Kann man „Monade“ durch „Sprache“ ersetzen?

1. La Monade, dont nous parlerons ici, n’est autre chose qu’une substance simple, qui entre dans les composés ; simple, c’est-à-dire sans parties.

Hier führt das Wort „entrer” in die Irre. Es ist nicht falsch, aber so ungeschickt, wie wenn man sagte „Eine Melodie ist etwas, das zu Tönen tritt” – was irgendwie stimmt, aber vernebelt, dass eine Melodie kein weiterer Ton ist. Die bessere Übersetzung wäre daher wahrscheinlich, dass eine Monade etwas ist, das Verbindungen „ausmacht” – statt die zu „betreten”. So verflüchtigt sich das ja auch gar nicht gemeinte Bild einer ausgedehnten Sache, welches der Begriff „Substanz” aufdrängt. (So pingelig zu denken wäre ein typisch Wittgensteinsches Manöver.)

2. Et il faut qu’il y ait des substances simples, puisqu’il y a des composés ; car le composé n’est autre chose qu’un amas ou aggregatum des simples.

Dieser (sehr entscheidende) Satz ist gar nicht richtig zu verstehen, weil die Begriffe „amas” und „aggregatum” wahrscheinlich komplett in die Irre führen, da auch sie – im Grunde – das Gegenteil von dem meinen, was ihr Bild aufdrängt. Denn mit beiden ist wohl nicht „Haufen” oder „Schwarm” sonden etwas wie „Gebilde” & (innere) „Ordnung” gemeint. Leibniz sagt dann, dass es ohne „einfache Substanzen” nichts Zusammengesetztes gäbe, zu erkennen an dessen innerer Ordnung. Andersrum ausgedrückt: Es muss einfache Substanzen geben, da es Zusammengesetztes gibt; ihm würde sonst – als bloßer Haufen (oder Schwarm) – die Eigentlichkeit fehlen.

„Substanz” bedeutet also Synthese, besser vielleicht sogar „Frucht” des Zusammentretens ihrer Bestandteile. Wie das Bild, welches die Steine eines Mosaiks hervortreten lassen. Es übt dann eine Macht über die Rolle aus, welche die Steine noch spielen können, um mit von der Partie zu sein. Die Steine sind es, die das Bild „betreten” und „verlassen” können (was auch geschieht), nicht aber seine „Substanz”.

Leibniz führt irgendwann den Begriff der „präetablierten Harmonie” ein, um zu erklären, wie „Substanz” und „Körper” zusammenpassen. Hier schrillen die Alarmglocken beim Wittgensteinianer, weil sich etwas aufdrängt, das in die Irre führen kann, in diesem Fall die Vorstellung von zwei „Reichen”, jedes mit seiner „Bevölkerung”, die gewissermaßen synchrone Tänze aufführen, insofern harmonisieren. Wittgenstein wird nicht müde, immer wieder dieses „Schattenreich” anzugreifen, in dem sich die Gegenstände wie „Phantome” wiederholen, ohne dadurch irgendetwas zu erklären.

Mit „Harmonie” kommt es Leibniz wahrscheinlich darauf an, etwas zu betonen, das nicht misslingen kann, eine positive Voraussetzung: das „garantierte Verständnis” – meiner Meinung nach kraft der Substanz oder des Monadischen schlechthin. Dazu betrachte ich nochmal die Windmühle (Satz 17). Sie ist nämlich ganz bestimmt das Innere einer Monade, genau so sieht es aus, niemals anders. Um das einzusehen, muss man sich nur vorstellen, dass die kaputtgeht, repariert werden muss. Woher wissen wir dann, wie sie wieder instand zu setzen wäre? Hier verfängt die „präetablierte Harmonie” – insofern: Wir wissen es einfach! Wir schauen nicht in einer Geisterwelt „idealer Windmühlen” nach, sondern werden uns dessen inne, was diese Windmühle bedeutet, die wir „mit Gottes Hilfe” gebaut haben, erhalten und verbessern können.

Und darin, würde ich jetzt sagen, besteht die Sprache: in dem glücklichen Verkehr mit unserer Umgebung, die wir unentwegt weiter entwickeln. So bestimmt Leibniz ja auch das Wesen der Monade, immer mehr hervortretend in ihrer Entfaltung, welche die objektiven Verhältnisse entwickelt und stufelos ist. Das Sprechen fängt daher nicht irgendwann an, sondern wird einfach immer nur immer deutlicher. („Schläft ein Lied in allen Dingen . . .”)

Ich hab’ insofern, um aktuell zu werden, gar nicht so ein Problem mit dem gerade heißdiskutierten Gendern, denn es ist Ausdruck einer Entwicklung. Die neuen Worte sind nur noch nicht organisch, viele dürften deswegen versinken, aber die Auseinandersetzung wird jene entstehen lassen, die dann natürlich werden.

Mich drängt es irgendwie auch noch zu sagen, dass das Herrliche an der Monadologie das Märchen ist, das sie erzählt. Es geht (wie bei Wittgenstein) in erster Linie um Bedeutung, nicht um Erkenntnis (deren „Scheinproblem“ erledigt Leibniz mit der „präetablierten Harmonie“ – Wittgenstein hält den Irrtum für die Folge von zu viel, nicht zu wenig Denken . . .).
Einen wichtigen Schlüssel liefert HIOB 38: „Wo warst du, als ich die Erde gründete? Sage mir’s, wenn du so klug bist! Weißt du, wer ihr das Maß gesetzt hat oder wer über sie die Richtschnur gezogen hat? Worauf sind ihre Pfeiler eingesenkt, oder wer hat ihren Eckstein gelegt, als mich die Morgensterne miteinander lobten und jauchzten alle Gottessöhne?“
Der Witz dieser beeindruckenden Passage ist ja, dass die Welt vollkommen Sinn ergibt, Gott also nicht den Menschen, sondern die Welt geschaffen hat, als Teil derselben den Menschen, weil so das Nonplusultra erreicht wird. Nicht durch den Menschen als Ziel, sondern durch die Welt, wie sie ist oder vielmehr noch wird. Daher das Grundwollen. Gott interessiert sich nach Leibniz ja gar nicht für den Menschen, sondern fürs Optimum der Welt, wozu zufällig keine Einhörner, aber gerade Menschen gehören. Ich denke Kierkegaard und Blondel weisen hin auf die Möglichkeit des Einstiegs auf den größeren Plan, wozu man sein Menschsein oder Ich-Sein irgendwie aufgeben muss. Blondel analysiert letzteres als Aberglaube, Kierkegaard als Verzweiflung.
Diese Befunde sind für mich als Dramaturg sehr interessant, weil die meisten anspruchsvolleren Geschichten mit Selbstverwirklichung zu tun haben und fast immer im Aberglauben gipfeln, entweder platt wie im Krimi oder verstiegen wie in Arthouseprodukten. Eine gute Geschichte muss aber auf das wahre Anschlußerlebnis hinauslaufen. Gar nicht so leicht aufzuspüren.