit von hier?

VERKäUFERIN

Schellingstraße – das liegt in der Maxvorstadt.

(Blick zur Tante)

Das sind dort aber alles gebrauchte Kleider.

NOURA

What you say?

Sie kommt heran, um mit einen Blick zu werfen.

ANZEIGEFLÄCHE VON HESSAS SMARTPHONE

Galerie verschiedener Trachten- und Dirndl-Bilder, eines bleibt stehen.

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Guck‘ mal hier – ist das . . .

I./A. E-Klasse-Kombi – tAG

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

. . . nicht schön?

HESSA – auf dem Rücksitz neben NOURA – lässt ihr Smartphone sinken.

Die FRAUEN IM ÜBERKLEID schicken sich an, den Wagen zu verlassen.

Auss. Nobel-hotel – tag

PAUL überreicht die Einkaufstüten aus dem Laderaum des Kombis an die FRAUEN IM SCHWARZEN ÜBERKLEID, welche damit im Hotel-Eingang verschwinden.

Als er zurück hinter das Steuer klettert – sitzt in ihrem Überkleid HESSA mit ihren Einkaufstüten auf dem Schoß auf dem Beifahrersitz.

NOURA klopft gegen das Fenster der Fahrerseite.

Paul lässt es herunter

NOURA

You bring her to Holareidulijö, for Drindl purchase. Then back to hotel!

HESSA

(Arabisch – mit Untertitel)

Lass‘ mal, ich erklär’s ihm schon.

(zu Paul – deutsch)

Wir fahren jetzt noch ein Dirndl kaufen, im Holareidulijö!

PAUL

Holareidulijö?

Hessa hält ihr Smartphone hoch.

HESSA

Ich hab’s hier schon auf dem Navi!

I./A. E-Klasse-Kombi / strassenkreuzung – tAG

Der Wagen hält an einer Straßenkreuzung, nach einem unschlüssigen Moment  – blinkt er links.

HESSA (O.S.)

Nein, rechts!

Sie konsultiert weiter ihr Smartphone.

ANZEIGEFLÄCHE VON HESSAS SMARTPHONE

Wurmartige blaue Strecke auf Google-Maps-Ausschnitt von München.

HESSA (O.S.) (NOCH)

Dann wieder links – und zweimal rechts.

Sie blickt von ihrem Handy auf.

HESSA (NOCH)

Dann sind wir da!

PAUL setzt den rechten Blinker.

AUSS. holareidulijÖ – tAG

Das E-Klasse-Kombi parkt vor dem Laden, in dessen Ausgang PAUL herumlauert.

Inn. HolAREIDULIJÖ – tAG

VOLKSTÜMLICHE MUSIK kommt von einem Flachbildschirm, der weiter oben an der Wand Oktoberfest-Programm zeigt.

HESSA kommt in Lederhosen und einem Trachtenjanker aus der Umkeidekabine.

Sie dreht sich im Spiegel, an dem ihr schwarzes Überkleid herunterhängt über den Einkaufstüten der Edelboutique.

Sie sieht entzückend aus!

Die VERKÄUFERIN kommt mit einem Arm voller Dirndl.

VERKäUFERIN

(bayerisch)

So, die wären ungefähr in Ihrer Größe.

PAUL in der Türe richtet sich auf.

AUSS. holareidulijÖ – tAG

An dem geparkten E-Klasse-Kombi fährt, langsamer werdend, ein Taxi vorbei.

Inn. HolAREIDULIJÖ – tAG

MONTAGE

HESSA dreht sich in mehreren Dirndln vor dem Spiegel.

Die VERKÄUFERIN betrachtet sie mit bayerischer Langmut.

HESSA

(schließlich)

Das nehm‘ ich.

VERKäUFERIN

Behalten Sie’s gleich an?

Hessa denkt nach – blickt hoch zu dem Flachbildschirm, der das Oktoberfestgeschehen wiedergibt.

Das schwarze Überkleid verschwindet in der Einkaufstüte der Edelboutique.

Hessa, im Dirndl, bezahlt und geht nach draußen.

AUSS. holareidulijÖ – tAG

HESSA  – im Dirndl – nähert sich dem E-Klasse-Kombi.

Aber wo ist der Fahrer?

Die Türen des Fahrzeugs sind verschlossen.

Inn. hOLAREIDULIJö – tAG

HESSA – mit ihrer Einkaufstüte – kommt suchenden Blicks zurück in den Laden.

VERKäUFERIN

Haben Sie etwas vergessen?

HESSA

Nein – ich . . . Da ist er ja.

Sie hat PAUL im Schatten eines der Garderobenständer entdeckt.

HESSA (NOCH)

(zu Paul)

Fahren wir?

Paul

Kein Problem.

Er kommt aus seinem „Versteck“ hervor.

AUSS. holareidulijÖ – tAG

PAUL folgt HESSA ins Freie.

Sie reicht ihm ihr Smartphone und bedeutet, ein Foto von ihr zu machen.

Paul knipst das Foto und gibt ihr die Kamera zurück.

Hessa nimmt sie und geht mit ihrer Edelboutiquen-Tüte zur Beifahrertüre.

Er schaut sich nochmal um, bevor der aufschließt.

I./A. E-Klasse-Kombi – tAG

PAUL fährt los.

PAUL

Jetzt wieder zum Hotel?

HESSA

Wie weit ist es zum Oktoberfest?

PAUL

2 bis 3 Kilometer.

HESSA

Dann fahren wir erst zum Oktoberfest. Danach ins Hotel.

Paul zögert.

Dann startet er den Wagen.

AUSS. THERESIENWIESE / VERKEHRSINSEL – nachmittag

Der E-Klasse-Kombi bewegt sich im Schritt-Tempo durch das Gewühl aus Menschen und Fahrzeugen vor dem Nordeingang der Festwiesen.

I./A. E-Klasse-Kombi – nachmittag

Ausgelassene OKTOBERFEST-GÄSTE legen sich über den Kühler oder drücken ihre Nase platt an den Autofenstern.

Paul

Hier finden wir keinen Parkplatz.

PAUL HUPT.

Paul (NOCH)

Heh, ihr Penner!

(zu Hessa)

Ich muss weiter weg parken. Willst du, wollen Sie hier schon mal aussteigen?

Hessa, welche die Szene fasziniert betrachtet hat, kommt zu sich.

HESSA

Nein, du musst bei mir bleiben.

AUSS. strasse bei bahnhof – nachmittag

Der E-Klasse-Kombi wühlt im Verkehr vorbei, biegt in eine kleinere Seitenstrasse.

Auss. nebenstrasse bei bahnhof – nachmittag

E-Klasse-Kombi parkt in eine Lücke.

PAUL kommt zu HESSA. In ihrem Dirndl sieht sie aus wie jede andere internationale Oktoberfest-Besucherin, nur hübscher.

HESSA

In welche Richtung müssen wir gehen?

Pauls Blick wird von etwas in dem Wagen gefesselt.

BLICK IN DEN WAGEN

Im Laderaum sind Hessas Luxus-Boutique-Einkaufstüten zu sehen.

PaUL

Die nehmen wir besser mit. Sonst schlägt uns noch jemand die Scheiben ein.

AUSS. strasse bei bahnhof – nachmittag

PAUL und HESSA überqueren die Straße.

Sie tragen die Einkaufstüten, steuern damit zu auf den Hauptbahnhof.

I./a. Bahnhofshalle – nachmittag

HESSA folgt PAUL durch die OKTOBERFEST-ATMOSPHÄRE der Bahnhofshalle.

Inn. schliessfächer – nachmittag

PAUL öffnet eines der Schließfächer, HESSA verstaut ihre Einkaufstüten darin.

Stopft Teile ihres schwarzes Überkleides, die etwas herausquellen, zurück.

Paul schließt ab, gibt Hessa den Schlüssel.

PAUL

So, und jetzt zum Oktoberfest!

HESSA

Ist es weit?

PAUL

Ein Stückchen laufend müssen wir schon.

Auss. Ludwigvorstadt – nachmittag

PAUL und HESSA laufen – unter den herrlichen BAUDENKMÄLERN der Ludwigsvorstadt, an denen Hessa immer wieder heraufschaut – im BESUCHERSTROM Richtung Oktoberfest.

AUSS. oktoberfest – nachmittag

HESSA schiebt sich im Schlepp von PAUL über die Festwiese.

Ihre begeisterten Augen nehmen alles herein.

PAUL sieht unter den Oktoberfest-Besuchern vor ihnen JEMAND, der von hinten wie der Taxler aussieht.

Bevor dieser sich umdrehen kann, zieht Paul HESSA in den Eingangsbereich einer Bierzelt.

Inn. bierZELT – nachmittag

PAUL bugsiert die sich umschauende HESSA an einen der Tische, wo die BEDIENUNG die Bestellungen aufnimmt.

PaUL

Zweimal alkoholfrei bitte.

Bedienung

Zweimal alkoholfrei.

Sie wühlt sich davon.

Vom Eingang her folgt der etwas verträumte ALEX (25) der zielbewussten Dirndl-Trägerin STEFFI (22).

Sie stellt ihren Formkoffer neben Paul und Hessa auf den Tisch, öffnet ihn und holt Teile einer Trompete hervor.

Während Alex im Hintergrund die Bedienung abfängt.

Hessa beobachtet, wie Steffi ihre Trompete zusammensteckt.

Alex kommt an den Tisch.

Alex

(zu Hessa und Paul)

Hi!

HESSA

Hi!

Paul nickt.

Steffi will sich mit ihrer Trompete auf den Weg machen.

Alex hält sie zurück.

Alex

Ich hab‘ uns was zu trinken bestellt.

Steffi

Ich bin spät dran.

ALEX

Ein Bier kannst du noch trinken.

Steffi gibt ihm einen Kuss.

STEFFI

Ich komm‘ gleich nochmal zurück!

Sie bahnt sich mit ihrer Trompete den Weg zur Bühne der BLASKAPELLE, wo man sie bereits erwartet.

Dort setzt sie die Trompete an und spielt hörbar mit, gleich ein kleines Solo, das am Ende der Nummer BEKLATSCHT wird.

Alex lässt die Hände sinken und blickt zu Hessa und Paul.

ALEX

(stolz)

My girl friend.

PAUL

Du kannst ruhig deutsch sprechen.

ALEX

Ihr seid Deutsche?

HESSA

(arabischer Akzent)

Klar, was hast du denn gedacht.

Die Bedienung stellt das Bier ab.

BEDIENUNG

Zwei Bier, zwei Alkoholfreie. 45 Euro.

HESSA

Das übernehme ich.

Sucht in der Schürze ihres Dirndls.

HESSA (NOCH)

(zu Paul)

Ich glaub‘, mein Portemonnaie ist in dem Bahnhofsschließfach.

Paul

Ich hab‘ auch kein Geld.

BEDIENUNG

Dann nehm‘ ich’s wieder mit.

Sie sammelt die Maßkrüge ein.

AlEX

Halt‘, ich bezahl das schon.

Bedienung verteilt die Maßkrüge wieder auf dem Tisch, während Alex seine Geldbörse hervorkramt und ihr 45 Euro in die Hand drückt.

AlEX (NOCH)

Stimmt so!

Alle stoßen an.

hessa

Prost.

ALEX

Prost.

PAUL

Prost.

Sie trinken.

Alex schüttelt Hessa die Hand.

ALEX

Alex.

Von der Blaskapellen-Bühne wirft Steffi ein zweites Solo ein.

HESSA

Ist das deine Schwester?

ALEX

Meine Freundin. Sie studiert an der Musikhochschule.

HESSA

Und du?

ALEX

An der Filmhochschule.

Er hebt seinen Bierkrug, und sie trink mit ihm.

HESSA

Du studierst Film?

ALEX

Filmregie. Die Filmhochschule ist gleich neben der Musikhochschule.

Paul erhebt sich.

Paul

Ich müsste mal kurz für kleine Jungs.

Pissoir

PAUL erleichtert sich in der Blech-Rinne, bemerkt, dass – TAXLER neben ihm steht.

Im nächsten Moment hat dieser seinen Arm auf den Rücken gedreht.

PAUL

He, lass mich mein verdammtes Ding wieder reintun.

TAXLER

(zischt ihm von hinten ins Ohr)

Nochmal verarscht du mich nicht, du Wichser!

AM BIERTISCH

Hessa schunkelt mit Alex und einer Gruppe ausgelassener ENGLÄNDERINNEN in Drindl.

ALLE SINGEN

I brauch ka grosse Welt . . .

Alex nimmt einen Schluck von seinem Bier – hält das Glas der Bedienung in den Weg.

AlEX

Das schmeckt wie alkoholfrei.

Bedienung riecht daran.

BEDIENUNG

Das ist alkoholfrei.

Alex schaut zu Hessa, die ihren Krug leert, und animiert in das Schunkeln einfällt.

Hessa

(singt laut)

I will ham nach Fürstenfeld!

AUSS. oKTOBERFEST / Geldautomat – ABEND

AUSGABEFACH öffnet sich für Bündel von 50-Euro-Scheinen.

TAXLER nimmt sie PAUL aus der Hand, zählt nach.

