Traum der roten Kammer

Inhalt des Romans, der in China denselben Rang genießt wie bei uns die Werke Dantes oder Shakespeares.

Der Zauberstein

Der brave Bürger Schi Yin hat einen seltsamen Traum: Ein Taoist und ein kahlköpfiger buddhistischer Bonze wandern mit ihm durch ein unbekanntes Land und unterhalten sich über einen Zauberstein aus Jade, der in ihrem Besitz ist und der von einer Göttin beseelt wurde. Sie beschließen, den Stein bei der Fee des schreckhaften Erwachens abzuliefern. Mit ihrer Hilfe soll der Stein in ein Liebesdrama auf Erden eingreifen. Am Ende des Traums sieht Schi Yin seine Gefährten durch einen Steinbogen verschwinden, der die Aufschrift trägt: „Wahnreich der großen Leere“. An den Pfeilern liest er den Spruch: „Schein wird Sein, und Sein wird Schein. Keins wird eins, und eins wird keins.“ Später trifft er seinen Nachbarn Yü Tsun, einen verarmten, aber gebildeten jungen Mann. Yin schickt ihn auf eigene Kosten nach Peking, damit er dort die Reichsprüfung ablegen kann. In den darauffolgenden Jahren bricht großes Unglück über Schi Yin herein. Erst wird ihm sein einziges Kind geraubt, dann brennt sein Haus in der Stadt ab. Verarmt zieht er sich als Bauer aufs Land zurück. Eines Tages hinkt ein taoistischer Wandermönch vorbei, der ein paar Verse über die Vergänglichkeit materiellen Glücks vor sich hin murmelt. Schi Yin lässt alles stehen und liegen und wandert mit ihm ins Ungewisse.

Blaujuwel und Edelstein

Yü Tsun fällt wegen seines vermessenen und respektlosen Verhaltens am kaiserlichen Hof in Ungnade und verliert sein Amt. Er verbringt einige Jahre auf Reisen und betätigt sich als Hauslehrer von Blaujuwel, der Tochter eines Adligen. Als deren Mutter stirbt, nimmt ihre Großmutter, die Fürstin Ahne, das zwölfjährige Kind zu sich nach Peking. Yü Tsun erfährt von einem Freund allerlei Seltsames über diese Sippe der Kia, der er selbst über Umwege angehört: Ein zwölfjähriger Enkel der Ahne, genannt Pao Yü (Edelstein), sei mit einem schillernden Jadestein im Mund auf die Welt gekommen. Seinem Vater, dem strengen Herrn Tschong, bereite er nichts als Kummer, da er sich nur für Mädchen interessiere. Die Ahne nimmt Blaujuwel im Pekinger Westpalais herzlich in Empfang. Das Mädchen staunt: Überall thronen Marmorlöwen und goldene Drachen, die vielen Gemächer und Pavillons sind in leuchtenden Farben gehalten und mit reichem Schnitzwerk versehen. Die Pracht wird nur vom Anblick ihres Vetters Pao Yü übertroffen: Seine feinen Züge wirken wie gemalt und sein Blick strahlt tiefe Empfindungen aus. Sofort fühlt sie sich mit ihm seelenverwandt.

Der Traum der roten Kammer

Eines Nachmittags hält Pao Yü im prächtigen Gemach seiner schönen, jungen Verwandten Frau Jung einen Mittagsschlaf. Im Traum begegnet er der Fee des schreckhaften Erwachens, die ihm erklärt, sie sei dafür zuständig, die Schulden zwischen unglücklich verliebten Menschenkindern zu begleichen. Außerdem trägt sie ihm auf, die Familie seiner ehrwürdigen Ahnen vor dem Verfall zu bewahren. Dann führt sie ihn in das Gemach von Frau Jung. Mit ihr kostet er erstmals die Wonnen des „Wind- und Wolkenverkehrs“. Seine Zofe Perle ist bei ihm, als er aus seinem Traum erwacht. Sie begreift sofort, was geschehen ist, und bietet ihm an, das gleiche Spiel mit ihr zu spielen. Wenig später stellt er fest, dass seine Cousine Pao Tschai ein Goldamulett mit einem Spruch trägt, der genau zu dem auf seinem Jadestein passt.

