DAS NEUE LEBEN von Dante Alighieri schildert die Geschichte der Liebe des Dichters zu Beatrice. Ich bereite einen Vlog mit Siegmar zu dem Thema vor und lese gerade den Text. Es dauert schon etwas, da hereinzukommen. Man könnte aus heutiger Sicht die Geschichte für creepy halten, da Dante Beatrice immer nur aus der Ferne betrachtet und darauf wartet, dass sie ihm zunickt. Irgendwann wechselt sie dann ein paar Worte mit ihm, und er ist im siebten Himmel. Aber aufgrund von Klatschgeschichten und Dantes eigenem Ungeschick denkt Beatrice, sein Interesse gelte einer anderen. Daher grüßt sie ihn nicht mehr. Er ist am Boden zerstört. Wir kriegen jede Menge Gedichte zu lesen, die seinen Zustand beschreiben, den er als nichts Persönliches, sondern eine Art Besessenheit deutet. Im 18. Abschnitt trifft er dann eine Gruppe frecher junger Frauen, die bei ihm auf den Busch klopfen. Der Text geht ungefähr so:
Da mir die Verliebtheit überall anzusehen war, wusste auch ein Gruppe Mädchen, die beieinander standen, Bescheid. Nicht wenige von ihnen waren anwesend bei meinen Niederlagen gewesen. Als ich, fragt mich nicht warum, in ihrer Nähe vorbei ging, rief eine mir zu, ich solle mal rüberkommen. Sie war nicht auf den Mund gefallen. Ich ging hin und sah, dass Beatrice nicht unter ihnen war. Das macht es mir etwas leichter, und ich fragte, was beliebe. Es waren viele Mädchen, einige lachten, andere warteten auf meine Worte, andere reden miteinander. Eine schaute mir direkt ins Gesicht und sagte: „Wieso liebst du sie, wenn du nicht mal ihrer Anwesenheit erträgst? Erklär‘ uns das. Das ist ja was ganz Neues.“ Alle schauten mich an. Ich sagte: „Ich wollte eigentlich immer nur, dass sie mit mir redet. Dann war ich schon glücklich. Aber sie grüßt mich nicht mehr. Deswegen muss meine Liebe in etwas leben, das nie verloren gehen kann.“ Da begannen die Mädchen, miteinander zu tuscheln, und wie Wasser zusammen mit schönem Schnee fällt, meinte ich ihre Stimmen mit Seufzern vermischt zu vernehmen. Schließlich wandte sich die Wortführerin an mich: „Was kann deiner Liebe nicht verloren gehen?“ Ich sagte: „Die Worte, mit denen ich Beatrice preise.“ Sagte das Mädchen: „Dann gelten deine Gedichte, in denen du immer nur von dir redest, also jemand anderem?“
Durch dieses – wie ich finde bezaubernde (der homerische Vergleich von Wasser und Schnee!) – Gespräch kommt Dante darauf, endlich Gedichte zu schreiben, die nicht mehr nur sein Gemüt, sondern Beatrice beschreiben, nicht unmittelbar, sondern indem er sie Frauen vorstellt, die etwas davon verstehen.
Es folgt das berühmte Lied „O donne ch’avete intelletto d’amore“ (Oh Frauen, denen Liebessinn verliehen) . . .