Die Heldenreise hat etwas Kindliches . . .

 . . . wie die ganze von ihr inspirierte Dramaturgie. Im Moment gibt kaum einen Film, kaum eine TV-Serie, die nicht – im Kern – dem allgegenwärtigen Denken an die Kindheit verpflichtet ist mit ihren Themen wie der Suche nach seinen Ursprüngen, dem Gefühl von Verlassenheit und Schikane sowie darauf antwortenden Vorstellungen eigener Großartigkeit. Die klassische Heldenreise – ob von Moses, Jesus, Herkules, Ödipus oder Luke Skywalker und seinen starken Nachfolgerinnen – beginnt mit einem verstoßenen, missbrauchten Wesen. Es steht im Mittelpunkt eines therapeutischen Weltbildes, dem wir den entpolitisierten Menschen von heute verdanken. Je länger wir uns aber bei der Kindheit aufhielten, desto mehr wurden unser Gemüt und seine Möglichkeiten bestimmt durch die Rede von Quälerei, Misshandlung, Verlassenwerden und Abweisung. Kaum jemand kommt dann noch darauf, sich nicht als Produkt seiner Ursprünge, fremder Mächte, sondern als „politisches Tier“ (Aristoteles) zu verstehen. Reife würde in diesem Fall nämlich etwas anderes bedeuten, beispielsweise die Entwicklung eines Gemeinschaftsgefühls. Darin bestünde dann auch das menschliche Wachstum. Das Wort „Reise“ spielte dabei keine Rolle, wäre durch etwas ersetzt worden wie Zusammenhalt, weniger Stolz. Der Kind-Archetyp ist dagegen die Vorform des Helden, ob im Marvel-Universum oder als Tatortkommissar*in. Wo die Heldenreise eine Geschichte bestimmt, regiert das Kind. Und je mehr dessen Verletzlichkeit in die Mitte rückt, desto mehr leidet der Einfallsreichtum, der Kind-Archetyp drückt ihm die Luft ab. Dem wäre unbedingt zu begegnen mit Vorstellungskraft – wie sie etwa Dante, bereits als Kind, aufzubringen imstande war: „Neunmal, seit ich geboren war, hatten die Sterne schon am Himmel sich zu jenem Bild vereint, das jährlich wiederkehrt, als ich ihre Gestalt erblickte. Die es nicht besser wussten, nannten sie Beatrice. Ein 12tel Grad hatte der Sternenhimmel sich seit ihrer Geburt in den Morgen gedreht, so dass sie, eben neun geworden, mir entgegentrat, der beinah zehn ich war. In edles Gewand gehüllt, blutrot und achtbar, erschien sie, gegürtet und geschmückt, wie’s ihrem jungen Alter zukam. Da zitterte furchtbar in mir empor der Puls des Lebens und sagte: Siehe, ein Gott, der stärker ist als ich und der daherkommt und mich beherrschen wird.“ La Vita Nuova