Dramaturgie nach dem heiligen Paulus

Wie außerordentlich sachkundig und geschickt jene Filme gemacht sind, die heute Leinwand oder Bildschirm erreichen. Die Macher sind geschult bis zum I-Tüpfelchen in ihrer Disziplin, nicht ein Zipfel Schwäche ist zu erblicken.

Ein P r o f i zu sein – gibt es ein höheres Lob? Eine Professionelle.

In ihren Produkte, die sich vor unseren Augen entspinnen, greifen Bilder und Verläufe geschmeidig ineinander, werden bedeutende Gegenstände und Themen behandelt in solch verschwenderischer Fülle, dass einen fast die Furcht beschleicht, es könnte einmal der Stoff ausgehen und das Fernsehen seine Produktion einstellen müssen.

Aber dann tauchen schon wieder neue Geschichten auf, so unmissverständlich wie unterhaltsam und befriedigend gelöst. Sorgfältig ausgearbeitet, poliert, Flüssigkeit und Witz verströmend sowie eine unterschwellige Pracht, auf den Punkt gebracht durch Momente der Eindringlichkeit und „Klug“heit (Lieblings-Lobwort der Kritiker).

Betriebsunfälle kommen so gut wie gar nicht mehr vor. Keines der Produkte weist Brüche in der Mitte auf. Nichts ist fragmentarisch oder verschmutzt von den unordentlichen Fingerabdrücken derer, die zuviel dran gefummelt haben. Nichts ist seltsam oder grotesk – oder fremdartig oder übertrieben oder sublim. Statt dessen: professionelle Hochglanzbeschichtung und weiche, runde, regelmäßige Formen von Gegenständen, die in großer Menge hergestellt werden, um sich zu verkaufen.

Kritik daran übt fast nur noch die Bibel: „Sintemal die Juden Zeichen fordern und die Griechen nach Weisheit fragen“, las ich jüngst Paulus im Koritherbrief, „wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christum, göttliche Kraft und göttliche Weisheit. Denn die göttliche Torheit ist weiser, als die Menschen sind; und die göttliche Schwachheit ist stärker, als die Menschen sind. . . .was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, daß er die Weisen zu Schanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, daß er zu Schanden mache, was stark ist.“

Kritik übt Paulus, wenn ich ihn richtig verstehe, an „Zeichen“ und „Wahrheit“ – durchstrichen vom „gekreuzigten Christus“. Die Juden würden an einen Gott nur glauben, der ihre Verhältnisse verbessert, die Griechen dagegen auf Klugheit setzen, um die Welt zu verbessern. Die Christen hätten einen Gott, der die Verhältnisse nicht bessert, sondern – imgrunde – ignoriert. Weil der Fehler in den Verhältnissen selbst liegt, nicht in dem, was sie zu wünschen lassen?

Diese Haltung kam schon den Programmverantwortlichen der Antike bekloppt vor. Deswegen pocht Paulus wohl auch darauf, dass Hoffnung nur für die (offiziell) Bescheuerten besteht.

Liegt darin aber sein Vorschlag, „bescheuerte“ Filme zu machen – die nicht glänzen, sondern riechen (wie z. B. Taxi Driver)?