TAXLER

(Geld wegsteckend)

Stimmt.

PAUL

Ich krieg noch 20 Wechselgeld.

TAXLER

Das sind Zinsen, mein Lieber. Und dabei zahl noch drauf. Bis nächstes Mal.

Ein JAPANER, der sich inzwischen an dem Geldautomat zu schaffen gemacht hat, hält Paul eine EC-Karte hin.

Japaner

Is this yours?

Paul nimmt sie ihm aus der Hand, ohne sich zu bedanken.

Inn. bieRZELT – ABEND

PAUL kommt herein.

Er taucht auf am Tisch von ALEX. Erblickt keine HESSA.

Paul

Wo ist sie?

Alex

Die Frauen sind mit ihr auf die Toilette.

PAUL

Wann?

ALEX

20 Minuten.

PAUL

Seitdem ist sie nicht zurückgekommen?

Alex zuckt mit den Schultern.

ALEX

Das Bier war ihr nicht bekommen.

Leere Maß.

PAUL

Ist das ihr Glas?

Alex nickt.

Paul riecht daran.

PAUL (NOCH)

Das war ja ein Helles.

AlEX

Allerdings.

PAUL

Sie hat noch nie Alkohol getrunken. Ich hatte ihr ein alkoholfreies bestellt.

ALEX

Ach, du warst das.

VOR DER FRAUENTOILETTE

Paul hält Ausschau nach Hessa.

Drei BETRUNKENE SLAWINNEN kommen heraus.

PAUL

Habt ihr eine Araberin da drin gesehen? In einem Drindl.

SLAWIN

(lallt)

We’re all Drindl!

Sie stülpt Paul ihren Oktoberfest-Hut über und küsst ihn auf die Wange, während ihre Freundinnen ein Foto davon machen.

Paul stößt sie beiseite, nähert sich dem Eingang zu den Toilettenkabinen und stellt sich auf die Zehenspitzen.

TOILTTENFRAU

Verpiss dich, du Spanner.

PAUL

Das ist nicht das, wonach es aussieht.

TOILTTENFRAU

Ja? Dann mach erst mal deinen Hosenstall zu.

Paul bemerkt, dass der noch aufsteht, und zieht den Reißverschluss hoch.

AUSS. okTOBERFEST – nacht

HESSA ist unterwegs mit den ausgelassenen ENGLÄNDERINNEN.

Sie fahren ACHTERBAHN.

 

Inzwischen sucht PAUL nach ihr . . .

 

SCHIESSBUDE

Hessa und die aufgedrehten Engländerinnen schießen einen riesigen Teddybären.

HAUT DEN LUKAS

Hessa schwingt den langen Hammer.

FLOHZIRKUS

Hessa und ihre Oktoberfestfreundinnen stürmen durch die Türe.

Inn. Flohzirkus – nacht

Drei Kreisel aus gemustertem Silberpapier liegen auf der Mini-Bühne.

Impresario

So, und da wäre unser Flohballett -unsere drei Damen, die einen Flohwalzer tanzen.

Die Kreise beginnen sich zu drehen.

Das PUBLIKUM klatscht. HESSA, die in der vorderen Ecke auf einem der wenigen Stühle sitzt, ebenfalls.

 

ImPRESARIO (NOCH)

Und hier unser Flohkarusell, gezogen von unserem starken August, und dies Karussell hat circa 35 Gramm.

Ein kleiner Floh zieht und dreht an einer dünnen Drahtdeichsel ein Karussell.

Während die anderen klatschen, zwinkert HESSA etwas mit den Augen.

IMPRESARIO (NOCH)

Der Theodor, der nimmt den Ball und schießt ihn immer wieder ins Tor. Einmal, zweimal, dreimal . . .

Ein Floh am Ende einer Nadel katapultiert kleine Bällchen, die man ihm gibt, in ein Mini-Tor.

HESSA ist eingenickt.

IMPRESARIO (NOCH)

Der Fridolin nimmt eine Scheibe auf und jongliert sie.

Die anderen Zuschauer schauen gebannt.

IMPRESARIO (NOCH)

Da ist hier unser Flohwagenrennen. Der Fritz aus Wien, der Christian aus Nürnberg und der Sam aus New York.

Der Impresario schließt den Schalter, aus dem heraus er die Bühne bediente, während das Publikum nach draußen drängt. Niemand bemerkt die eingeschlafene Hessa.

Das Licht wird gelöscht.

AusS. oktoberFEST – nacht

PAUL steht verloren herum, fasst sich ans Kinn.

PAUL

Scheiße!

InN. bierzelt – nacht

PAUL erscheint am Tisch von ALEX.

PAUL

Ist die wieder aufgetaucht?

AleX

Hier nicht.

Inn. FloHZIRKUS – NACHT

Der IMPRESARIO weckt HESSA auf.

IMPRESARIO

Hallo . . .

HESSA

Was ist denn?

IMPRESARIO

Sie können hier nicht schlafen.

AUSS. oktoberfest – naCHT

HESSA steht alleine vor dem Floh-Zirkus. Weiß nicht, wo sie hingehen soll.

InN. bierzelt – nacht

Aufbruchstimmung, die GÄSTE verlassen das Zelt.

STEFFI steht mit ihrer Trompete bei ALEX am Tisch.

AlEX

Dann kommst du also nicht mit nach Hause?

SteFFI

Nein.

ALEX

Und wo übernachtet ihr?

STEFFI

Im Hotel. Max hat für uns Zimmer gebucht. Wir spielen bis vier Uhr früh, danach hauen wir uns aufs Ohr.

ALEX

Du kannst doch auch um 4 nach Hause kommen.

STEFFI

Du wirst es ja mal zwei Nächte ohne mich aushalten. – Guck mich nicht so an mit diesen Hundeaugen. Ich kann jetzt diesen Stress nicht brauchen. Und wir brauchen das Geld.

KAPELLMEISTER

(aus der Ferne)

Steffi, kommst du? Wir müssen!

STEFFI

Ja doch, gleich!

Sie macht einen Kussmund. Alex drückt seine Lippen darauf.

Steffi (NOCH)

In zwei Tagen bin ich wieder zu Hause! Sei doch nicht so eifersüchtig.

Sie lässt Alex stehen.

AlEX

(lahm hinterher)

Ich bin nicht eifersüchtig.

AUSS. STRASSE in nähe Oktoberfest – nacht

ALEX kommt die Strasse herauf.

Dort steht HESSA, gegen die Hauswand gelehnt, und wird von zwei Hunden angebellt.

ALEX

(zu den Hunden)

Weg! Macht, dass ihr verschwindet! Weg!

Betrunkener JUGENDLICHR

Tyson! Merkel!

Er PFEIFFT – und die Hunde kommen zu ihm.

ALEX

Kann man die nicht mal an die Leine nehmen?

BETRUNKENER JUGENDLICHR

Die tun nichts!

Alex winkt ein Taxi heran.

Er löst Hessa von der Hauswand und bugsiert sie auf den Rücksitz des Wagen.

TAXIFAHRER

Wo soll die Reise denn hin gehen?

AlEX

(zu Hessa)

Wo soll er hinfahren?

HESSA

Sagt etwas Unverständliches auf Arabisch.

FAHRER

(zu Hessa)

Wo wohnen Sie?

HESSA

(lallt)

Oktoberfest!

FAHRER

Okay, ich hab‘ keine Zeit für Spirenzchen. Das Geschäft brummt gerade. Sie soll aussteigen.

AlEX

Ist ja schon gut. Fahr’n Sie zur Jankstraße 15.

FAHRER

Jankstraße 15.

Fährt schon los.

ALEX

Moment!

Der Wagen stoppt. Alex gehrt herum und steigt auf den Beifahrersitz.

Auss. wohnhaus ALEX – nacht

Das Taxi hält an, ALEX steigt aus und holt HESSA vom Rücksitz, die schläfrig an seiner Schulter hängt.

Er bezahlt den FAHRER durchs Seitenfenster und bugsiert Hessa in Richtung Haustüre.

Inn. wohnhaus Alex / treppenhaus – nacht

ALEX schleppt HESSA über die KNARZENDEN Altbautreppen hinauf zu seiner Wohnung.

Inn. wohnung alex / FLUR – nacht

ALEX schiebt HESSA durch die Türe und stellt sie an der Wand ab, um den Lichtschalter zu finden.

Die Türe des Zimmers gegenüber steht offen und gewährt, im aufflammenden Flurlicht, den Blick auf eine junge Frau (Alex‘ Schwester HANNE), die über einem Bett mit zwei Kindern (ihrem Sohn KARSON und ihrer Tochter METTE) eingeschlafen ist.

HESSA

Lallt etwas auf Arabisch.

ALEX

Pssst!

Hessa kotzt auf ihr Dirndl.

Alex kommt mit einem Küchenhandtuch und wischt das Erbrochene von dem Kleid.

InN. wohnung ALEX / ZIMMER STEFFI – nacht

ALEX bugsiert HESSA herein und setzt sie auf das Bett.

Hessa schaut sich um. Den Einrichtungsgegenständen nach wohnt hier eine Frau. Und sie spielt Trompete.

HESSA

(betrunken)

Kann ich hier schlafen?

Alex

So sieht es aus.

HESSA

Wo hänge ich mein Kleid hin?

ALEX

Ich weiß nicht. Da drüben?

Er zeigt auf Steffis Garderobenstange.

HESSA

Hilfst du mir, es auszuziehen? Bitte?

ALEX

Okay.

Er macht einige Knöpfe auf.

AlEX (NOCH)

Das reicht.

Hessa

Ich hab‘ Durst.

Inn. WOHNUNG ALEX / Küche – nacht

ALEX öffnet den Kühlschrank.

Im Getränkefach befinden sich nur Bierflaschen.

Alex holt eine heraus, macht sie auf und trinkt einen Schluck davon.

HESSA (O.S.)

Kann ich auch eins haben?

Sie schwankt in der Küchentüre.

AlEX

Keine so gute Idee.

Hanne erscheint im Gang.

Hanne

Was ist denn hier los?

Hessa reicht ihr die Hand.

Hessa

Es ist mir eine Freude, Ihre Bekanntschaft zu machen.

Hanne nimmt Hessas Hand.

Alex

(zu Hessa)

Darf ich vorstellen, Hanne, meine kleine Schwester.

HESSA

Angenehm.

Hanne

(zu Alex)

Wo ist Steffi?

AUSS. kiosk an der Reichenbachbrücke – nacht

Ein MENSCHENSCHLANGE steht in der Nacht, um sich aus dem Fenster bedienen zu lassen.

Der VERKÄUFER reicht ALEX eine Flasche Cola herüber.

Inn. WohNUNG ALEX / FLUR – nacht

ALEX kommt herein mit der Colaflasche.

ALEX

So, hier hab‘ ich was zu trinken.

In der Küchentüre bleibt er stehen.

Am Tisch dort sitzt HANNE.

Alex (NOCH)

Wo ist . . .

HANNE

Du weißt nicht mal, wie sie heißt?

ALEX

Wo ist sie?

Hanne steht auf, geht an ihm vorbei den Gang hinunter. Alex folgt ihr zu dem Eingang von Steffis Zimmer.

Von dort sieht er Hessa friedlich schlafend in Steffis Bett.

AleX (NOCH)

(leise)

Was ist mit dem Kleid?

Inn. Wohnung ALEX / BADEZIMMER  – nacht

Hessas Drindl hängt tropfnass über der Badewanne.

Alex (o.S.)

Du hast die Kotze abgeduscht?

HANNE (O.S.)

Ich konnte es schlecht in die Maschine stecken.

Inn. wohnung ALEX / flur – nacht

ALEX und HANNE stehen vor der Badezimmer-Türe.

HANNE

Und du weißt wirklich nicht mal, wie sie heißt.

AleX

Das wird sie mir morgen schon sagen, wenn sie ihren Rausch ausgeschlafen hat.

HANNE

Okay, ich muss jetzt los. Mein Vorstellungsgespräch ist in 5 Stunden. Du bringst die Kinder zu ihrem Hort um . . .

ALEX

(das Wort übernehmend)

. . . 8 Uhr. Ich mach‘ das nicht zum ersten Mal Hanne. Sieh zu, dass Du diesmal den Job bekommst.

HANNE

Du bist ein Schatz.

Sie gibt ihm einen Kuss. Dann huscht sie in das

GEGENÜBERLIEGENDE ZIMMER

Wir sehen sie, die KINDER im Schlaf küssen. Dann kommt sie – mit ihrem Mantel – wieder heraus und verlässt „auf Zehenspitzen“ die Wohnung.

AUSS. nobEL-HOTEL – nacht

Der E-Klasse-Kombi parkt vor dem Eingang.

Inn. nOBEL-HOTEL / SUITE / WOHNZIMMER – nacht

PAUL sitzt auf dem Sofa, während NOURA, Smartphone am Ohr, auf und ab geht.

Noura

Why doesn’t she pick up the phone?

PAUL

Maybe it ran out of power.

Noura legt ihr Smartphone weg.

NOURA

Find her!

Sie geht zum Wandsafe und holt einen Koffer heraus, stellt ihn vor Paul auf den Tisch. Sie öffnet den Koffer.