Seit Pao Yüs Traum ist Frau Jung schwer krank. In der Nacht ihres Todes erscheint sie ihrer Freundin Phönix im Schlaf und beschwört sie, einen Teil des Familienvermögens in eine Stiftung zu stecken. Noch gehe es der Kia-Sippe zwar gut. Mit dem Geld solle aber für schlechte Zeiten vorgesorgt werden, um die Familienschule zu erhalten und die vierteljährlichen Ahnenopfer zu sichern. Doch Phönix schenkt dem Traum keine Beachtung. Sie denkt nicht daran, eine Stiftung zu gründen, lieber häuft sie heimlich private Reichtümer an. Nach den pompösen Trauerfeierlichkeiten erreicht die Familie die Nachricht, dass Pao Yüs Schwester Lenzanfang zur kaiserlichen Nebengattin ersten Ranges ernannt wurde. Bald darauf erlässt der Kaiser ein Dekret, das es allen seinen Frauen und Nebenfrauen erlaubt, ihre Familien zu besuchen. Er möchte so die kindliche Pietät ihren Eltern gegenüber stärken. Sofort beginnen Bauvorbereitungen, um Lenzanfang eine würdige Unterkunft bieten zu können.

Der Park der Augenweide

Das Ergebnis ist ein gewaltiger Park mit lieblichen Seen und wilden Wasserfällen, verschlungenen Pfaden und blumenübersäten Wiesen, schlichten Landhäuschen und prunkvollen Palästen. Pao Yü ist besonders geschickt darin, geistvolle Inschriften für die verschiedenen Aussichts- und Rastplätze sowie für die Pavillons zu erdichten. Eine Woche vor dem Laternenfest, an dem Lenzanfang ihre Familie besuchen soll, werden im ganzen Park Eunuchen stationiert. Die kaiserliche Gemahlin ist bei ihrer Ankunft stumm vor Rührung, so sehr hat sie in all den Jahren der Isolation im Kaiserpalast ihre Familie vermisst. Sie tauft die herrliche Anlage „Park der Augenweide“ und stiftet Pao Yü und seine Cousinen zu einem Dichterwettbewerb an, um die einzelnen Stationen in schönen Versen zu verewigen. Lenzanfang schmerzt der Gedanke, dass der Park nach ihrem kurzen Besuch unbenutzt verkommt. Sie befiehlt, dass Pao Yü und seine Cousinen mit ihren Zofen in die neuen Wohngebäude einziehen sollen.

Pao Yüs Halbbruder Kia Huan, ein hässlicher, boshafter Junge, verschüttet aus Neid auf seinen beliebten und talentierten Bruder absichtlich eine Schale heißes Wachs über dessen Gesicht. Kia Huans Mutter wird für ihren missratenen Sohn gescholten, worauf sie Rache schwört. Sie beauftragt die Zauberin Ma, Pao Yü und ihre Widersacherin Phönix zu verhexen. Noch am selben Nachmittag zeigt der Zauber Wirkung: Die beiden stammeln, rasen und rollen irre mit den Augen. Weihwasser, Geisterbeschwörer – alles ist umsonst. Die Familie bereitet sich schon auf das Begräbnis der beiden vor, als ein kahlköpfiger Bonze und ein hinkender Tao-Priester auftauchen und nach Pao Yüs Jadestein verlangen. Unter dem Einfluss des Fleisches und der Sinne habe dieser seine Zauberkraft verloren, erklärt der Bonze. Sie beleben ihn mit einem Zauberspruch wieder, und nach 33 Tagen sind Pao Yü und Phönix geheilt.

