Žižek-Christentum

Žižek, Haupt-Ideen-Geber der Postmoderne, bezieht sich ja z.  B.  deutlich auf den heiligen Paulus, nicht kritisch, sondern als Deutungsquelle.  In Wirklichkeit ist das gesamte Menschenbild der Moderne ein vollkommen christliches, was wir dann merken, wenn andere Religionen und deren Bäuche wie im Moment an uns herantreten. Das besondere des Christentums, das es von allen anderen Religionen unterscheidet, ist die Menschwerdung Gottes.  Worin sich die Vorstellung ausdrückt, menschliches Sein hinge weniger vom Zufall ab, sondern ist die Bedingung für das Gutsein höchsten Wollens.  Gott wird aufgefasst wie ein Künstler, und der Mensch bleibt aufgerufen, es ihm gleichzutun: sich – Kraft seines Lebens und dessen Produkten – wahr zu machen, kundzutun. Die Kirche war deswegen immer eine Förderin der Künste, und viele auch modernste Künstler haben einen Bezug oder stiften eine quasi-religiöse Anmut (man denke etwa – neulich wieder – an Christo oder die geheimnisvollen Land-Stellen Walter de Marias, des womöglich bedeutendsten Künstlers der Neuzeit). Der christliche Grundgedanke, dass jeder Mensch zählt, musste sich unentwegt den gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen – aus dem römischen Reich ins Mittelalter bis an die Schwelle der Neuzeit.  Das Christentum von Bauern hatte andere Formen und Bedürfnisse als das von Stadtbewohnern.  Man versteht z.  B.  Figuren wie den hl.  Franziskus, einen Veteranen blutiger Kriege, der einen Hippie-Orden gründete als Auffangbecken für romantische Intellektuelle (darunter viele Juristen) besser, wenn man die darin liegende Antwort auf ein „neues Computerzeitalter“ nachvollzieht, von dem die Menschen sich seinerzeit – Halt suchend – überwältigt fühlten angesichts überall hochschießender Städte. Das Christentum trat offiziell zurück mit dem Beginn der Neuzeit.  Diese unterscheidet sich von den Epochen davor, indem ihr Betrieb mehr Sonnenlicht verbraucht als täglich eingefangen wird, also auf fossilen Brennstoffen beruht.  Da deren zufällige Besitzer von den Nachfahren der Christen für die Herausgabe Geld erhielten, anstatt ihre Schätze abgenommen zu bekommen, wurden sie reich – dadurch stilbildend, auch in religiöser Hinsicht, was eine „Renaissance“ des Islam zur Folge hatte. Der Islam nimmt die Vorstellung der Christen, Gott sei auf Erden sterblich gewesen, zurück und orndet den Menschen wieder Gott unter, der nicht durch ihn ist oder sich in ihm wiedererkennt, sondern unbeteiligter bleibt als noch der dreifaltige Gott der Christen. Man kann heute, wie gesagt, kaum mehr über einen christlichen Gott reden, mehr über eine „Gottesfunktion“ oder ein quasi-religiöses Verständnis, wie es in den „Menschenrechten“ zum Ausdruck kommt.  Trotzdem ist die religiöse Anmut, der Wunsch nach Bekenntnis und deren Sinnbildern nicht verschwunden, lebt z.  B.  in Tätowierungen, Burkinis u.  ä.  m. Interessant wäre, ob es dem heiligen Geist der Christen nochmal gelingt, einen überzeugenden Vormarsch zu entwickeln, der es uns heute leichter macht, „zu leben und zu sterben“, ein große Geste mit globalen Symbolen (Gebäuden) und Praktiken. Deren Parallele wäre ev.  eine Kunst, die den Globus zum Gegenstand hat – „Welt“-Kunst eben, aber nicht in Gestalt „ethnischer Vielfalt“ (Tourismus .  .  . ), sondern beispielsweise Öltanker, Bohrtürme, Facebook und deren Weiterungen gegenständlich oder imaginativ verarbeitend.