Er ist voller Geldscheine.

NOURA (NOCH)

These are 500.000 Euros. They are yours if you bring her back by tomorrow evening.

Paul schluckt – soviel Geld hat er noch nie auf einem Haufen gesehen.

PAUL

Okay, I find her. Do you have a foto of her?

Noura sucht auf ihrem Smartphone herum, zeigt ihm dann ein züchtiges Portraitfoto Hessas.

Paul (NOCH)

Okay, send it to my smartphone.

Blick auf den Geldkoffer.

PAUL (NOCH)

And I need Spesen.

NOURA

Expenses?

PAUL

Yes.

NOURA

How much?

PAUL

10.000.

AUSS. oktoberfest / TAXISTAND – nacht

Der E-Klasse-Kombi parkt am Straßenrand.

Auf der anderen Seite sehen wir PAUL, eine Reihe auf Kunden wartender Taxis abklappern.

Er zeigt den FAHRERN – auf seinem Smartphone – ein züchtiges Portarait-Foto Hessas.

Der nächste, der seine Scheibe herunterlässt, ist der TAXIFAHRER, der Alex und Hessa nach Hause brachte.

TAXIFAHRER

Ja?

Paul

’n Abend, Kripo. Haben Sie heute abend vielleicht diese Frau gefahren?

Er hält dem Taxifahrer das Smartphone mit Hessas Foto hin.

Diese betrachtet es, blickt dann zu Paul hinauf.

PAUL (NOCH)

War sie vielleicht mit jemand zusammen?

TaXIFAHRER

Kann ich mal ihren Ausweis sehen?

PAUL

Moment.

Er holt einen 500-Euro-Schein hervor und hält ihn dem Taxifahrer hin.

PAUL (NOCH)

Reicht das zur Identifizierung?

Der Fahrer – nimmt den Geldschein . . .

AbBLENDE:

Inn. woHNUNG ALEX / ZIMMER STEFFI – morgen

KINDERKICHERN ist vom Gang zu hören.

KARSON (5) und seine kleine Schwester METTE (4) erscheinen in Türrahmen.

Plötzlich rennen sie los.

Kinder

Baaaah . . . !

Sie werfen sich über die Person vor ihnen im Bett.

KARSOn

(zu seiner kleine Schwester)

Kitzeln! Kitzeln!

Mette kriecht unter die Bettdecke.

HESSA

Schimpft auf Arabisch

Alle SCHREIEN.

Die Kinder schnellen davon, während HESSA sich im Bett aufrichtet.

Mette versteckt sich hinter ihrem Bruder.

KARSON

(zu Hessa)

Wer bist denn du?

Mette

(leise zu Karson)

Wo ist Steffi?

Hessa blickt sich erschrocken um.

ALEX (O.S.)

Karson! Mette! Frühstück ist fertig!

Die Gerufenen verschwinden aus dem Zimmer.

Hessa entdeckt, dass sie ein weites T-Shirt mit Mikeymaus-Aufdruck als Nachthemd trägt.

Die ihr gegenüberliegende Wand wird fast vollständig von einem Bücherregal eingenommen. Auf einer Ablage glänzen zwei Trompeten.

ALEX (O.S.) (NOCH)

Guten Morgen!

Ihr Kopf fährt herum.

ALEX steht im einem Becher Kaffee in der Türe. Hinter ihm lauern die Kinder hervor.

Hessa

Sagt etwas auf Arabisch

ALEX

Bitte?

HESSA

Wo bin ich? Können Sie mir sagen, wo ich bin?

ALEX

Na, in meiner Wohnung.

HESSA

Bin ich entführt worden?

ALEX

Nein.

HESSA

War ich die ganze Nacht hier?

ALEX

Ja.

HESSA

Und Sie waren – auch hier?

ALEX

Ja.

Sie zupft an ihrem T-Shirt.

HeSSA

Wer hat mir das hier angezogen?

Alex

Das war meine Schwester.

HESSA

Wohnt sie auch hier?

ALEX

Sie hatte gestern abend ihre Kinder abgegeben, damit ich die gleich zum Hort bringe.

HESSA

Ah, so . . .

ALEX

Sie haben gestern ein bisschen viel Bier getrunken.

HESSA

Ich habe Bier getrunken? Aber nur alkoholfrei!

ALEX

Da war Alkohol drin.

Mette

Wo ist Steffi?

ALEX

Steffi schläft heute im Hotel.

Karson

Und wer ist die da?

Hessa

Ich bin . . .

(sucht nach Namen)

. . . Micki.

KARSON

Wie die Maus?

HESSA

Ja.

Alex

Okay, Micki, ich bring‘ die beiden eben zum Hort. Inzwischen kannst du dich duschen, wenn du möchtest. Das Badezimmer befindet sich am Ende des Flurs.

Er verschwindet mit den Kindern aus der Türe.

karson (O.S.)

Wann kommt Steffi denn wieder?

ALEX (O.S.)

Übermogen.

Mette (O.S.)

Hat Steffi dich nicht mehr lieb‘?

ALEX (o.S.)

Aber sicher hat sie mich noch lieb‘.

Hessa entdeckt auf dem Nachttisch . . . !

NAH

Ihr Smartphone – sogar angeschlossen an ein Ladekabel.

Auss. wohnhaus ALEX – morgen

Auf der anderen Straßenseite parkt der E-Klasse-Kombi.

In dem zurückgedrehten Fahrersitz ruht PAUL.

Er richtet sich auf.

Aus der Haustüre kommt ALEX, gefolgt von den KINDERN seiner Schwester.

Sie überqueren die Strasse.

Paul versinkt in seinem Sitz, um nicht gesehen zu werden.

Inn. wOHNUNG ALEX – morgen

ANZEIGEFLÄCHE VON HESSAS SMARTPHONE

SKYPE-RAHMEN

AMNA

(Arabisch – mit Untertiteln)

. . . und meine Mutter?

HESSA

(Arrabisch – mit Untertiteln)

Mein Gerät war voll mit Anrufen von ihr. Was soll ich ihr denn jetzt erzählen?

AMNA

Verflixt und zugenäht.

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Wie bitte?

AMNA

Verflixt und zugenäht

(Arabisch – mit Untertiteln)

Das sagen die Deutschen in solchen Fällen.

HESSA

Ja, verflixt und zugenäht!

Sie geht mit dem Smartphone am Ohr herum wie ein eingesperrtes Tier.

AMNA

Was ist das denn für eine Wohnung, in der du bist?

HESSA

Ich weiß nicht. Hier stehen überall Bücher.

Sie nimmt das Handy und schwenkt einige Buchregale ab.

AMNA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Bist du bei einem Schriftgelehrten gelandet?

HESSA

So sieht er eher nicht aus.

. . .

HeSSA (NOCH)

Amna, wenn mein Vater das erfährt, bringt er mich um.

AmNA

Er muss es ja nicht erfahren.

HESSA

(panisch)

Er wird es auf jeden Fall erfahren!

AMNA

Dass du weg warst, wird er erfahren. – Aber nicht, dass du in – in – dieser Wohnung warst.

HESSA

Wie soll das denn gehen?

Auss. Kinder-hort – tag

PAUL beobachtet aus seinem E-Klasse-Kombi, wie die ERZIEHUNGSBERECHTIGTEN ihre KINDER abliefern.

Da kommt ALEX heraus.

Paul langt über den Beifahrersitz und stößt die Türe auf, Alex in den Weg.

Alex

He, was soll das?

Paul beugt sich vor.

Paul

Hallo Kumpel!

Alex schaut in den Wagen.

ALEX

(Paul wiedererkennend)

He! Deine arabische Bekannte ist bei mir.

PAUL

Ach. Wie ist sie da denn hingekommen?

ALEX

Ich hab‘ sie gestern auf der Strasse getroffen, völlig durcheinander. Sie wusste nicht, wo sie wohnt. Da hab‘ ich sie mitgenommen.

PAUL

Und, geht’s ihr gut?

ALEX

Ich denke schon. Komm‘ mit, du kannst du sie gleich abholen.

Paul bedeutet Alex, einzusteigen.

Dieser nimmt Platz auf dem Nebensitz. Paul zieht die Türe zu.

PAUL

Was machst du eigentlich beruflich

ALEX

Ich studiere.

PAUL

Und was?

ALEX

An der Filmhochschule.

PAUL

Da kannst du doch bestimmt ein bisschen Extra-Geld gebrauchen.

ALEX

Was für Extra-Geld.

PAUL

100.000 Euro?

Alex schaut ihn verwirrt an.

PAUL (NOCH)

Hast du überhaupt eine Ahnung, wen du da in deiner Wohnung hast?

AlEX

Micki?

PAUL

(lacht)

Hat sie dir das erzählt: dass sie so heißt?

ALEX

Wie heißt sie denn?

PAUL

Hessa.

ALEX

Hessa?

PAUL

Ihre Königliche Hoheit von . . .

. . . Rest flüstert er Alex ins Ohr.

ALEX

Willst du mich verarschen?

PAUL

Sie ist mehrere Million, wenn nicht Milliarden schwer. Ihr Vater gehört zur Herrscherfamilie. Das gibt einen schönen Finderlohn.

ALEX

Finderlohn?

PAUL

Sie ist verloren gegangen, und wir – bringen sie ihrer Familie zurück.

ALEX

Gut. Vor mir aus.

PAUL

Aber nicht gleich.

Alex

Wieso nicht gleich?

PAUL

Heute abend wäre besser.

ALEX

Wieso heute abend?

PAUL

Wenn ich sie jetzt gleich abliefere, sieht es so aus, als ob ich nicht genügend oder vielleicht gar nicht gesucht habe. Heute abend gibt es die volle Summe.

ALEX

Wie viel?

PAUL

Was geht’s dich an? Du kriegst 100.000.

ALEX

Wofür?

PAUL

Dass du sie den Tag über davon abhältst, zurück ins Hotel zu gehen.

ALEX

Und wie soll ich das schaffen?

PAUL

Lass dir was einfallen.

ALEX

Und wenn sie nicht mitmacht?

PAUL

Haben wir eben Pech gehabt.

ALEX

So ein Schwachsinn.

PAUL

Schwachsinnige 100.000.

ALEX

Woher weiß ich, dass du die Wahrheit sagst?

PAUL

Wieso sollte ich so eine Geschichte erfinden?

Pause.

Paul (NOCH)

Hör‘ mal, du kannst machen, was du willst. Aber das hier . . .

Er notiert etwas auf den Haftnotizblock am Armaturenbrett, reißt den Zettel ab und gibt ihn Alex

PAUL (NOCH)

… ist meine Telefonnummer. Die rufst du heute abend an, wenn sie noch bei dir ist. Dann komme ich sie abholen.

Alex zögert, den Zettel zu akzeptieren.

PAUL (NOCH)

Oder du gibst ihr den Zettel gleich. Dann ruft sie mich an, ich hole sie ab, und die Sache ist vergessen.

Inn. noBEL-HOTEL / SUITE / WOHNZIMMER – tag

Smartphone auf Theke MELDET sich. NOURA stürzt hinzu.

NOURA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Hessa, um Himmels Willen, wo bist du?

HeSSA (Telefonstimme)

(Arabisch – mit Untertiteln)

Bei Amna. Hat sie dir nicht Bescheid gesagt?

NOURA

Bei Amna?

Inn. WoHNUNG ALEX – Tag

HESSA mit dem Smartphone am Ohr.

HeSSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Ja, in der Schönsicht-Klinik. Ich hab‘ ihr einen Überraschungsbesuch abgestattet, um ihr beim Packen heute für die Rückreise zu helfen. Heute morgen entdecke ich deine ganzen Anrufe auf meinen Smartphone. Ich dachte, Amna hatte dir Bescheid gesagt.

NOURA (TELEFONSTIMME)

(Arabisch – mit Untertitlen)

Und wie bist du nach Garmisch gekommen?

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Ich hab‘ ein Taxi genommen. Paul war auf einmal verschwunden. Da hab‘ ich ein Taxi genommen – und dem Fahrer gesagt, er soll mich nach Garmisch bringen.

Inn. noBEL-HOTEL / SUITE / WOHNZIMMER – tag

NOURA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Wann kommst du zurück? Wenn dein Vater erfährt, dass du auf dem Oktoberfest warst . . .

Inn. WoHNUNG ALEX – Tag

Hessa

(Arabisch – mit Untertiteln)

. . . bringt er mich um, ich weiß, ich weiß. Es muss ihm ja keiner sagen. Ich komme heute Abend zurück. Mit Amna. Ich war die ganze Zeit bei ihr. Oder?

Inn. noBEL-HOTEL / SUITE / WOHNZIMMER – tag

NOURA schweigt.

NOURA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Heute abend bist du hier. Und wir vergessen die ganze Sache.

HeSSA (TELEFONSTIMME)

(Arabisch – mit Untertiteln)

Okay, dann bis heute abend!

NOURA lässt ihr Smartphone sinken, schaut es noch etwas an.

Inn. WoHNUNG ALEX – Tag

HESSA wählt eilig eine Telefonnummer.