Stürmische Liebe

Die Beziehung zwischen Blaujuwel und Pao Yü ist ein ständiges Auf und Ab. Das Mädchen ist eifersüchtig auf Cousine Pao Tschai und die Zofen; Missverständnisse, heftige Streitigkeiten und tränenreiche Versöhnungen wechseln einander ab. Dann wird Pao Yü dabei ertappt, wie er die Zofe Goldreif zu verführen versucht. Goldreif wird aus dem Haus gejagt und begeht aus lauter Gram Selbstmord. Als Pao Yüs Vater von der Geschichte erfährt, prügelt er ihn fast tot. Erst im letzten Moment rettet ihn seine Mutter, Frau Tschong. Nun will Blaujuwels Zofe Kuckuck Pao Yüs Gefühle auf die Probe stellen und gibt vor, dass ihre Herrin bald in ihre Heimatprovinz zurückkehren werde. Die Nachricht trifft den Jungen wie ein Blitzschlag und er wird schwer krank. Nach seiner Genesung schöpft Blaujuwel Hoffnung, dass er sie doch so sehr liebt wie sie ihn.

Das Unglück der Yus

Fürst Kia King, der seit vielen Jahren als Einsiedler in den Bergen gelebt hat, ist gestorben. Während der Trauerfeierlichkeiten verliebt sich Phönix’ Gatte Kia Liän in seine Cousinen, die zwei unverheirateten, wunderschönen Yu-Schwestern. Er ist seiner herrsch- und eifersüchtigen Frau überdrüssig und beschließt, die zweite Yu zu seiner Nebenfrau zu machen. Diese ist zwar bereits verlobt, aber die Familie des Verlobten ist arm, und Kia Liän bezahlt dessen Vater, den alten Tschang, für die Auflösung des Verlöbnisses. Da er Phönix’ Zorn fürchtet, heiratet er die zweite Yu in aller Heimlichkeit. Die zweite Yu soll abgeschieden in einem gemeinsamen Liebesnest, einem kleinen Häuschen neben dem Ostpalais, wohnen. Eine Weile geht alles gut. Probleme bereitet nur die dritte Yu, die bei ihrer Schwester eingezogen ist. Sie hat sich in Liu Hsiang verliebt und lehnt jede andere Verbindung ab. Kia Liän, der die dritte Yu loswerden möchte, kann Liu zur Verlobung überreden. Im allerletzten Moment macht dieser jedoch einen Rückzieher. Die dritte Yu nimmt sich daraufhin mit dem Schwert, das er ihr zur Verlobung geschenkt hat, das Leben. Liu bereut sein kaltherziges Verhalten. Die Verstorbene erscheint ihm im Traum und sagt, die Fee des schreckhaften Erwachens habe sie geschickt. Als er aufwacht, sitzt ein Tao-Priester neben ihm. Liu schneidet sich sein Haupthaar ab und folgt ihm.

Über Umwege erfährt Phönix vom Doppelspiel ihres Mannes. Als dieser verreist ist, spinnt sie unverzüglich ein Netz aus Intrigen: Sie überredet die zweite Yu, zu ihr zu ziehen, indem sie Verständnis und Zuneigung vortäuscht. Phönix gibt sich nach außen herzensgut, befiehlt aber ihren Dienern insgeheim, die junge Frau zu schikanieren. Dann zahlt sie den Tschangs Geld, damit sie die Kia-Sippe wegen der Auflösung des Verlöbnisses verklagen. Kia Liän kehrt mit einer 17-jährigen Konkubine zurück. Phönix spielt nun ihre beiden Nebenbuhlerinnen gnadenlos gegeneinander aus und verbreitet niederträchtigen Klatsch über die zweite Yu. Diese wird vor Kummer krank, erleidet eine Fehlgeburt und schluckt schließlich ein Stück Gold, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten.

