„Der tiefe Aspekt entschlüpft leicht.“ Philosophische Untersuchungen 387

Wittgenstein Philosophische Untersuchungen 129: „Die für uns wichtigsten Aspekte der Dinge sind durch ihre Einfachheit und Alltäglichkeit verborgen. (Man kann es nicht bemerken, – weil man es immer vor Augen hat.) Die eigentlichen Grundlagen seiner Forschung fallen dem Menschen gar nicht auf. Es sei denn, daß ihm dies einmal aufgefallen ist. – Und das heißt: das, was, einmal gesehen, das Auffallendste und Stärkste ist, fällt uns nicht auf.“

Ich glaube, Wittgenstein will damit andeuten, dass das Wesentliche nicht im Einfachen, z.B. Atomen oder Nervenzellen, besteht, aus denen dann alles weitere zusammengesetzt ist und erklärt werden kann. Der „für uns wichtigste Aspekt“ entspringt vielmehr dem Selbstverständlichen, liegt in dessen Gegenwart, ohne jedoch durch ihre Zerlegung erklärt werden zu können – wie z. B. Form und Wuchs eines Baums nicht durch seinen Samen erklärt werden können.

Durch ihre Selbstverständlichkeit / Alltäglichkeit vor uns verborgen sind nach Wittgenstein, nehme ich an, SPRACHE und DENKEN (die „eigentlichen Grundlagen seiner Forschung“, die dem Menschen gar nicht auffallen).  Denn alles Wissenschaftliche (Atom-, Hirnforschung, Wettervorhersagen…) kann nur begrifflich verfasst sein = kraft der Fähigkeit zu sprechen und zu denken, die von vornherein zur Verfügung stehen muss. Verwendet für die Wissenschaft, bindet die Sprache, was sie „anpackt“, in Erklärungszusammenhänge.  Damit erklärt sie aber nie sich selbst; das ginge überhaupt nur, wenn sie erklärungsbedürftig wäre = (noch) nicht imstande etwas zu erklären. Daher müssen Sprache/Denken von vornherein funktionieren. Das fällt uns, nach Wittgenstein, nicht auf, und ist doch die Grundlage von allem. Indem die Sprache „unerklärlich“ ist, ist es auch das Denken – und funktioniert trotzdem.