HESSA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Amna? Es hat geklappt. Sie hat alles geglaubt! Wo treffen wir uns heute abend?

Amna (TELEFONSTIMME)

(Arabisch – mit Untertiteln)

Warte mal. Der Fahrer kommt nach dem Abendessen. Dann bist du um 10 Uhr an dieser Tankstelle.

HESSA

Welcher Tankstelle.

AMNA (TELEFONSTIMME)

Garmischer Str. 138 – ich schick dir die Koordinaten.

Hessa nimmt ihr Smartphone vom Ohr.

ANZEIGEFLÄCHE

Ein Karten-Ausschnitt erscheint.

Hessa tippt auf ein Fähnchen-Symbol. Es öffnet sich Street View – der Aral-Tankstelle.

AMNA (TELEFONSTIMME) (NOCH)

Findest du das?

HESSA

Aber sicher. – Bis 22.00 Uhr!

AMNA (Telefonstimme)

Hessa.

HESSA

Ja?

AMNA (TELEFONSTIMME)

Und was willst du jetzt den ganzen Tag über machen?

HESSA

Keine Ahnung.

Ihr Gesicht leuchtet auf.

HESSA (NOCH)

Alles, was ich immer schon mal machen wollte!

AUSS. wOHNHAUS ALEX – tAG

Als ALEX sich dem Haus auf der anderen Straßenseite nähert, sieht er, wie HESSA im Dirndl auf die Straße tritt.

Er folgt ihr unauffällig.

AUSS. tatoo-LADEN – tag

Schweinwerfer leuchten von außen in das Schaufenster, Teile eines FILM-TEAMS stehen herum.

SCHAUSPIELER in Anzugjacke fliegt aus der Türe und landet auf einer Matratze.

REGISSEUR (off)

Danke!

HESSA schaut neugierig zu.

Schauspieler rappelt sich wieder auf, während die REGIEASSITENTIN, gefolgt vom CONTINUITY-GIRL mit Klemmbrett aus der Türe kommt.

SCHAUSPIELER

Wie war ich?

Regieassistentin

Großartig, aber wir müssen’s gleich nochmal machen.

SCHAUSPIELER

Wieso das denn?

REGIEASSISTENTIN

Du hast deine Jacke anbehalten.

CONTINUITY-GIRL

Anschlussfehler. My bad.

Ein MÄDCHEN IN DIRNDL mit einer kleinen Tätowierung am Hals drängt auf die Straße, zieht sich eine Windjacke über.

REGIEASSISTENTIN

He, he! Wir sind noch nicht fertig.

MÄDCHEN IN DiRNDL

Das hör‘ ich seit zwei Stunden.

REGIEASSISTENTIN

Du kannst doch jetzt nicht gehen!

Mädchen IN DRINDL

Ich muss, sonst ist mein Flieger weg.

Sie sputet sich.

REGIEASSISTENTIN

(hinter)

He!

CONTINUITY-GIRL

So was!

Die Regieassistentin schaut sich nervös um, erblickt Hessa in ihrem Dirndl. Geht zu ihr herüber.

REGIEASSISTENTIN

Tag, wir drehen hier gerade einen Film und bräuchten noch – könnten Sie, könntest Du für einen Moment mitspielen? Es gibt auch eine Gage: 100 – 200 Euro. Müsste aber gleich sein.

Hessa schaut entgeistert.

CONTINUITY-GIRL

Do you speak German?

REGIEASSISTENTIN

(zu ihr herumfahrend)

Was soll das denn jetzt?

CONTINUITY-GIRL

Sie wirkt auf mich wie eine Ausländerin.

HESSA

Ich versteh‘ schon. Sie wollen, dass ich bei Ihrem Film mitspiele.

Die Regieassistentin und das Continuity-Girl nicken.

REGIEASSISTENTIN

Und?

Inn. TaTOO-LADEN – TAG

HESSA sitzt in einem Stuhl vor dem Schminkspiegel. FILMTEAM im Raum verstreut. Bei ihr steht ein BULLIGER TÄTOWIERTER KERL mit einer Tätowiermaschine.

Der REGISSEUR, eskortiert von REGIEASSISTENTIN und CONTINUITY, beugt sich zu Hessa herunter.

Regisseur

It’s very simple, he will tatoo you and then he . . .

Er zeigt auf den in Bereitschaft sitzenden Schauspieler.

REGISSEUR (NOCH)

. . . will interfere because he doesen’t like the design.

Hessa schaut an dem bulligen Kerl herauf.

REGIEASSISTENTIN

Du kannst ruhig Deutsch mit ihr reden. Das versteht sie.

Hessa

Ich lass mich aber nicht tätowieren.

Will wieder aufstehen.

Regisseur

Oh, das ist keine echte Tätowiermaschine, schau mal.

Er nimmt dem bulligen Kerl das Gerät aus der Hand.

RegieASSISTENTIN

Sie macht nur Geräusche wie eine echte.

Der Regisseur drückt auf den Griff. Ein SUMMEN erklingt.

REGISSEUR

Aber hier . . .

Seine Finger berühren die Spitze.

NAH

Diese ist weich und biegsam wie ein kleiner Pinsel.

Er hinterlässt, über den Handrücken des Regisseurs bewegt, einen dünnen schwarzen Strich.

REGISSEUR (NOCH)

Man kann es wieder abwaschen.

Er winkt die MASKENBILDNERIN heran, die mit einem feuchten Schwamm kommt.

Damit die dünnen Striche auf dem Handrücken des Regisseurs beseitigt.

REGISSEUR (NOCH)

(zu Hessa)

Okay?

AUSS. tATOO-LADEN – tag

ALEX nähert sich und späht durch die Scheibe.

Drinnen erblickt er: HESSA, eine Tätowierungsmaschine in der Hand eines BULLIGEN KERLS am Hals, sowie das FILMTEAM bei der Aufnahme.

Inn. TATOO-LADEN – tag

Das SUMMEN der Tätowiermaschine.

NAH

Die weiche Spitze vollendet auf Hessas Hals das niedliche Bildchen einer Brez’n.

REGISSEUR

Danke!

TEAM atmet aus. Die MASKENBILNERIN kommt schnell und betupft das „Tatoo“ auf Hessas Hals.

Maskenbildnerin

(flüstert Hessa ins Ohr)

So sieht es gleich echter aus. Und hält etwas länger.

Sie verreibt den Puder über dem Tatoo, das dadurch subkutaner wirkt.

REGISSEUR

So, wir machen weiter!

AUSS. tATOO-LADEN – tag

ALEX geht zum Eingang des Ladens, aber der dort lauernde AUFNAHMELEITER gestikuliert ihm, Entfernung zu halten.

SCHAUSPIELER (OFF)

Was soll das denn sein??

INN. tATOO-LADEN – tAG

Das TEAM hinter der laufenden Kamera beobachtet den BULLIGEN KERL bei HESSA, konfrontiert von dem SCHAUSPIELER.

BULLIGER KERL

Ich hab’s genau so gemacht, wie Sie gezeichnet haben.

Er sucht einen Zettel vom Schminktisch und hält ihn dem Schauspieler hin.

Dieser schaut auf den Zettel.

NAH

Rechnung des Wirtshaus „Zur Brez’n“ – neben dem Namen als Logo die niedliche Brez’n, die sich auf Hessas Hals befindet.

Der Schauspieler dreht den Zettel rum. Auf der Rückseite befindet sich. . .

NAH

. . . die gekritzelte Herz um die Buchstaben „SEXY“

SCHAUSPIELER

Das solltest du ihr draufmanchen. Du Penner.

BULLIGER KERL

Penner?

SCHAUSPIELER

Ja, Penner!

Er zieht seine Jacke aus.

AUSS. tATOO-LADEN – tag

Der SCHAUSPIELER fliegt auf die den Bürgersteig bedeckende Matratze.

ALEX tut einen Schritt zurück.

REGISSEUR (off)

Danke.

REGIEASSISTENTIN (OFF)

Okay, Abbau! Wir müssen das Motiv in einer Stunde geräumt haben.

INN. tATOO-LADEN – tAG

Das TEAM räumt zusammen.

MASKENBILDNERIN kommt mit einem Schwamm zu HESSA, die ihr „Tatoo“ im Spiegel bewundert.

Hessa weicht zurück.

MASKENBILDNERIN

Ich will’s nur wieder weg machen.

HESSA

Ich finde es schön.

MASKENBILDNERIN

Okay.

Sie lässt den Schwamm wieder sinken. Merkt, wie Hessa von den Piercing-Stücken fasziniert scheint, die auf dem Schminktisch liegen.

MASKENBILDNERIN (NOCH)

Willst du eins anprobieren? – Keine Angst, die sind nicht echt.

Sie nimmt einen der offenen Ringe und stülpt ihn über ihre Lippe.

Die REGIEASSISTENTIN nähert sich im 200 Euro Hessa und der Maskenbildnerin, welche ihr den Rücken kehren.

REGIEASSISTENTIN

Micki, deine Gage.

Hessa dreht sich um – und trägt einen Lippenring.

REGIEASSISTENTIN (NOCH)

Nicht schlecht.

Hessa lächelt.

Sie sieht entzückend aus.

AUSS. tATOO-LADEN – tag

HESSA tritt auf die Strasse und zählt nochmal ihre Gage nach, bevor sie diese in der Schürzentasche ihres Dirndls verstaut. Die „Tätowierung“ befindet sich noch an ihrem Hals, der entzückende Ring über der Unterlippe.

An ihr drängen TEAM-MITGLIEDER vorbei, die den Drehort abräumen.

REGIEASSISTENTIN (OFF)

Micki!

Hessa dreht sich um, die REGIEASSISTENTIN erscheint in der Türe.

REGIEASSISTENTIN (NOCH)

Heute abend ist Bergfest. Wenn du Lust hast, kannst du kommen.

HESSA

In die Berge?

REGIEASSISTENTIN

Es heißt Bergfest, weil wir heute die Hälfte des Films fertig gedreht haben. Bis jetzt sind wir den Berg raufgeklettert, ab morgen geht es wieder runter. Wenn wir unten angekommen sind, ist der Dreh fertig. Deswegen feiert man in der Mitte von Drehbarbeiten ein Bergfest. Unseres ist heute abend, an der Eisbachwelle. Komm‘ vorbei, wenn du Zeit hast. Du bist herzlich eingeladen.

Hessa zieht ihr Smartphone hervor.

HESSA

Eisbachwelle?

REGIEASSISTENTIN

Ja, warte mal.

Nimmt Hessas Smartphone. Tippt darauf herum, händigt es ihr wieder aus.

Hessa inspiziert die Anzeigefläche.

NAH

Maps-Ausschnitt „Eisbachwelle“

Das CONTINUITY-GIRL winkt aus einem Auto.

REGIEASSISTENTIN (NOCH)

Alles klar?

Hessa nickt.

REGIEASSISTENTIN (NOCH)

19 Uhr!

HUPEN.

REGIEASSISTENTIN (NOCH)

Sorry, ich muss.

Sie winkt Hessa und steigt in den Wagen, der mit ihr weg fährt.

AUSS. flohmarkt – tag

HESSA streift zwischen den Ständen umher, begutachtet die verschiedensten „Sehenswürdigkeiten“.

ALEX folgt ihr in sicherer Entfernung, bemüht, unentdeckt zu bleiben.

AUSS. stehcafé an strassenbahnhaltestelle – tAG

HESSA sieht durch die Scheibe die WARTENDEN FAHRGÄSTE noch einen Café im Stehen trinken.

Sie betritt das Café.

Inn. stEHCAFé AN STRASSENBAHNHALTESTELLE – TAG

HESSA bekommt von der BEDIENUNG einen Becher Kaffee über die Theke gereicht.

BEDIENUNG

Das macht 3,50.

Hessa pult ihre Statisten-Gage aus der Schürzentasche ihres Dirndls, hält 100 Euro hin.

BEDIENUNG (NOCH)

Kleiner haben Sie es nicht?

HESSA

Leider, nein.

Die Bedienung nimmt das Geld.

AUSS. stehcafé an strassenbahnhaltestelle – tAG

HESSA, zu sehen durch die Fensterfront, mischt sich zwischen die WARTENDEN FAHRGÄSTE am Thekentisch und nippt an ihrem Kaffee.

Inn. stEHCAFé AN STRASSENBAHNHALTESTELLE – TAG

Von ihrem Standpunkt kann HESSA das Treiben auf der Strasse sehen und verliert sich in dem normalen, für sie aber neuen Anblick.

ALEX kommt „zufällig“ vorbei – erblickt sie . . .

AUSS. stehcafé an strassenbahnhaltestelle – tAG

HESSA winkt – durch die Fensterfront – zurück.

Inn. stEHCAFé AN STRASSENBAHNHALTESTELLE – TAG

ALEX kommt von der Theke mit einem Becher Kaffee und gesellt sich zu HESSA.

Alex

Das ist ja eine nette Überraschung.

Hessa

Hallo. Ich – warte hier auf die Straßenbahn.

AlEX

Du warst einfach abgehauen.

HESSA

Ich wusste nicht, wann du noch mal zurückkommst.

ALEX

Und inzwischen hast du dir ein Tatoo machen lassen?

