Polyphems Liebesstöhnen

Nicias, gegen die Liebe, so deucht mich, gibt es kein andres
Pflaster und keine andere Salbe als Musengesänge.
Lindernd und mild ist das Mittel, doch nicht so leicht es zu finden.
Dieses weißt Du, glaub’ ich, sehr wohl, als Arzt und als Liebling,
Als vorzüglicher Liebling der helikonischen Schwestern.
Also lebte bei uns einst leidlich der alte Cyklope
Polyphemus, als heiß er in Galateen entbrannt war.
Nicht mit Versen liebt’ er und Äpfeln und zierlichen Locken,
Sondern mit völliger Wut, und hielt alles andere für Tand nur.
Oft, oft kamen die Schafe von selbst zurück von der Weide
Zu der Hürd’, und der Hirt saß einsam und sang Galateen
Bis zum Abend vom Morgen schmelzend im Riedgras am Ufer,
Mit der schmerzlichen schmerzlichen Wunde tief in dem Herzen,
Von der cyprischen Göttin, die ihm in die Leber den Pfeil warf.
Aber er fand das Mittel; er setzte sich hoch auf den Felsen,
Schaute hinaus in das Meer und hob zum Gesang die Stimme:
Ach Galatea, Du Schöne, warum verwirfst Du mein Flehen?
Weißer bist Du als frischer Käse und zarter als Lämmer,
Stolzer als Kälber, und herber als vor der Reife die Traube.
Also erscheinest Du mir, wenn der süße Schlaf mich beschleichet;
Also gehst Du von mir, wenn der süße Schlaf mich verlässet;
Fliehest vor mir, wie ein Schaf, das den Wolf den grauen erblickte.
Mädchen, die Liebe zu Dir schlich damals zuerst in das Herz mir,
Als mit meiner Mutter Du kamst Hyazinthen zu sammeln
Auf dem Hügel, und ich die blumigen Pfade Dich führte.
Seitdem schau ich immer Dich an, und kann es durchaus nun,
Kann es nicht lassen; doch kümmert es Dich beim Himmel, auch gar nichts.
Ach ich weiß wohl, liebliches Mädchen, warum Du mich fliehest:
Weil sich über die ganze Stirne mir zottig die Braue,
Von dem Ohre zum Ohre gespannt, die einzige lang zieht,
Nur ein Auge mir leuchtet und breit mir die Nase zum Mund hängt.
Aber doch so wie ich bin hab’ ich tausend weidende Schafe,
Und ich trinke von ihnen die süßeste Milch, die ich melke:
Auch geht mir der Käse nicht aus im Sommer, im Herbst nicht,
Nicht im spätesten Winter; die Körbe über den Rand voll.
Auch kann ich pfeifen, so schön wie keiner der andern Cyklopen,
Wenn, Goldäpfelchen, Dich und mich, den Getreuen, ich singe
Oft in der Tiefe der Nacht. Ich füttre elf Hirsche mit Jungen,
Alle für Dich, und für Dich vier junge zierliche Bären.
Komm, ach komm nur zu mir; Du findest der Schätze viel mehr noch.
Laß Du die bläulichen Wogen nur rauschen am Felsengestade;
Süßer schläfst Du bei mir gewiß die Nacht in der Grotte.
Lorbeer hab’ ich daselbst und schlanke, leichte Zypressen,
Dunkeln Epheu zur Laube und süß befruchteten Weinstock,
Frisches Wasser, das mir der dicht bewaldete Aetna
Von dem weißesten Schnee zum Göttertranke herabschickt.
Sprich, wer wollte dagegen die Wogen des Meeres erwählen?
Und bin ich ja für Dich, mein liebliches Mädchen, zu zottig,
Ei so haben wir eichenes Holz und glühende Kohlen;
Und von Dir vertrag ich, daß Du die Seele mir ausbrennst,
Und, was am liebsten und wertsten mir ist, das einzige Auge,
Ach warum ward ich nicht ein Triton mit Flössen zum Schwimmen?
Und ich tauchte hinab, Dir das schöne Händchen zu küssen,
Wenn Du den Mund mir versagst, und brächte Dir Lilienkränze,
Oder den weichesten Mohn mit glühenden, klatschenden Blättern.
Aber jenes blühet im Sommer und dieses im Spätjahr,
Daß ich Dir nicht alles zugleich zu bringen vermöchte.
Aber ich lerne gewiß, ich lerne, o Mädchen noch schwimmen,
Kommt nur ein fremder Schiffer zu uns hierher mit dem Fahrzeug,
Daß ich doch sehe, wie lieblich es sich bei euch unten dort wohnet.
Komm, Galatea, herauf, und bist Du bei mir so vergiß dann,
Wie ich hier sitzend am Felsen, zurück nach Hause zu kehren:
Komm und wohne bei mir und hilf mir weiden und melken,
Hilf mir mit bitterem Lab die neuen Käse bereiten.
Ach die Mutter nur ist mein Unglück, und sie nur verklag’ ich;
Denn sie redet bei Dir für mich kein freundliches Wörtchen,
Und sieht doch von Tage zu Tage mich magerer werden.
Sagen will ich ihr nun, wie Kopf und Füße mir beben,
Daß auch sie sich betrübe, da ich vor Schmerzen vergehe.
O Cyklope, Cyklope, wo ist Dein Verstand hingeflogen?
Gingst du doch hin und flechtest Dir Körbe und mähetest Gras Dir,
Deine Lämmer zu füttern, das wäre fürwahr doch gescheiter.
Melke das Schäfchen, das da ist; warum verfolgst Du den Flüchtling?
Und Du findst Galateen; auch wohl eine schönere Andre.
Mädchen die Menge rufen mir zu zum Scherze die Nacht durch;
Alle kichern mir nach; so will ich denn ihnen nur folgen:
Denn ich bin auf der Welt doch wohl auch wahrlich ein Kerl noch.
Also weidete Polyphemus und sang von der Liebe,
Und es ward ihm leichter als hätt’ er Schätze vergeudet.

THEOKRIT Idyll 11