Büren

Wenn es erst mal fünf Uhr ist, wird die Sonne aufgegangen sein. Der Schäfer blickte über das Tal und auf die kleinen schwarzen Baumgestalten an Horizont der gegenüberliegenden Hochfläche, die sich gegen den schmalen Streifen des Morgenrots abhoben. Weiter hinten noch lagen die Dörfer, im Tal aber die kleine Kreisstadt. Sie wurde von zwei Flüssen durchkreuzt, die sich ausserhalb der Stadtgrenzen trafen – unbedeutend für die Schiffahrt, aber ausreichend für die Kanufahrer, die einmal im Jahr um die Wette paddelten. Es gab auch eine Eisenbahnverbindung mit mehreren Personenzügen zur nächsten, dreißig Kilometer entfernten Großstadt, aber es war nur eine Nebenstrecke und die zwei Eilzüge, die sich täglich durch überall hörbares Pfeiffen und Läuten ankündigten,fuhren so langsam, daß die gelangweilten Insassen viel Zeit hatten, die schöne Landschaft ausgiebig zubetrachten.

Sechstausend Menschen wohnten zum größten Teil in kleinen Wohnsiedlungen, die aus Einzelhäusern bestanden und am Talrand sich um den Kern der Altstadt gruppierten. Dort wohnten die ärmeren Bürger in älteren Häusern. Dort lagen auch die beiden Kirchen, die größere katholische und die kleinere evangelische. Es gab zwei Internate – für Jungen und Mädchen – und dazu zwei Gymnasien. Es waren aber keine Musterinternate, sondern relativ lässig geführte Schülerwohnheime, die es zusammen auf höchstens 200 Insassen brachten. Früher waren sie Zentrum von Kultur und Intelligenz gewesen, und Eltern schickten ihre Kinder von vielen hundert Kilometern. Heute gelten sie als Zentren der Aufsässigkeit und Faulheit und kaum ein Insasse wohnt weiter weg als 10 Kilometer. Das Krankenhaus ist berüchtigt für seine operationswütigen Ärtzte, die sich mit Vorliebe an Fälle wagen, die sie besser weiter gäben, denn es ist ein kleines Krankenhaus. Auch sonst ist alles da, was das Recht gibt, „Stadt“ zu sagen: ein Sportplatz mit Flutlichanlage, aber ohne Zuschauertribune, ein Supermarkt, zwei Autoreparaturwerkstätten und ein Autoverkauf, ein Kino und zwei kleine Zementfabriken.


Die Leute sind nicht arm und nicht reich, Millionär gibt es keinen. Sie arbeiten in der Verwaltung, an der Schule, in den Fabriken und Geschäften. Sie bringen es auf zwanzig Gasthäuser, zwei Schützenfeste und einen Jahrmarkt mit Feuerwerk im Oktober.

Jeden Morgen ergießt sich ein Strom von Pendlern, hauptsächlich Schülern, in die kleinen Straßen der Innenstadt, die aber immer noch groß genug ist, um dort die Fahrprüfung ablegen zu dürfen, wobei es aber auch passieren kann, dass man einer Herde Schafen auf dem Marktplatz begegnet