Hessa fasst instinktiv nach der Stelle an ihrem Hals

ALEX (NOCH)

Sieht toll aus. Aber wo hast du es dir so schnell stechen lassen.

HESSA

Ich hab‘ bei einem Film mitgemacht.

AlEX

Echt?

HESSA

Und ich bin heute abend zum Bergfest eingeladen.

ALEX

Erzähl mal . . .

AUSS. stehcafé an strassenbahnhaltestelle – tAG

Durch die Fensterfront sehen wir HESSA in lebhaftem Erzählgestus – ALEX hört ihr bezaubert zu.

Eine Straßenbahn fährt durchs Bild.

Die beiden treten aus dem Laden.

AlEX

(sich umsehend)

Tja . . .

HESSA

Ich muss zur Arbeit.

ALEX

Verstehe.

HESSA

Ich bin da gestern weggelaufen.

ALEX

Ärger mit dem Chef?

HESSA

Nein, es war nichts.

ALEX

Man rennt doch nicht wegen nichts von der Arbeit fort.

HESSA

Ich wollte nur mal aufs Oktoberfest, ein Bier trinken. Alkoholfrei. Und dann ist alles durcheinander geraten. Und auf einmal . . .

ALEX

Kommst du zu spät zur Arbeit.

HESSA

Ja.

Pause.

ALEX

Nimm‘ dir den Tag doch einfach frei. Mach‘ noch was anderes.

HESSA

Was anderes machen . . .

ALEX

Was ganz was anderes.

HESSA

Ich würde gern‘ mal einen Tag lang machen, nur worauf ich Lust habe.

ALEX

Und das wäre?

HESSA

Das kannst du dir nicht vorstellen.

ALEX

Eine Tatoo machen lassen – im Straßencafé rumstehen und die Leute beim Vorübergehen anschauen?

HESSA

(nickt)

Mhm.

ALEX

Wozu hättest du denn sonst noch Lust?

HESSA

Ich würde gerne mal mit einem Auto fahren.

ALEX

Hast du denn einen Führerschein?

HESSA

(lacht)

Nein. – Ich würde auch gerne nur mal mit der U-Bahn hier fahren – bis zur Endstation und zurück.

ALEX

Im Englischen Garten in der Sonne liegen.

HESSA

Ja.

ALEX

Können wir alles heute machen. Sogar Autofahren.

HESSA

Musst du nicht arbeiten?

ALEX

Ich nehme mir frei.

HESSA

Warum willst du so alberne Sachen machen?

Alex zeigt die Straße hinauf.

ALEX

Dort ist ein U-Bahnhof. Schon geht’s los.

Ton EINFAHRENDER ZUG.

STIMME (OFF)

U6 nach Garching Hochbrück

Auss. u-Bahnhof – tag

MENSCHEN gehen die Treppe hinunter.

STIMME (OFF)

Bitte zurückbleiben.

WARN-PIEPSEN – U-BAHN-TÜRENSCHLIESSEN . . .

InN. U-BAHNHOF – TAG

ANZEIGEN-TAFEL

Springt um – dabei zu hören: AUSFAHRENDER ZUG

InN. U-Bahn-ZUG – TAG

ALEX sitzt neben HESSA, die sich alles genau anschaut.

TYPISCHE FAHRGÄSTE, erstaunlich international in der Zusammensetzung, ein TYP MIT HOCHGEKLAPPTEM MICROSCOOTER, eine FAMILIE MIT WANDERRUCKSÄCKEN, ein LESENDER PROFESSOR IN POLO-SHIRT usf.- die meisten Sitzenden aber sind vertieft in ihre Smartphones.

Hessa betrachtet eine Anzeigentäfelchen über dem Fenster mit dem Foto einer grinsenden jungen Frau.

HESSA

(leise die Zeile darunter buchstabierend)

Fachkraft im Fahrbetrieb.

Alex hat sie beobachtet.

AlEX

Willst du U-Bahnfahrerin werden?

HESSA

U-Bahnfahrerin?

FRAUENSTIMME (off)

Nächster Halt, Odeonsplatz. Umsteigen zur U4 und U5.

AlEX

Da kannst du dich ausbilden lassen.

HESSA

Steht aber „Fachkraft im Fahrbetrieb“, nicht „U-Bahn-Fahrerin“.

ALEX

Es gibt ja auch noch Busse, Straßenbahnen.

HESSA

Die kann ich dann alle fahren?

Aus dem Pulk der EINSTEIGENDEN FAHRGÄSTE drängt sich eine FRAU MIT DICKER EINKAUFTÜTE auf den Sitz ihnen gegenüber.

Frau mit einkaufstüte

Entschuldigung.

Hessa zieht die Füsse ein. Die Frau nickt kurz, lächelnd, und holt ihr Smartphone hervor.

Alex schaut – von der Stellen-Anzeige wieder zu Hessa.

HESSA

Ich hab‘ aber schon einem Job.

Alex

Was denn für einen?

HESSA

Ich bin Zimmermädchen.

ALEX

Zimmermädchen?

HESSA

Ja, in einem großen Hotel.

ALEX

Da machst du bestimmt gute Arbeit.

Bei den Türen zieht eine JUNGE FRAU zwei WINDHUNDE, die einen Kinderwagen beschnuppern, an der Leine zurück.

HESSA

Mein Vater hat solche Hunde.

AlEX

Und was macht er so?

HESSA

Er – kauft Sachen . . .

ALEX

Harte Arbeit?

HESSA

Er macht sich nicht soviel daraus.

ALEX

Warum lässt er’s dann nicht sein?

HESSA

Er muss eine große Familie ernähren. – Aber du, bist du wirklich Student, an der Schule für . . .

ALEX

An der Filmhochschule. University of Television and Film. Willst du die mal sehen?

AUSS. filmhochschule – TAG

ALEX steht mit HESSA auf dem Bernd-Eichinger-Platz. Sie blickt das große Gebäude hinauf.

Neben der Türe staffeln sich die Fahrräder.

HESSA

So viele Filmstudenten . . .

AlEX

Die kommen aus dem ganz Deutschland, ein paar auch aus dem Ausland.

Zwei ÄLTERE ASIATISCHE DAMEN nähern sich.

Ältere Asiatin

(fragt Hessa)

Excuse me, is this the Egyptian Museum?

ALEX

(leise zu Hessa)

Das ägyptische Museum befindet sich unterhalb der Filmhochschule, der Eingang ist da hinten.

Er zeigt zur Portalwand hinter der Monumentalskulptur des gebückten Menschen.

Hessa

(zu den Asiatinnen)

You have to go over there, the entrance is under the big wall.

Ältere asiATIN

Ah, yes. Thank you!

Machen sich auf den Weg. Hessas Blick, der ihnen folgt, bleibt hängen an der Monumentalskulptur.

Sie schaut Alex fragend an.

MONUMENTALSKULPTUR

Der Auminium-Mann ohne Arme steht vorüber gebeugt, ein roter Stab entspringt seinem Kopf und geht direkt in die Erde.

HESSA

Was ist das?

AleX

Ein Kunstwerk im öffentlichen Raum.

HESSA

Warum hat er keine Arme?

ALEX

Keine Ahnung. Auf die Arme kommt’s vielleicht nicht an.

HESSA

Und was kommt da aus seinem Kopf?

ALEX

Das ist ein roter Stab. Der endet unten – im ägyptischen Museum.

HESSA

Hier unter uns ist ein Museum?

ALEX

Ja, das ägyptische Museum. Alles unter der Erde. Wie die Gräber in Ägypten.

HESSA

Und wieso geht der rote Stab da rein?

ALEX

Vielleicht guckt der Mann in die Vergangenheit, deswegen muss er sich so komisch vorbeugen.

Er macht die Bewegung nach, und Hessa – macht sie ihm nach.

Beide stehen sie wie kleine Parodien neben dem gebückten Menschen aus Aluminium.

Hessa blickt zu Alex herüber, sie müssen lachen.

Dann sieht sie etwas anderes – schräg oben.

HESSA

Auf dem Dach sind Leute!

Alex folgt ihrem Blick.

ALEX

Das ist die Beletage der Fakultät für Architektur an der Technischen Universität.

HESSA

Was ist eine Beletage?

ALEX

Eine Sonnenterasse. Von da oben kann man die Berge sehen. Gehen wir rauf?

Hessa nickt.

Sie überqueren die Gabelsbergerstraße.

Gehen ein Stück in die Arcisstraße.

ROSSElenker

Hessa bleibt vor der Pferdestatur stehen.

HESSA

Wer hat die Löcher da reingemacht?

ALEX

Das sind Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg. „Wunden der Erinnerung“ . . .

NAH

In die Oberfläche der Statue gerissene Löcher.

HESSA

In München war Krieg?

ALEX

Der Zweite Weltkrieg. Ist jetzt aber schon über 70 Jahre her. – Komm!

Sie überqueren die Arcis-Straße und gehen die Eingangstreppe der Technischen Universität herauf.

Inn. CAFÉ im VORHOELZER FORUM – TAG

Die Fahrsstuhltüre öffnet sich, den Blick freigebend auf HESSA und ALEX, die in den Raum mit der Theke hinaustreten.

ALEX

Was trinkst du? Kaffee? Tee?

Hessa

Cola.

ALEX

Geh schon mal raus, da kannst du die Berge sehen.

AUSS. CAFÉ im VORHOELZER FORUM – TAG

CAFÉ-BESUCHER stehen mit ihren Drinks an der Veranda-Mauer über blicken über die Stadt vor dem Hintergrund der Berge.

HESSA dreht sich von der Verandamauer zu ALEX, der mit den Getränken kommt.

HESSA

Es ist wunderschön!

Alex reicht ihr ihre Cola und stellt sich neben sie.

AlEX

Wir kommen hier manchmal hoch, wenn es etwas zu feiern gibt.

HESSA

Was feiert ihr denn?

ALEX

Eine Filmpremiere. Manche feiern hier auch ihren Geburtstag.

HESSA

Man kann über die ganz Stadt sehen.

ALEX

Es darf kein Gebäude höher sein in der Mitte von München als der Dom.

. . .

HESSA

Die Berge sind ganz nah.

ALEX

Bei schönem Wetter ist man mit der Bob gleich da und kann drin rumklettern.

HESSA

Was ist Bob?

ALEX

Die Bayerische Oberlandbahn. Sie fährt von München aus in die Berge. Man klettert rauf – und runter – und abends ist man schon wieder zu Hause. Mit der Bob.

HESSA

Ich mag die Berge.

(. . .)

Alex?

ALEX

Ja?

HESSA

Du hast vorhin gesagt, wir können alles machen – sogar Auto fahren.

ALEX

Hättest du Lust, mal Auto zu fahren?

HESSA

Ja!

ALEX

Kein Problem.

AUSS. KARTBAHN – tag

Go-Karts knattern durch die Kurven.

Die Köpfe der Fahrer stecken in Helmen, jedoch erkennt man HESSA an ihrem Dirndl, auch ALEX an seiner Kleidung.

SUBJEKTIVE KAMERA

Hessas Arme an dem Steuer. Sie überholt Alex.

DYNAMISCHE AUFNAHMEN vom Pistenrand und aus Hessas Kart-Kanzel, untermalt von ihrem JUCHEN.

Hessas und Alex‘ Kart laufen aus im Park-Bereich.

Sie klettern heraus. Hessa nimmt vor Alex ihren Helm ab, schüttelt das Haar.

Alex

Und willst mir sagen, du bist noch nie mit sowas gefahren?

HESSA

Noch nie!

(lacht)

Kann ich noch?

Alex zuckt die Schultern.

Hessa stülpt den Helm wieder über und klettert zurück hinter das Steuer.

Alex blickt der Davonknatternden nach.

INN. nOBEL-HOTEL / SUITE / WOHNZIMMER – tAG

Türe vom Gang her geht auf und ABDULLAH kommt herein.

ABDULLAH

(Arabisch – mit Untertiteln)

Hallo? Jemand zu Hause?

Er winkt jemanden aus dem Gang heran.

Ein magerer LIEFERANT bugsiert ein brettartiges Paket herein.

ABDULLAH (NOCH)

Over there!

Er zeigt auf die Stelle, wo es abgestellt werden soll.

ABDULLAH (NOCH)

Okay.

Er pult ein paar Euroscheine aus der Tasche.

ABDULLAH (NOCH)

Here!

Der Lieferant nickt dankend und zieht sich zurück.

Abdullah nähert sich dem geheimnisvollen Paket, packt es und hält es schräg vor sich in sportlicher Pose.

Erschickt, als eine Türe im Hintergrund aufgeht und NOURA hereinkommt.

Dies ist ebenfalls überrascht.

NOURA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Abdullah!

Schaut sich um.

NOURA (NOCH)

(Arabisch – mit Untertiteln)

Seid ihr etwa schon zurück?

ABDULLAH

(Arabisch – mit Untertiteln)

Vater kommt heute abend.

NOURA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Warum bist du jetzt schon hier?

Abdullah stellt das längliche Paket zurück an die Wand.

Abdullah

(Arabisch – mit Untertiteln)

Wo ist Hessa?

