Abtreibung . . .

. . . stürzt mich als Thema in ein Dilemma, da ich garantiert abgetrieben worden wäre, wenn dies zur Zeit meiner Geburt so einfach gewesen wäre wie heute. Mein Vater, Gott habe ihn selig, wollte unbedingt eine Abtreibung, und für meine Mutter war meine Geburt ein schweres Karriere-Hindernis. Ich mache meinen Eltern deswegen keine Vorwürfe, zumal ich später selbst in meinem Leben in verwandten Schwierigkeiten als erstes „Abtreibung“ gedacht habe. Andererseits habe ich bis heute noch keine Frau getroffen, der eine Abtreibung bekommen wäre. Es gibt bestimmt welche, ich habe halt nur noch keine getroffen. Ein älterer Bekannter von mir, der als Krüppel geboren wurde und auf ein Rollstuhlleben zurückblickt, ist äußerst ambivalent gegenüber Abtreibungen, weil er wohl mit Recht davon ausgeht, heutzutage nicht mehr das Licht der Welt erblickt haben zu dürfen. In mir hallt auch das Gespräch mit einer befreundeten feministischen Journalistin nach, die meinte, eine Frau sei umso mehr wert, je weiter ihre Persönlichkeit entwickelt sei, wogegen ein Embryo schon in punkto Leistung nicht ankomme (ein Embryo hat keinen Universitätsabschluss). Abtreibung ist die Vorstufe der genetischen Bautechnik zu den Wesen der Zukunft nach einem Bild des idealen Menschen. Ich gehöre gewiss nicht dazu und empfinde es wohl heimlich als selbstmörderisch, eine Partei zu ergreifen, die meine Nichtexistenz im Sinn hat.