Kinder des Olymp

In heutige Verhältnisse übersetzt wäre es die Geschichte, sagen wir mal in Berlin, eines osteuropäischen Models und von vier Männern, die sich ihretwegen an die Gurgel gehen: eines kultivierten Kriminellen aus dem Clan-Milieu, eines aufsteigenden TV-Stars, eines Roncalli-Akrobaten sowie eines millionenschweren Brokers. Mit hinein spielt noch die Verlobte des Akrobaten. Das Model versucht selber eine kleine Karriere beim Zirkus, lebt bei dem Kriminellen, ist aber fasziniert von dem sanften Akrobaten, der zu schüchtern ist, sie im entscheidenden Moment dem TV-Star überlässt usf. Das Original spielt in der Theaterszene von Paris im frühen 19. Jahrhundert. Es geht aber ausschließlich um die Liebe – mit einem Ernst, der in solchen Sachen außer Mode gekommen ist. Faszinierend fand ich wieder das mir ohnehin nur aus französischen Filmen bekannte Verhältnis zwischen erotischen Rivalen: Männer, die einerseits befreundet sind, aber um dieselbe Frau wetteifern und sich deswegen leider umbringen müssen. Sie würden letztlich den Freund der Geliebten opfern. Es gibt auch eine unglaubliche Szene, in welche die Verlobte oder inzwischen Frau des Akrobaten bis zum Bett vordringt, in welchem er gerade mit ihrer Rivalin ist, und zu den beiden sagt: „Lasst mich nicht so stehen!“ Eine megapeinliche, aber auch Super-Szene, die ich so nie wieder gesehen habe. Die Figuren richten sich alle zugrunde aus Liebe, haben dabei aber einen sagenhaften Stil, eine „blutende Größe“, die man sich heute nicht mehr vorstellen kann, womöglich aber auch, ohne es zu wissen, vermisst. Eine tolle Figur ist schließlich der Lumpensammler Jericho, „auch das Elend genannt wegen seiner kleinen Sorgen“, den niemand leiden kann, weil er genau weiß, was aus allen einmal werden wird. In heutige Verhältnisse übersetzt, wäre das wohl ein Amazon-Paketzusteller oder so. Er ist sehr hässlich.