NOURA

(Arabisch – mit Untertiteln)

Bei Amna.

ABDULLAH

(mißtrausch)

In der Klinik?

NOURA

Ja.

ABDULLAH

Was will sie denn da?

NOURA

Sie hilft ihrer Kusine beim Packen. Heute abend kommen sie zurück.

Inn. u-BAHNhof Münchener Freiheit / schnellimbiss – tag

ALEX und HESSA kommen im Gespräch von der Theke, er trägt zwei große Pizzastücke, sie hohe Gläser mit Fruchtsaft.

AlEX

Wie? Hässlich ist sie auch noch?

HESSA

Der Prophet . . .

Sie holt einen Beutel Kartoffelchips aus einer Edeka-Tüte unter dem Tisch, reißt sie auf.

HESSA (NOCH)

. . . hat für die Hässlichen ein gutes Wort eingelegt bei Gott.

Sie kostet von den Chips, verzieht den Mund. Schaut sich um – geht vor zur Theke.

Alex drückt den Boden der Tüte hoch, so dass er sie als „Schale“ aufstellen kann, aus der die Chips appetitlich hervorschauen.

Er sieht Hessa mit dem MANN HINTER DER THEKE verhandeln.

Auf einem Großbildschirm an der Wand laufen TANZNACHAHMUNGEN berühmter Kurzvideos.

Hessa kommt mit Pfeffer, einer halben Zitrone und eine Flasche Ketchup zurück an den Tisch.

alex

Soll ich dir helfen?

HESSA

Warte.

Sie drückt Saft aus der Zitrone über die Chips, pfeffert nach. Schiebt Alex die Chips hin, der kostet.

ALEX

Lecker . . .

Hessa nimmt sich nun auch.

Hessa

(Gespräch fortsetzend)

Ja, und jetzt hat sie ihm eine Frau gesucht.

ALEX

Moment mal, deine ältere Kusine hat für ihren Mann eine zweite Frau gesucht?

HESSA

So hat sie mehr Zeit für den Haushalt und ihre Pflege.

ALEX

Was denn für Pflege?

HESSA

Die Haare einfetten, die Hände mit Henna bemalen, Körperpflege. Und dann hat sie noch zwei Kinder. Die andere Frau kann sich inzwischen um den Mann kümmern.

Hesse macht aus der Flasche Ketchup auf ihre Pizza.

HESSA (NOCH)

Das ist praktischer.

Sie beißt von der Pizza ab. Hält Alex die Ketchup-Flasche hin.

Dieser nimmt sie – tupft etwas von dem Inhalt auf seine Pizza. Beißt vorsichtig ab.

Hessa verzieht den Mund, schaut weg.

Alex denkt erst, er sei gemeint. Entdeckt dann aber in seinem Rücken den wahren Grund ihrer Irritation, ein sich KÜSSENDES PÄRCHEN.

Alex macht, um sie abzulenken, einen Kinngeste in Richtung des Flachbildschirms.

AlEX

Guck mal: Cheap Thrills.

Sie schauen sich die Tanznachahmung an.

Hessa macht einige der Bewegungen nach.

Alex (NOCH)

Du kannst tanzen?

HESSA

Nur zu Hause.

THEMATISCHE MUSIK – welche die folgenden Szenen umklammert.

AUSS. MÜNCHENER FREIHEIT / MVV-RADSTATION – TAG

ALEX löst je ein Rad aus für sich und HESSA.

AUSS. englischer GARTEN – tag

ALEX und HESSA schweben auf ihren Rädern durch den Englischen Garten.

Im Hintergrund eine Gruppe NACKTER.

Hessa schaut weg – fährt beinahe in ein anderes FAHRRAD.

AUSS. chinesischer Turm – tag

ALEX und HESSA schieben ihre Räder durch das Gewimmel des Biergartens.

Im Turm spielt BLASKAPELLE (ihre Töne überlagert von der THEMATISCHEN MUSIK)

AUSS. friedensengel – TAG

Der Friedensengel ragt in den Himmel.

Unter der Säule stehen die zwei Fahrräder in trauter Eintracht.

ALEX und HESSA entdecken wir auf der anderen Seite der Säule. Er macht Smartphone-Photos von ihr gegen die Stadtkulisse unterhalb von ihnen.

Am Fuß der Treppe erblickt Hessa einen langestreckten, festlich gedeckten Campingtisch, an dem JUNGE LEUTE sitzen und essen.

ALEX geht mit HESSA hinunter. Er wird erkannt von dem bärtigen „GASTGEBER“, der Alex umarmt, auf die Schultern klopft.

Die Szene bleibt in MUSIK getaucht (wir hören die gewechselten Worte nicht). Den Gesten nach wird Hessa vorgestellt und von der Tischgemeinschaft begrüßt.

Alex und Hessa haben aber keine Zeit, sich zu setzen.

Selfie mit den beiden und dem bärtigen „Gastgeber“.

Winken – auf Wiedersehen . . .

AUSS. zebrastreifen – tag

HESSA zögert mit dem Fahrrad am Bordstein, indem sich zwei Autos nähern.

ALEX, der die andere Seite erreicht, gestikuliert ihr, zu ihm herüber zu kommen.

Hessa beäugt die Autos, welche langsamer werden, anhalten. Was sie zu verblüffen scheint.

Alex winkt: Komm!

Mit dem Mut der Verzweiflung „stürzt“ sie sich auf die Straße und schiebt ihr Rad auf die andere Seite.

AUSS. Brücke an der lagerhausstrasse – tAG

Auf der Brücke über die Strasse, unter der ALEX voranfährt, steht – ein Ausflug-Dampfer!

HESSA steigt kurz ab, macht ein Foto, bevor sie Alex weiter folgt.

AUSS. Graffiti-TUNNEL – tag

HESSA radelt hinter ALEX durch eine imposante Graffiti-Landschaft.

Auss. LAND IN SONNE – tag

HESSA und ALEX radeln durch Dauer-Kleingarten-Anlage.

Alex zeigt Hessa ein Armee von 50 Gartenzwergen in einem der Gärten.

AUSS. marionetten-theater – tag

„Tag der offenen Tür“ steht auf einem Schild über dem Eingang.

Davor stehen – wie ein Pärchen – die geparkten Räder.

Inn. Marionetten-theater – tag

ALEX und HESSA unter den JUNGEN und ALTEN ZUSCHAUERN des Tages der offenen Türe.

Die MARIONETTEN, gehandhabt von einem MÄDCHEN IM GRUFTI LOOK, einem MAGEREN JUNGEN MANN und einem freundlichen GROSSVATER, führen drollige Kunststücke auf.

Ein schüchterner Marionetten-PIERROT übergibt Hessa eine Mohnblume.

Auss. olypia-ALM – tag

HESSA und ALEX strampeln den Hang-Weg zum kleinen Biergarten auf dem Olympia-Berg hinauf – im Hintergrund  Stadion und Halle.

Hessa muss sich schwer in die Pedale legen – Alex feuert sie an!

Sie wird immer langsamer, schafft es aber im letzten Moment auf die ebene Fläche vor den Mini-Biergarten, wo die GÄSTE klatschen.

Alex und Hessa blicken über das Olympia-Gelände.

Die THEMATISCHE MUSIK endet.

AUSS. odeonsplatz – naCHMITTAG

ALEX stellt seines und HESSAS MVV-Rad in der Station ab.

Hessa schaut sich um.

HESSA

Wo sind denn die Löwen?

Alex zeigt zum westlichen Eingang der Residenz.

AlEX

Da drüben.

Hessa kneift die Augen zusammen.

HESSA

Ich seh‘ keine Löwen.

ALEX

Ihre Köpfe sind unten an den Schildern. – Komm.

AUSS. westlicher eingang zur residenz – naCHMITTAG

Die unteren Enden der mächtigen Schilder rechts und links des Eingangs werden kurz von PASSANTEN angefasst, die vorübergehen.

Zwei kleine LÖWENKÖPFE befinden sich dort mit blankgeputzten Schnauzen

HESSA folgt ALEX, der sich nähert.

AlEX

Du musst dran reiben, dann hast du Glück.

Eine ALTE FRAU wackelt heran, reibt im Vorübergehen die Schnauzen – ihr folgen ZWEI KINDER. Das größere hebt das kleinere Hoch, damit es ebenfalls reiben kann.

Hessa schaut Alex an.

HESSA

Jetzt ich?

ALEX

Du musst dir was wünschen.

Hessa denkt kurz nach. Dann langt sich vor.

Der Löwenkopf BRUMMT, als sie ihn berührt.

Ihre Hand zuckt zurück. Sie schaut zu Alex.

Hessa

(leise)

Er brüllt.

ALEX

(leise)

Was hast du dir denn gewünscht?

Hessa schlägt die Augen nieder.

Alex (NOCH)

Versuchen’s nochmal.

Hessa streckt ihre Hand vor, zögert aber. Alex nimmt sie schließlich, führt sie an die Schnauze – die wieder BRUMMT.

Hessa will zurückziehen, aber Alex hält fest. Das BRUMMEN verstärkt sich – Alex ist sein Urheber.

HESSA

(es bemerkend)

Schimpft auf Arabisch…

Sie macht sie frei und haut ihn an der Schulter.

ALEX

Ich versteh kein Wort!

HESSA

Gott soll dich und deine Mutter strafen, mich so zu erschrecken.

Sie lachen.

HESSA (NOCH)

Kann man sich auch noch was wünschen?

Sie schaut Alex länger in die Augen. Dann berührt und streichelt sie erneut die blanke Löwenschnauze.

AUSS. kaufinger-strasse – abend

HESSA und ALEX rücken an zwischen den PASSANTEN. Sie zeigen sich dabei ihre Smartphones.

HESSA

. . . kleine hässliche Hunde, aber die Leute haben sie immer dabei.

ALEX

Zeig‘ mal.

Sie hält ihm ihr Smartphone hin.

ANZEIGEFLÄCHE

Bilder VERSCHIEDENER HUNDEBESEITZER im Englischen Garten – dann: das SCHIFFES AUF DER EISENBAHNBRÜCKE – GRAFFITIS . . .

Alex gibt das Smartphone zurück.

HESSA

Was ist das für ein Schiff, mitten in der Stadt?

ALEX

Das ist kommt vom Ammersee. Weiter unten bei den Bergen.

HESSA

Und was macht es hier?

ALEX

Das hat jemand hereingeholt, um ein Restaurant darin aufzumachen – mit Musik und Tanz.

Hessa schüttelt den Kopf.

HESSA

Ein Schiff in die Stadt holen?

ALEX

Ein bayerischer Dampfer auf einer Eisenbahnbrücke, das gibt’s nur in München. – Schau mal.

Er hält ihr sein Smartphone hin.

ANZEIGEFLÄCHE

Selfie des bärtigen „GASTGEBERS“ mit Hessa und Alex unter dem Friendensengel.

HESSA

War das dein Freund?

ALEX

Dieter? – Wir kennen uns noch aus der Schule. Er ist Sozialpädagoge.

HESSA

Sozialpädagoge?

ALEX

Er hilft Leuten, die guten Rat brauchen, im Auftrag der Stadt.

ANZEIGEFLÄCHE

Die FRÖHLICHE ESSENSGESELLSCHAFT am Campingtisch unter dem Friedensengel.

HESSA (off)

Sind das solche Leute?

ALEX

Nein, das sind Freunde und Kollegen. Die haben sich zusammengeschlossen, um den öffentlichen Raum zurückzuerobern.

HESSA

Das verstehe ich nicht. Was wollen sie erobern?

ALEX

Sie verabreden sich – irgendwo in der Stadt, wo’s möglichst schön ist. Jeder bringt Speisen und Getränke mit. Dann bauen sie schnell einen Tisch auf und setzen sich, um gemeinsam zu essen. Eine oder zwei Stunde später sind sie wieder weg.

STRASSENMUSIKER

Ein MUSIKER und seine PARTNERIN liefern ein flottes Spiel, das einen Kreis ZUSCHAUER angezogen hat.

Musiker

(singt)

I’m free to be the greatest, I’m alive

I’m free to be the greatest here tonight, the greatest

The greatest, the greatest alive …

Eine spontane FRAU tanzt – animiert andere zu tanzen.

Sie zieht Alex in ihren Kreis. Dieser wirkt erst verlegen, man erwartet eine Blamage, dann aber tanzt er überraschend gut, sehr originell.

Hessa, der es in den Füßen zuckt, kommt hinzu.

Mit Alex tanzt sie ein mitreißendes, gut aufeinander eingespieltes Duett, das noch den Musiker anspornt zu mehr Emphase.

Immer mehr Zuschauer kommen hinzu.

TOSENDER APPLAUS

Alex und Hessa nicken dankend und entfernen sich von der Gruppe.

AuSS. marienplatz – ABEND

HESSA und ALEX kommen aus Richtung Kaufingerstrasse gerannt.

Alex‘ Smartphone MELDET SICH. Er nimmt es ans Ohr.

ALEX

Ja?

Inn. biERZELT – ABEND

STEFFI steht auf der Blaskapellen-Tribüne, ihr Smartphone am Ohr.

