1-Hegels Haupt-Gedanke (Begriff des Widerspruchs)

Hegels Auffassung des Widerspruchs als Wesen des Begriffes. Ein Begriff ist die Nämlichkeit von Gleichheit und Unterschied. In einer Hinsicht liegt immer auch das, was sie ausspart. Die Vorstellung des Widerspruchs, nicht der Zusammenschau oder Ganzheit erschließt Hegels Philosophie.


In der Tat hat das nicht spekulative Denken sein Recht, das gültig. PHÄNOMENOLOGIE DES GEISTES 61

Der tägliche Verstand reicht aus, um sein Leben zu bewältigen. Treibt man, was er sagt, auf die Spitze, wird man geistreich.

In seiner unbestimmten Unmittelbarkeit ist . . . [das Sein] nur sich Selbst gleich und auch nicht ungleich gegen Anderes, hat keine Verschiedenheit innerhalb seiner noch nach Außen. WISSENSCHAFT DER LOGIK I, 82

Wenn irgendetwas existiert, veranschaulicht es damit zugleich die Bedeutung von Sein. Dieses ist unvergleichlich, kann also nicht mehr oder weniger werden im Hinblick auf einen Maßstab.

Das reine Sein und das reine Nichts ist also dasselbe. WISSENSCHAFT DER LOGIK I, 83

Auch das Nichtsein ist unvergleichlich. Sein und Nichtsein schließen sich gleichzeitig ein und aus.

. . . in der Tat ist das Denken des Widerspruchs das wesentliche Moment des Begriffs. WISSENSCHAFT DER LOGIK II 563

Wenn man einer Sache auf den Grund geht, vermittelt sie immer ihr Gegenteil.

Alle Dinge sind an sich selbst widersprechend. WISSENSCHAFT DER LOGIK II, 74

Etwas wird überhaupt erst erkennbar, indem es sich widerspricht.

Oder indem sich so ausgedrückt wird, die Identität sei wesentliche Identität als Trennung von der Verschiedenheit oder in der Trennung von der Verschiedenheit, so ist dies unmittelbar die ausgesprochene Wahrheit derselben, daß sie darin besteht, Trennung als solche zu sein oder in der Trennung wesentlich, d. i. nichts für sich, sondern Moment der Trennung zu sein. WISSENSCHAFT DER LOGIK II, 42

Eine Nämlichkeit oder Identität stellt sich ein, indem sie sich von anderen unterscheidet; dieses gehören somit zu dem, was sie ausmacht. (Ich kann zum Beispiel groß nur sein, indem es kleine Menschen gibt – hässlich nur gegenüber schönen – Tapferkeit ist umgeben von Feigheit usf. Die Bedeutung von egal was hängt immer ab von seinem Gegenteil.)

[Widerspruch] aber ist die Wurzel aller Bewegung und Lebendigkeit; nur insofern etwas in sich selbst einen Widerspruch hat, bewegt es sich, hat Trieb und Tätigkeit. WISSENSCHAFT DER LOGIK II, 75

Alles, was ist, lebt auf durch das, was es – dadurch – nicht ist.

Das Sein-für-Anderes ist in der Einheit des Etwas mit sich, identisch mit seinem Ansich; das Sein-für-Anderes ist so am Etwas. WISSENSCHAFT DER LOGIK I, 131

Was existiert, wird stolz erst durch das, was ihm gegenüber steht.

Es kömmt nach meiner Einsicht, welche sich durch die Darstellung des Systems selbst rechtfertigen muß, alles darauf an, das Wahre nicht als Substanz, sondern ebensosehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken. PHÄNOMENOLOGIE DES GEISTES Vorrede

Die Wahrheit erschöpft sich nicht in Angaben zur Sache, sondern hat notwendig auch mit dem zu tun, woran es derselben gebricht. (Unter „Subjekt“ – im Gegensatz zur „Substanz“ – versteht Hegel ein Innesein dieses Mangels in Form von Begehren.)

. . . die Krankheit des Thiers ist das Werden des Geistes. JENAER SYSTEMENTWÜRFE I, 259

Tiere haben noch keinen Stolz.

. . . so ist das Lebendige für sich selbst diese Entzweiung und hat das Gefühl dieses Widerspruchs, welches der Schmerz ist. Der Schmerz ist daher das Vorrecht lebendiger Naturen; weil sie der existirende Begriff sind, sind sie eine Wirklichkeit von der unendlichen Kraft, daß sie in sich die Negativität ihrer selbst sind, daß diese ihre Negativität für sie ist, daß sie sich in ihrem Andersseyn erhalten. – Wenn man sagt, daß der Widerspruch nicht denkbar sey, so ist er vielmehr im Schmerz des Lebendigen sogar eine wirkliche Existenz. WISSENSCHAFT DER LOGIK II, 481

Persönlichkeit macht krank, indem wir, uns behauptend, merken müssen, wer wir nicht sind | woran es uns gebricht. Ein Ausdruck dieser Wahrheit ist der Schmerz – als unsere Antwort auf die Gegenwart dessen, was uns in Frage stellt. Menschenleben bedeutet Schmerz. (Heros und Leanders Herzen | Rührte mit dem Pfeil der Schmerzen | Amors heil’ge Göttermacht . . . Schiller)

Hier sehen wir Land; es ist kein Satz des Heraklit, den ich nicht in meine Logik aufgenommen . . . Bei ihm ist also zuerst die philosophische Idee in ihrer spekulativen Form anzutreffen. VORLESUNGEN ÜBER DIE GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE I, 320

Hegel stützt sich vor allem auf den griechischen Philosophen Heraklit und meint wie dieser, Bewegung im Sein und Denken verdanke sich dem Kontrast – der Unfähigkeit von allem Wiedererkennbaren, in Erscheinung zu treten, ohne sich gleichzeitig durchzustreichen. Widerspruch bedeutet nicht Ablehnung. Er tritt vielmehr hervor, je mehr eine bestimmte Warte bezogen wird, als ihr Hintergrund, ohne den sie gestaltlos bliebe. Ein Standpunkt wird nicht kräftiger und trifft dann unvermittelt auf sein Widerspiel, sondern untergräbt sich durch parallele Schöpfung desselben.

Aber für den Willen ist kein anderer Zweck als der aus ihm selbst geschöpfte, der Zweck seiner Freiheit. Es ist ein großer Fortschritt, daß dies Prinzip aufgestellt ist, daß die Freiheit die letzte Angel ist, auf der der Mensch sich dreht, diese letzte Spitze, die sich durch nichts imponieren läßt, so daß der Mensch nichts, keine Autorität gelten läßt, insofern es gegen seine Freiheit geht. VORLESUNGEN ÜBER DIE GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE III, 367