Christentum | Islam

Wenn ich die beiden Religionen vergleiche, hat die eine einen Krüppel als Gott, die andere einen Superstar. Die eine ist eine Sklavenreligion, die andere eine Herrenreligion. Müssen sie sich demzufolge gegenseitig durchstreichen?

Die Christen leben in einer letztlich unfertigen Welt, einer Art Trümmerhaufen, den ihr Gott erst geschaffen hat und den er selbst nie ganz in den Griff bekommen hat, was er ihnen durch seinen Tod am Kreuz bedeutet hat. In ihren Gebetshäusern steht an prominenter Stelle ein Marterwerkzeug mit einem sterbenden Gott darauf.

Die Muslime leben in einer letztlich vollkommenen Welt, die ihr Gott mit Sicherheit geschaffen hat und voll im Griff hat, weshalb er unsichtbar sein muss, weil die Materialität ihn widerlegen würde.

Christen neigen dazu, sich mehr mit dem alltäglichen Schmutz der Naturwissenschaften herumzuschlagen, denen vergleichbare Leistungen der Muslime eher in Philosophie und Mathematik gegenüberstehen.

Der Islam hat etwas Nihilistisches in seinen leeren Gebetskuppeln, die mehr vom Jenseits künden als etwa die grimmigen Märtyrerskelette, deren Zahnreihen noch heute in christlichen Hauptkirchen zu sehen sind.

Psychoanalytisch gesehen ist der Islam ein Kinderglaube an die Allmacht der Eltern, während das Christentum unter dem Schock steht, dass Mama und Papa auch nur Menschen sind.

Das Christentum, so könnte man sagen, hat deshalb die etwas übertrieben coole Weltsicht des Teenagers, der einen Horrorfilm aushält, während der Islam in der süßen Erwartung des Kleinkindes vor der Bescherung verharrt.
Das islamische Dogma steht nicht im Gegensatz zum christlichen, sondern geht darüber hinaus, verhält sich zum Christentum wie dieses zum Judentum und betrachtet es als notwendige Vorstufe. Jesus ist danach nicht Gott, sondern Prophet, also Mensch – was er natürlich auch im christlichen Sinne ist. Nur ist er nach christlichem Verständnis nie mehr. Im Menschen zeigt sich die Unvollkommenheit der Schöpfung und damit gewissermaßen Gottes. Der Islam gleicht dagegen, finden die Christen, einer Wiedereinführung des Weihnachtsmanns.
Der Islam würde antworten, dass etwas nur unvollendet sein kann, wenn man eine Vorstellung von dem hat, was vollendet ist.
Die Aufklärung überwindet nicht das Christentum, sondern vollendet seine brüchige Weltsicht, indem sie die ständige Unfertigkeit des naturwissenschaftlichen Baus privilegiert; denn naturwissenschaftliche Sätze müssen falsifizierbar sein, sonst sind es keine. Ihr Vormarsch gipfelt in der Nuklearwaffe. Demgegenüber steigerte sich der Islam in pure Metaphysik.

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Der christliche Gott ist am Kreuz gestorben, ein für Muslime unverständlicher, im Grunde perverser Gedanke, zu dem kein Bezug hergestellt werden kann.

Im Neuen Testament wird die Gotteslästerung von Jesus (lt. Matthäus 12) ausdrücklich erlaubt: “Deshalb sage ich: Alle Sünden können den Menschen vergeben werden, selbst die Gotteslästerungen, die sie aussprechen. Wer aber den Heiligen Geist lästert, wird keine Vergebung finden. Wer etwas gegen den Menschensohn sagt, dem kann vergeben werden. Wer aber gegen den Heiligen Geist redet, dem wird nicht vergeben werden, weder in dieser Welt noch in der kommenden.”

Für die Christen und ihre Abkömmlinge verriegelt die Lästerung des „heiligen Geist“ den Weg ins Paradies, der durch Gotteslästerung in gewissem Sinne sogar geebnet wird. Deswegen das Pochen auf die Karikaturen. Ich denke, selbst für wohlwollende Muslime ist das überhaupt nicht zu verstehen. Auch die Nach-Christen, die heute die westliche Gesinnung ausmachen, können’s kaum in Worte fassen, aber es bestimmt ihr Ethos.

Nietzsche hat in seiner Kritik des Juden-Christentums die Wurzeln dieser Gesinnung entdeckt. Sie gehen darauf zurück, ob man eine gefallene Gottheit weiter verehrt oder aufgibt. Juden und ihre Parodie, die Christen, halten einen gefallenen Gott in Ehren – die Muslime haben sich von dieser Zumutung abgewandt und wieder einen Sieger-Gott auf ihr Schild gehoben.

Psychoanalytisch gesprochen, haben sich die Christen mit der Kastration abgefunden und sehen in ihr sogar die Voraussetzung für ein angstfreies Leben, während die „Naturvölker“ und als ihre Speerspitze die Muslime in ständige Panik leben, kastriert zu werden.
Anschaulicher und täglich zu erleben ist das in der Erscheinung des „Gesichtsverlusts“, der im nicht-kastrierten Gemüt eine viel größere Rolle spielt als im kastrierten.

Die Unverträglichkeit geht ziemlich tief und ist nach meiner Erfahrung auch unauflösbar. Denn entweder bin ich kastriert, oder ich bin es nicht. Entsprechend meine Gesinnung, mein Wertsystem und das, wofür ich bereit bin, einzustehen.

Man kann sich die christlich Gesinnten auch wie Eunuchen vorstellen, die den Muslimen – z. B. über Karikaturen – signalisieren, dass auch sie welche sind oder besser wären. Dass dieses Schicksal „gar nicht so schlimm“ ist. Mit der entsprechend explosiven Reaktion.