StEFFI

(brüllt ins Telefon)

Alex?

AuSS. marienplatz – ABEND

AlEX

(ins Telefon)

Ja – ja . . . Kein Problem.

Rasch zu Hessa, während er das Mikrophon zuhält:

AlEX (NOCH)

(leise)

Das ist meine Freundin.

ALEX dreht sich ab.

HESSA betrachtet ihn aus der Ferne.

Alex ist fertig mit dem Gespräch.

AlEX (NOCH)

Steffi ist wieder auf dem Oktoberfest.

HESSA

Musst du jetzt zu ihr?

ALEX

Nein, sie hat nur angerufen, dass sie heute nochmal nicht nach Hause kommt.

HESSA

Wohnt ihr zusammen?

ALEX

Du hast doch in ihrem Bett geschlafen.

Hessa wendet sich ab.

AlEX (NOCH)

Was ist los?

Hessas Smartphone meldet sich. Sie kramt er hervor.

ANZEIGEFLÄCHE

Erinnerung „Bergfest / Eisbachwelle“

HESSA

Weißt du, wo das ist?

Sie hält Alex die Anzeigefläche hin.

Alex schaut sich um, winkt einem Fahrrad-Rikscha.

Hessa klettert, gefolgt vom ihm, an Bord.

Auss. eisbachwellE – abend

ALEX und HESSA kommen leicht abschüssigen Fußweg von der Prinzregentenstrasse herunter.

PARTY-MUSIK

Das FILMTEAM steht verstreut um eine improvisierte Essensstation (Grill mit Bratwaren – Biergartentisch-Buffet -Getränke)

Hessa gefällt die ausgelassene Stimmung, auf die sie hinunterblickt.

Sie folgt Alex unter die Leute.

Sie beobachten die SURFER, welche – einer nach dem anderen – vom gegenüberliegenden Ufer mit ihren Brettern auf die Welle springen und sich zu halten versuchen.

PRINZREGENTENSTRASSE

Taxi fährt vor, welches auf dem Dachgepäckträger ein Surfbrett hat.

Heraus steigt ABDULLAH in einem Neoprenanzug.

Der FAHRER hilft ihm, das Surfbrett hinunter zu hieven.

Damit klettert Abdullah in Richtung den aufgereihten SURFER, die warten, dass die Welle für sie frei wird.

Da erregt etwas seine Aufmerksamkeit – am anderen Ufer . . .

Dort steht Hessa neben Alex, halb verborgen hinter anderen Schaulustigen. Sie lachen, als einer der Surfer von der Welle ins Wasser fällt.

Abdullah reckt den Hals, um im Halbdunkel besser sehen zu können.

Hessa verfolgt gespannt, wie der nächste Surfer auf die Welle springt.

Abdullah klettert mit seinem Brett wieder hoch in die Richtung, aus welcher er gekommen war.

Hessa erschrickt, als einer der Surfer einen Purzelbaum in die Wellen macht. Hält sie kurz an Alex fest.

Diese blickt zu ihr, etwas länger.

HESSA

Hallo.

Alex

Hallo.

HESSA

Deine Freundin sollte dich nicht einfach so rumlaufen lassen.

ALEX

Meinst du?

HESSA

Du hast dich jetzt einen Tag lang um mich gekümmert. Warum?

ALEX

Das war doch selbstverständlich.

HESSA

Ich habe bisher noch nie einen Mann getroffen, der so nett zu mir war, einfach so.

ALEX

Nicht der Rede wert.

HESSA

Und so selbstlos.

ALEX

Komm‘, wir holen uns was zu trinken.

Am Buffet-Bierttisch steht die REGIEASSISTENTIN

ReGIEASSISTENTIN

(zu Hessa)

Micki! Schön, dass du’s geschafft hast. Wir haben uns schon gefragt, ob du kommst.

Das CONTINUITY GIRL hat leicht einen in der Krone.

CONTINUITY-GIRL

Hab‘ doch gesagt, die kommt.

Jetzt ist auch die MASKENBILDNERIN da, untersucht Hessas Hals.

MASKENBILDNERIN

Die Brez’n ist noch da.

Hessa

Ja. Ich finde sie schön.

Sie zeigt auf Alex.

HESSA (NOCH)

Das ist Alex.

MASKENbildnerin

Wir kennen uns doch. Du bist auf der HFF, oder?

Alex

Erraten.

REGIEASSISTENTIN

(zu Hessa)

Willst du mal deine Aufnahmen sehen? Wir haben hinten einen Monitor.

HESSA

Ja!

Sie folgt der Regieassistentin, während Alex Smartphone KLINGELT.

Er holt es heraus.

I./A. lUXUSFAHRZEUG / autobahn – aBEND

PAUL am Steuer des schnell fahrenden Wagens.

PAUL

(in Freisprechanlage)

Alex? – Ich bin’s Paul. Wie sieht’s aus?

Auss. eisbachwellE – abend

Alex

(ins Smartphone)

Ja, sie ist noch bei mir.

(hört zu)

Alles in Ordnung, du rufst mich dann an, wo ich sie abgebe.

I./A. lUXUSFAHRZEUG / autobahn – aBEND

PAUL

(in Freisprechanlage)

Prima Job, Mann! Wir sind jetzt schon so was von reich. Die Tante glaubt inzwischen, dass ich ’ne heiße Spur habe. Bis später!

Er lässt den Mikrophonhebel los und fängt an, gut gelaunt zu PFEIFEN.

Beugt sich etwas vor, um ein Hinweisschild besser zu sehen.

BLICK AUS DEM FENSTER DES LUXUSFAHRZEUGS

Autobahnschild: „Garmisch Partenkirchen 65 Kilometer“

Auss. eisbachwellE – abend

ABDULLAH stellt sein Surfbrett an einem Baum ab und mischt sich unter die Bergfest-GÄSTE.

HESSA, mit der REGIEASSISTENTIN vor einer kleinen Monitor-Gruppe hockend, winkt ALEX herüber.

Er macht sich auf den Weg.

Abdullah späht herum, wird abgelenkt von zwei LEICHT GEKLEIDETEN MÄDCHEN, die mit Bierflaschen vorbeiziehen.

Als Alex bei Hessa ankommt, zu ihr in die Knie geht – erblickt sie etwas in seinem Rücken, das sie in den Schatten eines Busches ausweichen lässt.

Sie weicht weiter zurück, verschwindet zwischen Büschen am Ufer des Eisbachs.

Abdullah schaut sich weiter um – zuckt schließlich mit den Schultern. Nimmt sich eine Bierflasche, trinkt davon.

Dann geht er runter zum Eisbach.

Er wird hineingeschubst – von einem Schatten, der kurz hinter einem der Büsche hervorschnellt.

Alex entdeckt dort – Hessa, die sich ängstlich versteckt.

AlEX

Was ist denn los?

Sie winkt ihn zu sich hinunter, flüstert ihm etwas ins Ohr.

Alex schaut sich daraufhin rasch um.

AlEX (NOCH)

(leise)

Er kommt zurück.

Im Hintergrund klettert Abdullah aus dem Eisbach.

ALEX (NOCH)

(dringend)

Dein Smartphone.

Hessa versteht nicht gleich.

ALEX (NOCH)

(leise)

Schnell!

Er versteckt es zusamen mit seinem in dem Busch.

Dann steigt er ins Wasser – zieht Hessa nach.

Aus sicherer Deckung beobachten sie, wie Abdullah am Ufer herumsucht – nichts findet.

Als er endlich weg ist, klettert Alex als erster zurück an Land und . . .

NAH

. . . klaubt die Smartphones aus dem Versteck.

AUSS. englischer garten / bank – nacht

ALEX hilft der pitschnassen HESSA, sich zu setzten, rubbelt sie leicht.

AlEX

Ich hoffe, dir ist nicht zu kalt.

HESSA

Geht schon.

Die beiden schauen sich an, müssen loslachen.

Plötzlich gibt Alex Hessa einen Kuss.

Sie schauen sich an. Ein Engel geht vorüber.

ALEX

Ich . . .

Es sieht für einen Moment so aus, als sie sich noch einmal küssen.

Alex merkt auf, als sich SCHRITTE aus der Ferne nähern.

AlEX (NOCH)

Ich glaube, wir verschwinden besser von hier.

Sie huschen davon.

Inn. schliessfächer – nachmittag

HESSA holt, beobachtet von Alex, die Einkaufstüte mit ihren Anziehsachen aus dem Schließfach.

INN. WOHNUNG ALEX / BADEZIMMER – nacht

HESSA vor dem Spiegel, wäscht das aufgemalte Tatoo von ihrem Hals.

Der Lippenring liegt auf der Ablage des Waschbeckens.

Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht

ALEX holt sich gerade einen Kaffee aus der Maschine, stellt die Tasse neben sein und Hessas Smartphone, die wie ein Pärchen auf dem Küchentisch nebeneinander liegen.

Sein Smartphone meldet sich. Er nimmt es hoch.

AlEX

(ins Smartphone)

Paul. Ja, sie ist hier . . .

INN. WOHNUNG ALEX / BADEZIMMER – nacht

HESSA macht die Haare noch etwas zurecht.

Sie holt ihr schwarzes Überkleid aus der Tüte.

Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht

HESSA erscheint in der Türe. Sie trägt jetzt ihr schwarzes Überkleid.

AlEX

Und das Drindl?

HESSA

Das lass ich besser hier. Wenn es dir nichts ausmacht.

ALEX

Stand dir aber gut. Solltest du öfter tragen.

HESSA

Wie eine richtige Bayerin?

ALEX

Ich bin auch kein Bayer. Die meisten Leute, die hier leben, sind aus anderen Teilen Deutschlands -der Welt . . . Kaffee?

Er schiebt ihr eine Tasse hin. Sie nimmt sie in beide Hände.

Schaut sich in der Küche um.

HESSA

Soll ich noch schnell was kochen?

ALEX

Ich fürchte, der Eisschrank ist leer.

Sie setzt sich, die Tasse vor den Bauch haltend.

AlEX (NOCH)

Müde?

HESSA

Nur ein bisschen.

ALEX

War ein anstrengender Tag.

HESSA

Ein wundervoller Tag.

Ihr Smartphone meldet sich. Hessa greift danach.

HESSA (NOCH)

(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)

Ja? – Ich habe dir doch gesagt, dass ich pünktlich komme . . .

Sie erhebt sich und verlässt die Küche. Alex hört von dort ihre STIMME weiter auf Arabisch.

Dann – STILLE

Hessa taucht wieder in der Türe auf.

HESSA (NOCH)

Kann ich noch etwas Kaffee haben?

Alex gießt ihr nach.

HESSA (NOCH)

Tut mir leid, dass ich uns nichts kochen kann.

Alex

Was hättest du uns denn gemacht, wenn was im Kühlschrank gewesen wäre.

HESSA

Gulasch mit Auberginen – Salat von Kirchererbsen. Ich kann gut kochen. Ich könnte ein Restaurant aufmachen.

ALEX

Mein Vater hat ein Restaurant. Ich komme aus einer Familie von Wirten.

Sie schauen sich an – länger. Hessa nimmt mehrere Schluck aus ihrer Kafee-Tasse. Wendet sich ab.

HESSA

Ich muss jetzt gehen.

Alex weiß nicht, was er sagen soll. Sie erhebt sich.

INN. woHNUNG ALEX / FLUR – nacht

ALEX begleitet HESSA zur Wohnungstüre.

Die beiden umarmen sich.

AlEX

Hessa – ich muss dir etwas sagen.

Sie schüttelt den Kopf.

HeSSA

Nein, bitte, nichts sagen.

Er küsst ihr die Stirn.

HESSA (NOCH)

Ich muss jetzt gehen.

AlEX

Wohin denn?

HESSA

Ich weiß wohin. Lässt du mich gehen?

ALEX

Ich komme mit.

Inn. MVV-BUS – nacht

ALEX und HESSA in schwarzem Überkleid sitzen nebeneinander in dem fahrenden Bus.

Er wirkt nachdenklich, es arbeitet in ihm. Sie schaut kurz zu ihm herüber, dann wieder auf den Boden.

HESSA

Nächste Station muss ich aussteigen.

AlEX

Ja, gut.

AUSS. TANKSTELLE – NACHT

Auf dem abseits der Zapfsäulen Parkplatz wartet das Luxusfahrzeug. PAUL mit Chauffeursmütze lehnt an der Kühlerhaube, raucht eine Zigarette.

Im hinteren Teil des Wagens sitzt umrisshaft AMNA (Hessas Kusine).

Inn. MVV-BUS – nacht

Der Bus wird langsamer.

Alex

Hier?

HESSA

Ja.

HESSA steigt aus. ALEX folgt ihr.

AUSS. TANKSTELLE – NACHT

Der Bus fährt weg, HESSA blickt die Straße hinauf zu der Tankstelle, dem wartenden Luxusfahrzeug.

HESSA

Der Wagen da hinten wartet auf mich. Da muss ich jetzt hin. Versprich mir bitte, dass du mir nicht folgen wirst. Du verlässt mich jetzt, so wie ich dich verlasse.

Alex nickt.

AlEX

Ja, gut.

