Geschlecht | Gender

Der Begriff Gender ist eine Pointe der feministischen Theorie des Sexus, die zu guter Letzt nicht nur das männliche Privileg, sondern den Unterschied Mann|Frau überhaupt abschaffen will. Ab Mitte der 80er wurde die Vorstellung des Geschlechts immer verdächtiger und zusehends aufgegeben um der entschärften Kategorie des Genders willen. Dessen These hat die Sexualität abgelöst vom geschlechtlichen Unterschied. Die Vordenker*innen sprechen zwar noch von sexuellen Praktiken, fragen aber nicht mehr nach dem Wesen der Sexualität, die als sekundäres Merkmal angesehen wird, ohne theoretisches Interesse. Insbesondere wird dadurch der Sexualität ihre Ironie abgesprochen. Es gerät aus dem Blick, dass sie keinen eigenen Bereich hat, sondern grundsätzlich störend dazwischentritt. – Der sexuelle Unterschied wurde für die Gendertheorie problematisch, weil er als heterosexistisch galt. Er würde die Subjekte in zwei Arten einteilen und impliziere eine notwendige und/oder natürliche Beziehung zwischen ihnen. Warum – so fragt die Gender-Theorie – darf es nur zwei Geschlechter geben und nicht eine unendliche Anzahl von ihnen? Ist es aber so, dass viele besser sind als zwei? Stellt die Vermehrung der Arten von inneren Menschen (bis jeder seine eigene Art ist) nicht eher einen Rückzug des Witzes dar als einen Fortschritt? Die Vermehrung der Geschlechter vervielfältigt, anstatt zu erwägen, drückt sich davor, den Unterschied zu denken und fügt einfach einen weiteren einem vorherigen hinzu, ohne Ende: 1+1+1 … usf. bis ins Unendliche. Die 1 ist ein Ganzes für sich und das + ist ein Zeichen dafür, dass es ohne Beziehung ist. – Woher kommen all diese Einsen? Gibt es etwas Elementareres als die äußere Wahrnehmung, etwas aus dem das Ich erst hervorgeht und das sich von ihm unterscheidet? Gibt es ein vorindividuelles Reservoir an Erregungen oder Spannung, das durch die von ihm ausgehenden unterschiedlichen Ichs niemals ausgeschöpft wird? Die Gender-Theorie vertritt die Auffassung, dass es keine andere Einheit als die numerische gibt, dass alles, was ein Ich zu diesem besonderen Ich macht, es per se zu einem solchen macht; sie leugnet rigoros die Existenz von etwas Gründlicherem, dessen Vorstellung sie als bloße Ideologie abtut, und besteht darauf, dass es nur individuelles, konkretes Sein gibt, das über das Potenzial verfügt, verallgemeinernde „Machtstrukturen“ zu untergraben, weil es unmittelbar wissend ist „durch Leid und Widerstand“, dadurch authentischer als das Wissen der Machtvertreter usf. Die Fürsprecher des Geschlechts argumentieren dagegen, dass es „etwas“ gibt, das nicht konkret, differenziert, individuell oder tatsächlich ist und aus dem die individuelle Existenz hervorgeht, etwas „Ironisches“, dem gegenüber das Ich sich im Wesentlichen passiv verhält. Woraus folgt, dass das Ich in der Lage ist, eine unendliche Modulation zu erfahren, solange es diesem Einfluss gegenüber offen bleibt. Genau dieser „latente“, vorpersönliche, allen Menschen gemeinsame Humor fehlt in der Gendertheorie. Sie ist untrennbar mit ihrem Beharren darauf verbunden, dass sexuelle und andere Unterschiede einfach da sind und existieren ohne etwas, das sie verursacht oder verändert. Es ist unmöglich, nicht bis zu einem gewissen Grad mit der Flucht ins Diverse zu sympathisieren, mit dem Wunsch, sich von jeder übergreifenden Einheit zu befreien, welche alle Unterschiede auf lokale und geringfügige Variationen einer Klasse reduziert würden, die sie vereint. Wir haben recht, wenn wir uns gegen Etiketten und Identitätsmarkierungen wehren, die uns in beschränkten Seinsformen erstarren lassen oder uns in abstrakte Kategorien einordnen, die keine reale, sondern nur eine begriffliche Existenz haben. Das Problem besteht darin, dass die Ablehnung des Überpersönlichen schlechthin uns der Fähigkeit beraubt, politisch – also im Hinblick auf Veränderung und Beziehung – zu denken.