BENJAMINS SPRACHBEGRIFF stellt eigentlich die gesamte seitherige Sprachphilosophie heraus als Verirrung.

Benjamin möchte wohl sagen, dass die Sprache sich zur Welt eher wie ein Teil zum Ganzen verhält, daher nicht dessen Spiegel sein kann (nichts reflektiert). Wenn ich etwas sage, besteht dessen Witz nicht darin, dass etwas weiter geschieht oder erhellt; Sprechen wird bedeutend nicht durch etwas, für das es ein-, sondern mit dem es zusammensteht. Gedanken können der Welt nichts vorgeben oder sie formen, da sie ihr entspringen.

Die meisten Sprachphilosophen zerbrechen sich und uns den Kopf darüber, wie Worte mit dem, was sie bedeuten, mit der Welt, Verbindung aufnehmen können. Dabei unterstellen sie, dass Sprache unabhängig von der Welt derselben gegenüber steht. Benjamin erklärt, wie es zu dieser Verirrung kommt – dass die Bezugnahme von Worten auf Gegenstände etwas Sekundäres ist und sein muss, um nicht in unlösbare philosophische Probleme zu führen.

Sprache an sich ist etwas Ästhetisches, dem die Vernunft – in einem Akt der Entfremdung – entspringt. Ästhetisch heißt, dass Gegenstände, indem sie zusammenkommen, eine Bedeutung erlangen, die dem einzelnen abgeht. Dabei kommentieren sie sich nicht, sondern wirken zusammen.

Bedeutung wird wie eine Melodie nicht nachvollzogen, sondern kommt zustande durch Reihung. Wenn eine Person hinfällt und schreit „Au“, liegt darin keine Erkenntnis, kein Urteil, sondern eine Äußerung. Das wäre schon weniger klar, wenn sie statt dessen sagte: „Ich habe Schmerzen.“ Was ist die Bedeutung von Schmerz – wenn die Bedeutung z. B. von „Tasse“ der Gegenstand neben meiner Kaffeemaschine ist? Auf welchen vergleichbaren Gegenstand beziehen sich oder zeigen „Schmerzen“? Welchen Sachverhalt beschreibt der Satz „Ich habe Schmerzen“? – Er beschreibt gar nichts, sondern besagt dasselbe wie „Au“. Es geht also ursprünglich nicht darum, wie Sprache Gegenstände zu fassen kriegt, die ihr Inhalt geben, sondern um den Kreislauf zwischen Erfahrung und Benehmen auf der einen Seite sowie Sprache überhaupt („Aua!“) auf der anderen, die miteinander musizieren.

Mit-Teilung innerhalb eines Zusammenhangs statt vermittels Symbolen liegt Benjamins Auffassung der sprechenden Wirklichkeit seinsmässig zugrunde.

„Die Sprache teilt das sprachliche Wesen der Dinge mit. Dessen klarste Erscheinung ist aber die Sprache selbst. Die Antwort auf die Frage: was teilt die Sprache mit? lautet also: Jede Sprache teilt sich selbst mit. Die Sprache dieser Lampe z. B. teilt nicht die Lampe mit (denn das geistige Wesen der Lampe, sofern es mitteilbar ist, ist durchaus nicht die Lampe selbst), sondern: die Sprach-Lampe, die Lampe in der Mitteilung, die Lampe im Ausdruck.

Das übersetze ich mir im Moment so: Die Dinge sind wirklich. Dessen klarster Beweis ist die Wirklichkeit selbst. Die Antwort auf die Frage: was bedeutet die Wirklichkeit? lautet also: Alles, was vorkommt, bedeutet sich selbst. Die Wirklichkeit dieser Lampe z. B. meint nichts Lampiges (denn, was eine Lampe jenseits der Wirklichkeit ist, sofern es mitteilbar wäre, ist durchaus nicht dieser Gegenstand hier), sondern: echt diese Lampe, wie sie uns anspricht und nicht anders kann.“

Damit wird die Unterscheidung von Kant zwischen Erscheinung und Ding an sich abgeändert. Die Lampe, welche einem vorkommt, ist kein Gegenstand persönlicher Erfahrung, sondern sich allgemein mitteilende „Lampigkeit“. Deren Beschränkung auf die Lampe, welche mir erscheint, ist eine Bedingung des Seins, nicht er Erkenntnis (die Lampigkeit muss als Lampe erscheinen, um überhaupt erscheinen zu können).

„Das Mediale, das ist die Unmittelbarkeit aller geistigen Mitteilung, ist das Grundproblem der Sprachtheorie, und wenn man diese Unmittelbarkeit magisch nennen will, so ist das Urproblem der Sprache ihre Magie.“

Könnte meinen: Wenn wir unmittelbar verstehen, was es mit einer Sache auf sich hat, stellt das die Sprachtheorie vor ein Problem. Denn sie kann nicht erklären, wie so etwas geht. Es scheint Magie. Insofern ist die Magie das Problem der Sprachtheorie: dass etwas, durch nichts weiter vermittelt, etwas mitteilt.

Das Magische der Sprache besteht in ihrer der Vermittlung von Unmittelbarkeit. Sprache ist unmittelbar und überall mitteilend gegenwärtig. Man ist versucht, das durch sie Vermittelte im Jenseits anzusiedeln. Dann wäre Sprache nicht mehr unmittelbar, sondern würde unbeteiligt zwischen einem geistigen Inhalt und jenen stehen, die ihn mitgeteilt bekommen.

„Es gibt kein Geschehen oder Ding weder in der belebten noch in der unbelebten Natur, das nicht in gewisser Weise an der Sprache teilhätte, denn es ist jedem wesentlich, seinen Inhalt mitzuteilen. Eine Metapher aber ist das Wort »Sprache« in solchem Gebrauche durchaus nicht. Denn es ist eine volle inhaltliche Erkenntnis, daß wir uns nichts vorstellen können, das sein geistiges Wesen nicht im Ausdruck mitteilt; der größere oder geringere Bewußtseinsgrad, mit dem solche Mitteilung scheinbar (oder wirklich) verbunden ist, kann daran nichts ändern, daß wir uns völlige Abwesenheit der Sprache in nichts vorstellen können.“

Walter Benjamin findet also nicht, dass Sprache die Natur überformt, sondern aus derselben Worte anfertigt.

Ziemlich außerhalb, aber das Originellste, das ich seit langem gelesen habe.