Der Niedergang

Im Park der Augenweide geht es nicht mit rechten Dingen zu. Die Dienerschaft gibt sich dem verbotenen Glücksspiel hin, Diebstahl und andere Laster breiten sich aus. Seltsame Ereignisse wie heulende Winde und das Schlagen der eigentlich fest verschlossenen Geisterpforte am Ahnentempel wecken dunkle Vorahnungen. Den eingeleiteten Säuberungsaktionen unter der Dienerschaft fällt auch Pao Yüs Lieblingszofe Buntwolke schuldlos zum Opfer. Sie wird schwer krank fortgejagt und stirbt kurz darauf. Der Park verödet: Cousine Lenzgruß zieht fort, um einen üblen Rohling zu heiraten, und Pao Tschai begibt sich wieder zu ihrer Mutter. Nach jahrelanger Pause wird Pao Yü gezwungen, die Familienschule zu besuchen.

Blaujuwel geht es zunehmend schlechter. Sie hustet Blut und hat Albträume über eine baldige Trennung von Pao Yü. Sie ist überzeugt, dass er einer anderen versprochen ist, und hungert sich daraufhin fast zu Tode. Als sich das Ganze als Missverständnis herausstellt, kehren ihre Lebensgeister zurück. Doch Phönix und die Ahne beschließen nun, dass Pao Yü eine robustere Frau an seiner Seite benötigt. Sie bereiten heimlich seine Heirat mit Pao Tschai vor. Als plötzlich die zuvor verdorrte Seite eines Goldbegonienbaumes mitten im Winter in Blüte steht, sehen viele darin ein böses Omen. Tatsächlich stirbt kurze Zeit später die kaiserliche Gemahlin Lenzanfang an einer Lungenentzündung, und der Zauberstein von Pao Yü ist unauffindbar. Dessen Wesen verändert sich radikal: Er wird teilnahmslos und verblödet.

Die falsche Braut

Blaujuwel erfährt schließlich von Pao Yüs und Pao Tschais bevorstehender Vermählung und legt sich hin, um zu sterben. Dem geistesgestörten Bräutigam wird derweil vorgegaukelt, er heirate Blaujuwel. Sein Zustand bessert sich daraufhin. Als er aber Pao Tschai auf dem Brautbett sitzen sieht, fällt er in seinen Stumpfsinn zurück. Trotzdem wird die Hochzeit vollzogen. Plötzlich besetzt der Finanzminister mit einer Horde von Bütteln und Schergen den Kia-Palast. Gegen mehrere Mitglieder der Sippe liegen Haftbefehle wegen Amtsmissbrauchs, Unzucht und Bestechung vor. Es stellt sich heraus, dass Phönix privat gehortetes Geld illegal zu Wucherzinsen verliehen hat. Außerdem hat die Familie jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt: Die Kassen sind leer. Die Ahne verteilt daraufhin ihre beträchtlichen Familienschätze unter den verarmten Angehörigen. Am Ende lässt der Kaiser doch noch Gnade walten. Er überträgt den Fürstentitel des verhafteten Scho auf dessen rechtschaffenen Bruder Tschong und erlaubt der Familie, ihr Gesicht zu wahren. Kurz darauf sterben die Ahne und Phönix.

Die letzte Prüfung

Inmitten der Aufregungen erscheint abermals der kahlköpfige Bonze und bringt den Zauberstein zurück. Sofort ist Pao Yü wiederhergestellt. Sein Geist macht sich auf zur Fee des schreckhaften Erwachens, wo er die Geister der verstorbenen Mädchen und Frauen wieder trifft, die er einst geliebt hat. Zu seinem Erschrecken verwandeln sie sich aber in Teufelsfratzen. Der Bonze erklärt ihm, er sei noch immer nicht frei von weltlichen Gelüsten und könne erst nach seiner endgültigen Erweckung in die Gefilde der Seligen einkehren. Auf Wunsch seines Vaters bereitet sich Pao Yü auf die Reichsprüfung für die Beamtenlaufbahn vor. Er besteht das Examen und rettet damit das Ansehen seiner Familie. Nach Hause kehrt er jedoch nicht mehr zurück. Seinem Vater erscheint er noch einmal in einer Mönchskutte aus Affenhaarwolle: Stumm entschwindet er mit seinen beiden Gefährten, dem Tao-Priester und dem buddhistischen Bonzen, im Schnee.