Wie in meinem Lieblingsfilm Banshun geht es in Aftersun um die Innigkeit zwischen Vater und Tochter, wozwischen immer das Inzest-Tabu geschoben ist.
Die Hauptfigur Sophie erinnert sich, nachdem sie ein Baby zur Welt gebracht hat, an Calum, nicht den Erzeuger des Kindes, sondern ihren eigenen Vater und, so könnte man die Filmhandlung deuten, im übertragenen Sinne Verursacher der Schwangerschaft. In ihrer Erinnerung ist sie 11 Jahre alt und hat den noch jungen Vater (30) ganz für sich in einer Urlaubswoche, die er für sie beide in einer billigen türkischen Ferienanlage gebucht hat.
Die Handlung ist durchwoben von sexuellen Anspielungen. Sophie belauscht ältere Mädchen beim Tratsch über ihre erotischen Handgriffe an den jungen Männern im Feriendorf, das Doppelbett ist ein Thema, welches ein Irrtum ihr und dem Vater zuwies, und eines Nachts sieht sie ihn auch splitternackt darauf liegen. Sie „fängt etwas an“ mit einem gleichalterigen Jungen unter den Feriengästen, mit richtigen Küssen, nicht nur auf die Wagen, wie ihr Vater hofft.
Wie ein romantisches Liebespaar entfremden sich die beiden in einem Schlüsselmoment – Vater weigert sich, mit Tochter Karaoke zu singen -, um dann in intimster Weise zueinander zu finden: Sophie reibt den Vater im Pfuhl eines natürlichen Kur-Orts am ganzen Körper mit gesundem Dreck ein. Danach duschen sie sich gemeinsam den Schlamm vom Leib.
Anschließend ist Sophie, zumindest was die Leinwandzeit betrifft, schwanger. Sie sucht, jäh erwachsen, nach dem Geist ihres nicht gealterten Vaters in einer Disko-Traumhölle – in welche er auf Nimmerwiedersehen verschwindet.
Wie in allen Vater-Tochter-Geschichten (Hanna Montana, Toni Erdmann …) spielt die Mutter bloß keine Rolle. Die Tochter weiß sie aus dem Weg und bewährt sich selbst als „bessere Frau“ an der Seite des Vaters. Diese Ehe darf natürlich nicht wirklich wahr werden, wird aber gerade durch solche Unerreichbarkeit zum Köstlichsten, was das Leben zu bieten hat. Denn „Ahnung ist Lust, doch im Genuss erstorben.“ (Troilus und Cressida)