Was „Geschlecht“ wirklich ist – und warum es nur zwei davon gibt (die sich nicht vertragen)

Der Gender-Vormarsch sieht vieles richtig, nur eine Hauptsache, die ihm obendrein den Namen gibt, ist, wenn auch nicht 100%, so doch im entscheidenden Punkte verkehrt. Denn das Geschlecht ist nicht wie Klasse oder Rasse ein kultureller Oberton, der sozusagen mit der Mode geht, sondern eine unvergleichliche Weise, mit Welt und Leben fertig zu werden und daran zu scheitern. Es gibt eine männliche und eine weibliche Tragik, und sie ergänzen sich nicht, sondern stehen in einer vorgeschichtlichen oder vorkulturellen “binären” Grundspannung.
 
Das Geschlecht ist dabei nicht, was die meiste Verwirrung stiftet, eine Funktion des Körpers. Dieser kann “weiblich” oder “männlich” beseelt sein, jedoch mit nichts Drittem – oder Viertem – oder Fünftem usf. Denn es gibt nur zwei Geschlechter. Diese treten häufig, aber nicht immer und nicht notwendig in Kombination mit bestimmten Genitalien auf. Die Genitalien bedeuten nicht das Geschlecht. Eine typisch weibliche Geste wie etwa Stricken ist oder war ebenso häufig bei muskelbepackten Segelschiff-Matrosen anzutreffen, welche die meiste Zeit ihres Lebens dabei über die endlose See (weitere Metapher für Weiblichkeit) blickten.
 
Um die Geschlechter auseinander zu kennen, will ich weniger theoretisieren, sondern ein paar deutliche Bilder bringen.
 
Der Fuchs, schrieb einmal Isaiah Berlin, weiß viele Sachen, aber der Igel weiß eine große Sache. Damit hat er ein treffendes Bild für die Binarität der Geschlechter gefunden. Denn wir sind, jeder von uns, entweder Füchse oder Igel. Ein drittes Tier gibt es nicht.
 
Eine weitere Veranschaulichung liegt in der Fähigkeit zur Antwort auf die Fragen ‘Waren Sie schon mal auf der Zugspitze?’ – im Vergleich zu: ‘Kennen Sie München?’ In beiden Fällen haben Ja oder Nein unterschiedliche Voraussetzungen. Welche den Unterschied zwischen den Geschlechtern illustrieren.
 
In Über die Gewissheit (§ 96-7) beschreibt Wittgenstein die Art, wie wir die Welt erleben und deuten: “Man könnte sich vorstellen, daß gewisse Sätze von der Form der Erfahrungssätze erstarrt wären und als Leitung für die nicht erstarrten, flüssigen Erfahrungssätze funktionierten; und daß sich dieses Verhältnis mit der Zeit änderte, indem flüssige Sätze erstarrten und feste flüssig würden. // Die Mythologie [i. e. die unbezweifelten Sätze] kann wieder in Fluß geraten, das Flußbett der Gedanken sich verschieben. Aber ich unterscheide zwischen der Bewegung des Wassers im Flußbett und der Verschiebung dieses; obwohl es eine scharfe Trennung der beiden nicht gibt.“ Geschlecht, legt dieses Bild nahe, ist entweder Fluss oder Bett. Beide haben eine unverwechselbare Art zu “scheitern”: Der Fluss, indem er erstarrt oder gelenkt, das Bett, indem es verlagert wird.
 
Aus moralischer Sicht haben Fuchs oder Fluss andere Wertmaßstäbe, ein anderes Gewissen als Igel oder Bett. Deswegen richtet sich die im Schimpfwort “Heterosexismus” enthalten Kritik entweder gegen eine Ergänzung der Geschlechter, die es nicht gibt, oder sie bestreitet eine Binarität, deren Dementi absurd ist.