Ich habe jetzt zwei weitere der Arztgeschichten gelesen: „Die stählerne Kehle“ und „Feuertaufe durch Wendung“. Wie in der ersten Geschichte des Bandes („Das Handtuch mit dem Hahn“) muss der 24jährige Landarzt an plötzlich in der Nacht auftauchenden Patienten Operationen durchführen, die er nur aus Fachbüchern kennt. In der Stählernen Kehle ist ein kleines Mädchen an Diphterie erkrankt und droht zu sterben ohne Luftröhrenschnitt, in Feuertaufe durch Wendung geht es um eine Steißgeburt. Als Leser bekomme ich eine Menge medizinisches Fachwissen mit. Medizin, das „Wissen um die Zurückdrängung von Tod und Krankheit sowie die Verlängerung eines gesunden Lebens“ hab‘ ich gerade in anderem Zusammenhang gelesen. Bulgakow ist aber vor allem ein Schriftsteller ersten Ranges. Die Arztgeschichten, eine Mischung aus Hebel und Gogol: witzig, erbaulich und Ehrfurcht einflößend vor dem Geheimnis der Schöpfung. Wie bei jeder guten Kurzgeschichte gibt es eine jähe Wendung, die einen ins Jenseits blicken lässt. Egal, was Bulgakow erzählt oder beschreibt, wenn es noch so holperig ist, immer strahlt etwas darin auf. In „Feuertaufe durch Wendung“ z. B. ist die schönste Passage am Anfang und beschreibt, wie der Doktor noch etwas liest, bevor er schlafen geht – was ihm danach für Bilder durch den Kopf huschen, während sein Kopf auf dem Kissen liegt. „Es war völlig still, nur ab und zu hörte ich im Esszimmer die Mäuse hinterm Büffet knabbern.“ Kann man in diesen perfekten Satz auch nur ein Zeichen verändern, ohne den Sinn zu zerstören?
Die stählerne Kehle -Feuertaufe durch Wendung
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