Hegels & Wittgensteins Kernpunkte

HEGEL fasst sein ganzes Denken inmitten der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes zusammen in folgendem Satz: 

‚Es kömmt nach meiner Einsicht, welche sich durch die Darstellung des Systems selbst rechtfertigen muß, alles darauf an, das Wahre nicht als Substanz, sondern ebensosehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken.‘ 

WITTGENSTEIN sagt an ähnlich versteckter Stelle mitten in der Logisch-philosophischen Abhandlung (Block 4.0312): ‚Mein Grundgedanke ist, daß die „logischen Konstanten“ nicht vertreten.‘

Beide Sätzen drücken dringend aus, was die Denker uns mitteilen wollen, sollten daher am Anfang der Beschäftigung mit ihnen stehen.

Hegel meint, die Wahrheit sei nicht nur „Substanz“, sondern ebensosehr „Subjekt“. Damit will er sagen, dass die Dinge nicht nur da sind, sondern sich auch entwickeln. Ein Baum z. B. sieht in 5 oder 50 Jahren anders aus als im Moment. Dasselbe gilt für einen Stein, wenn er sich auch langsamer verändert als ein Baum. Es gilt auch für einen Menschen, eine Gesellschaft usf. Begriffen wird etwas daher erst, wenn man nicht nur sein Gerade-Sosein (als Substanz) ermisst, sondern ebensosehr sein Schicksal (als Subjekt). Die Wahrheit ist nicht nur das Samenkorn, sondern auch der Baum, zu dem es wird – der Tisch, der aus dem Baum wird usf. Das ist Hegels Hauptgedanke. 

Und er macht damit weiter im Sinne Heraklits (s.u.).

Wittgenstein meint, dass die „logischen Konstanten“ für nichts einstehen. Damit ist gemeint, dass Worte wie „und“, „wenn“, „oder“ usf. nichts abbilden. Wenn ich sage: „Im Park befinden sich lauter Bäume und auf einem kleinen See ein Ruderboot“ und gebe z. B. jemand Bunstifte, kann die Person ein Bild des Parkes, der Bäume, des kleinen Sees und Ruderbootes darauf zeichnen. Aber das „und“ in meinem Satz kann sie nicht zeichnen. Es kommt zum Ausdruck in der Art und Weise, wie die Gegenstände in dem Bild zueinander stehen, ihre Gegenseitigkeit ausdrückend. Nähme ich die Gegenstände weg, radierte sie alle aus, wäre nicht schließlich als letzter von ihnen „und“ zu besichtigen. „Und“ liegt vielmehr in der Möglichkeit, Gegenstände wiederzugeben, in ein Verhältnis zu setzen – i s t dieses Verhältnis, kann aber nicht wie die Gegenstände unmittelbar, sondern nur vermittels derselben in Erscheinung treten.

Insofern sagt Wittgenstein dasselbe wie Hegel: dass etwas wesentlich oder bedeutend nie an sich wird, sondern kraft dessen, was ihm zukommt.

HERAKLIT an zentraler Stelle: „Habt ihr nicht mich, sondern mein Wort vernommen, ist es weise zuzugestehen, dass alles eins ist.“ Begriffen wird etwas demnach nicht in seinem Dahingesagtsein, sondern erst als tieferer Sinn, der erwacht durch Worte sowie das Zusammendenken dessen, wofür sie einzeln stehen.

Letztlich wird von den Philosophen in solcher Weise immer wieder etwas angedeutet, was die Religionen Gott nennen. Und eigentlich sind die Bestimmungen der Philosophie ungenauer als jene der Religionen. Der Philosoph gleicht einer Person, die ahnt, dass sie einmal entbrannt ist, aber die Erinnerung nicht mehr zustande bringt, nur noch eine Karikatur des Geliebten.