Die Geschlossenheit einer Handlung

Jede Tragödie {dramatische Geschichte} besteht aus Verknüpfung {Complication} und Lösung {Denouement}. Die Verknüpfung [Aristoteles verwendet später dafür auch: „Knoten“] umfasst gewöhnlich die Vorgeschichte und einen Teil der Bühnenhandlung, die Lösung den Rest. Unter Verknüpfung {Knoten} verstehe ich den Abschnitt vom Anfang bis zu dem Teil, der der Wende ins Glück oder Unglück unmittelbar vorausgeht {I.-II. Akt}, unter Lösung den Abschnitt vom Anfang der Wende bis hin zum Schluss {III. Akt}. S. 57

 

Jede spannende Geschichte gibt eine Folge auseinander hervorgehender Ereignisse wieder, in deren Verlauf sich etwas Bestimmtes anbahnt und bestenfalls sein Gegenteil eintritt.

 

Wir haben festgestellt, dass die Tragödie {dramatische Geschichte} die Nachahmung {Ausgeburt} einer in sich geschlossenen und ganzen Handlung {action} ist, die eine bestimmte Größe hat … Ein Ganzes ist, was Anfang, Mitte und Ende hat. Ein Anfang {inciting incident …} ist, was selbst nicht mit Notwendigkeit auf etwas anderes folgt, nach dem jedoch natürlicherweise etwas anderes eintritt oder entsteht … Eine Mitte ist, was sowohl selbst auf etwas anderes folgt als auch etwas anderes nach sich zieht {II. Akt}. Demzufolge dürfen Handlungen {Verläufe}, wenn sie gut zusammengefügt sein sollen, nicht an beliebiger Stelle einsetzen noch an beliebiger Stelle enden, sondern sie müssen sich an die genannten Grundsätze halten. S. 25

 

Eine spannende Geschichte lanciert einen Verlauf, der umfangreich genug sein muss, um ‒ zwischen Anfang und Ende ‒ eine Mitte zu haben. Während der Mitte wird ein Ereignis von einem vorhergehenden verursacht und bewirkt ein weiteres. Der Anfang tritt unvermittelt ein; das Ende beschwört nichts Weiteres herauf.

 

Viele schürzen den Knoten vortrefflich und lösen ihn schlecht wieder auf; man muss jedoch beides {Anfang und Ende} miteinander in Übereinstimmung bringen {Spannung stiften und lösen}. S. 59

 

Ein Anfang ist immer der Anfang von ETWAS = spannt auf ein bestimmtes ENDE.

 

Ein Ende ist …, was selbst natürlicherweise auf etwas anderes folgt, und zwar notwendigerweise oder in der Regel {höchstwahrscheinlich}, während nach ihm [erst mal] nichts andres mehr eintritt. S. 25

 

Das Ende tritt ein als ein Ereignis, welches ‒ bedingt durch seine Vorgänger ‒ als deren Folge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vonstattengehen muss.