HESSA

Ich kann nicht Lebe wohl sagen, ich finde nicht die Worte.

ALEX

Lass nur, sag nichts.

Sie umarmen sich – küssen sich noch einmal.

Hessa schaut zu der Tankstelle. Macht sich von Alex los und weicht davon in Richtung der Tankstelle.

Alex sieht parallel, wie PAUL sich dort von dem Wagen entfernt und auf die Service-Räume der Tankstelle zugeht.

TOILETTEN

Paul kommt aus den Toiletten, erblickt Alex.

PAUL

(erschrocken)

Du?

ALEX

Ich hab‘ sie hier her begleitet.

PAUL

Wen?

ALEX

Du weißt schon.

PAUL

Du solltest sie zum H o t e l bringen!

ALEX

Der Passagier, auf den du hier wartest . . .

PAUL

Das ist sie?

ALEX

Die Familie denkt, dass sie den Tag über bei ihrer Kusine in der Klinik war. Das muss auch so bleiben.

PAUL

Hey, und unsere Kohle?

ALEX

Die können wir vergessen.

PAUL

Hast du sie noch?

ALEX

Paul, wenn ihre Familie, vor allem der Vater mitbekommt, dass sie nicht bei ihrer Kusine war, dann passiert ein Unglück. Kannst du dir das nicht denken?

Paul vermeidet es zu nicken.

PAUL

So eine Scheiße.

ALEX

Wenn dich einer fragt, bestätige, dass du die beiden aus der Klinik abgeholt hast.

PAUL

Ich glaub’s nicht.

AlEX

Du musst es mir versprechen. – Paul.

PAUL

Und wenn ich’s nicht tu?

AUSS. noBEL-HOTEL – nacht

Zwischen Limousine und Luxusfahrzeug parkt eine Mercedes-Spezialanfertigung.

ABDULLAH (off)

(Arabisch – mit Untertiteln)

Er lügt!

Inn. noBEL-HOTEL / SUITE / WOHNZIMMER – nacht

NAH

Etwas wird diskret in eine Jackentasche gesteckt.

SULTAN sitzt wie ein Richter in seinem Stuhl, flankiert von NOURA und AMNA. Ihm gegenüber: MEHMET und PAUL – ABDULLAH zeigt auf HESSA.

ABDULLAH

(Arabisch – mit Untertiteln)

Ich habe sie gesehen – in einem Dirndl – auf einer Party bei dem schnellen Fluss im Englischen Garten . . .

Hessa

(Arabisch – mit Untertiteln)

Wo habe ich denn ein Dirndl?

(zu Sultan)

Durchsucht doch mein Zimmer.

ABDULLAH

(Arabisch – mit Untertiteln)

Das hat sie inzwischen versteckt.

Amna

(Arabisch – mit Untertiteln)

Unsinn, sie war die ganze Zeit bei mir.

Noura wendet sich an Paul.

NOURA

When you picked up this one tonight . . .

(zeigt auf Amana)

. . . was this one . . .

(zeigt auf Hessa)

. . . with her?

Paul schaut auf Amna – Hessa – Abdullah – dann wieder auf Hessa – Noura.

PAUL

(. . .)

Yes.

ABDULLAH

(Arabisch – mit Untertiteln)

Er ist ein Lügner! Erst bestiehlt er uns, und dann lügt er.

(zu Paul)

Thief! Give me my wallet!

PAUL

Hä?

Abdullah greift in Pauls Jackentasche und holt – ein Portemonnaie daraus hervor.

ABDULLAH

(mit dem Portemonaie wedelnd)

He stole this, he’s a liar.

Mehment

But you just put it in his poket, I saw.

ABDULLAH

Shut up!

MEHMENT

Du hast wohl einen an der Waffel.

Gerangel zwischen den beiden.

Sultan

Stop!

(lauter – arabisch)

Aufhören!

Die Kampfhähne schauen ihn verdattert an.

AUSS. noBEL-HOTEL – nacht

PAUL und MEHMET kommen aus dem Eingang.

MehMENT

Die Araber spinnen.

PAUL

Das kannste laut sagen.

MEHMENT

Wieso war der denn so sauer auf dich?

PAUL

Keine Ahnung.

Sie gehen an ihre Fahrzeuge, Mehmet an die Limousine, Paul an das Luxusfahrzeug.

Mehmet

Wer fährt die jetzt morgen zum Flugplatz.

PAUL

Wieso?

MEHMET

Na, ich geh nicht nochmal da rauf, und dein Gesicht will auch keiner mehr sehen.

PAUL

Ich kümmere mich schon darum.

MEHMET

Was hatte der Bruder denn gehen dich?

PAUL

Ist doch egal. Ich kümmere mich um einen Fahrer. Der bringt sie zum Flughafen, dann ist Ruhe im Karton.

Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht

Smartphone auf dem Tisch WACHT AUF in die Nacht.

INN. woHNUNG ALEX / FLUR – nacht

ALEX kommt aus dem Badzimmer, nasses Haar, Handtuch um die Hüften.

Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht

Smartphone auf dem Tisch – ALEX nimmt es auf.

Will es schon zum Ohr heben – als er etwas bemerkt.

AlEX

Verdammt.

Er hebt das Gerät ans Ohr.

AlEX (NOCH)

Hessa?

Inn. noBEL-HOTEL / SUITE / ZIMMER HESSA – nacht

HESSA liegt auf ihrem Bett.

Hessa

Alex, wir haben unsere Telefone verwechselt.

Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht

Alex

Ja, ich merk’s gerade auch.

Inn. noBEL-HOTEL / SUITE / ZIMMER HESSA – nacht

Hessa

Was machen wir denn jetzt?

Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht

Alex

Ich lass mir was einfallen. Ich …

Er blickt sich um.

AUSS. woHNHAUS ALEX – nacht

Die Luxusfahrzeug schlängelt in die Straße.

Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht

Alex

(ins Telefon)

Ich kümmere mich drum, versprochen.

Inn. noBEL-HOTEL / SUITE / ZIMMER HESSA – nacht

HESSA „legt auf“.

Dann bemerkt sie etwas an dem Telefon, schaut nochmal nach.

ANZEIGEFLÄCHE

Lauter reizende Fotos von HESSA, die Alex untertags heimlich aufgenommen haben muss.

AUSS. woHNHAUS ALEX – nacht

Das Luxusfahrzeug parkt präzise ein.

PAUL steigt aus. Seine Chauffeursmütze sitzt schief. Er ist betrunken.

Inn. wOHNUNG ALEX / KÜCHE – nacht

ANZEIGEFLÄCHE VON HESSAS TELEFON

Lauter Fotos von ALEX.

Dieser blickt auf von der Sichtung, als es an seiner Türe KLINGELT.

Inn. wohNUNG ALEX / FLUR – NACHT

ALEX öffnet die Türe.

ALEX

Paul. Was ist los?

PAUL

(lallt)

Du schuldest mir was, Mann.

ALEX

(erfreut)

Du hast dicht gehalten!

PAUL

Und was hab‘ ich jetzt davon? Einmal in die Röhre gucken und zurück.

Paul fällt ihm in die Arme.

PAUL (NOCH)

(lallt)

Kann ich heute bei dir pennen? Ich kann mich zu Hause so nicht sehen lassen.

alex

Geht in Ordnung.

PAUL

Und dann musst du mir noch einen Gefallen tun.

 

AlEX

Klar Mann, alles, was Du willst.

Paul nimmt seine Chauffeursmütze ab und setzt sie Alex auf.

AUSS. Oktoberfest – nacht

Die Lichter des Riesenrades gehen aus.

AUSS. STRASSEN – NACHT

Nachtleeres München – einzelne BETRUNKENE lärmen.

Inn. wohnunG ALEX / flur – nachts

Durch offene Zimmertüre sieht und HÖRT man PAUL schlafen.

Inn. wohnung ALEX / KÜCHE – nachts

ALEX sitzt im Dunklen am Tisch, die Chauffeursmütze auf dem Kopf.

Seine Gesicht wird erhellt durch die leuchtende Anzeigefläche von Hessas Smartphone, dessen Inhalt er durchschaut.

Man hört, wie die Wohnungstüre AUFGESCHLOSSEN wird.

StEFFI (off)

Wer ist das denn?

STEFFI erscheint in der Küchentüre mit ihrem Trompetenkoffer.

ALEX steckt das Handy weg.

Alex

Steffi.

STEFFI

(Kopfbewegung)

Wer ist der Typ?

ALEX

Ein Freund.

STEFFI

Was für ein Freund?

ALEX

Wir schulden uns was.

(bevor sie weiter fragen kann)

Kann ich dir das morgen erklären? – Was bist du überhaupt schon hier?

STEFFI

Der Gig heute ist ausgefallen. Dafür geht’s morgen bis 6 Uhr früh. Ich bin hundemüde.

Sie kommt, um ihm einen Kuss zu geben. Nimmt seine Chauffeursmütze vom Kopf.

Steffi (NOCH)

Was ist das denn für eine Mütze?

Alex

Gibt her, die brauch‘ ich morgen.

Sie zieht die Mütze ein paarmal scherzhaft weg, bevor er sie schnappen kann.

Alex bekommt sie schließlich zu fassen.

Steffi

Gute Nacht.

ALEX

Gute Nacht. Ich komm gleich nach.

Sie lässt ihn alleine zurück.

Er holt das Smartphone Hessas hervor, das noch nachglüht, und stellt es ab.

Inn. Nobel-hotel / eingangshalle – tag

PAGEN transportieren das Gepäck zum Ausgang.

 

Gefolgt von SULTAN, ABDULLAH – AMNA, NOURA, HESSA in schwarzen Überkleidern und gesichtsverschleiert.

AUSS. nOBEL-HOTEL – tag

Bei dem Luxusfahrzeug wartet mit Chauffeursmütze ALEX.

Er hilft den PAGEN beim Einladen der Koffer.

I./A. luXUSFAHRZEUG – tag

SULTAN, ABDULLAH, AMNA, NOURA und HESSA nehmen Platz im weiträumigen Rücksitz-Bereich.

ABDULLAH

(zum einsteigenden Alex)

We can go, now.

AlEX

Airport.

ABDULLAH

Yes, international departures.

Alex setzt den Blinker – fährt los.

Er schaut zum inneren Rückspiegel.

RÜCKSPIEGEL

Hessas Augen über dem Schleier.

SPÄTER

Fahrt jetzt über die Autobahn.

Sultan

(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)

Es sieht aus wie das Paradies – ein See, umgeben von schneebedeckten Bergen.

NOURA

(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)

Und der Weg durch grünen Wald zu dem Wasserfall, etwas Schöneres gibt es nicht. – Und in der Innenstadt gibt’s überhaupt keine Autos.

ABDULLAH

(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)

Am schönsten ist Zell am See.

HESSA

(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)

Ich fand München schöner.

ABDULLAH

(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)

Klar, weil du hier wie wild einkaufen konntest.

HESSA

(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)

Das Shopping ist mir doch vollkommen egal.

ABDULLAH

(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)

Was fandest du denn dann so toll an München?

Sie wechselt einen Blick mit Alex über den Rückspiegel.

HESSA

(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)

Die Straßenmusiker.

ABDULLAH

(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)

Was denn für Straßenmusiker?

HESSA

(Arabisch – mit deutschen Untertiteln)

In der Fußgängerzone. – Das verstehst du nicht.

Inn. flughafen / RESTAURANT-Bereich – tag

SULTAN, ABDULLAH, AMNA, NOURA und HESSA sitzen an einem Tisch.

ALEX beobachtet sie aus der Ferne.

Die BEDIENUNG ist im Begriff, die Bestellungsaufnahme abzuschließen, entfernt sich.

Alex hat Hessas Smartphone in den Hand. Tippt eine Nummer.

In Hessas Handtasche MELDET sich Smartphone. Sie zieht es heraus.

ANZEIGEFLÄCHE

Eine SMS ist angekommen.

Wir sehen, wie Hessa den Inhalt liest. Dann steckt sie das Gerät wieder weg.

Alex beobachtet, wie sie noch etwas am Tisch sitzen bleibt – sich dann erhebt und davon strebt.

WC-TÜREN

Hessa nähert sich dem Damen-Eingang.

ALEX (O.S.)

(leise)

Hessa!

Sie erkennt ihn in der Deckung einer Trockenpflanzen-Dekoration, kommt herüber.

Rasch tauschen sie die Smartphones.

AlEX (NOCH)

Das ist ja noch mal gut gegangen.

HESSA

(leise)

Ja.

Er sieht in ihre schönen Augen über dem Schleierrand.

ALEX

Dann wünsch‘ ich dir einen guten Heimflug. – War lustig gestern, oder?

HESSA

Ja . . .

Als sie ihm zunickt, hat sie Tränen in den Augen.

Dann kehrt sie Alex den Rücken und geht . . .

. . . verschwindet zwischen den MENSCHEN in der Flughafen-Lobby.

Alex schaut noch eine Weile auf die leere Stelle, wo sie gestanden hatte.

Dann geht er langsam durch die Abflughalle.

Er dreht sich noch einmal traurig um – bevor er durch die Drehtüre ins Freie tritt.

ENDE