Die Göttliche Komödie

Wie einer, der nicht will, was er erst wollte,
und sich bedenkt, und seinen Vorsatz ändert,
und sich zurückzieht von dem Unterfangen, 

So war ich selbst an jenem dunklen Hang; 
dran denkend, gab ich auf das Unternehmen
und war doch erst so rasch dazu entschlossen . . .

Dante folgt dann Vergil in einer Art Sonderhölle, der eigentlichen Hölle vorgeschaltet. Auf seine Frage, wieso dort so gejault und wehgeklagt wird, antwortet Vergil: 

„Dies unglücksel’ge Leben,
es ward zuteil den traurigen Seelen derer,
Die lebten ohne Schmach und ohne Lob. 

Sie sind gesellt dem üblen Heer der Engel,
die nicht abtrünnig waren, und doch auch
die Treue Gott nicht wahrten, sondern für sich blieben.

Der Himmel stößt sie weg, um schön zu bleiben,
Und auch die tiefe Hölle will sie nicht, 
Denn Ruhm gewännen nicht die Schuldigen an ihnen.“

Und ich: „Was, Meister, tragen sie so schwer, 
Dass sie so laute Klagen von sich geben?“
Und er erwidert: „Kurz will ich’s Dir sagen:

Die haben keine Todeshoffnung mehr; 
und also niedrig ist ihr dunkles Leben,
dass jedes andere Schicksal sie beneiden.

Die Welt behält Erinnerung nicht an sie, 
Gerechtigkeit verschmäht sie und Erbarmen.
Reden wir nicht von ihnen. Schau, und geh‘ vorüber…“


Oh ihr, die ihr gesunden Sinnes seid,
Beachtet welche Lehre sich verbirgt
Im Schleier dieser rätselhaften Verse!


Wie Frösche, die im Angesicht der Feindin,
der Natter sich ins Wasser flüchten alle,
bis sich ein jeder auf dem Grunde druckt,

Sah ich zerstörte Seelen über tausend
vor einem so entfliehen, der, langsam schreitend,
den Styx herüberkam auf trockenen Sohlen.

Vom Antlitz wehrt er sich die dumpfe Luft,
die Linke öfters hin und her bewegend,
und diese Müh alleine schien ihm lästig.

Wohl sah ich, dass vom Himmel er gesendet,
und wandte mich zum Meister. Der bedeutet
zu schweigen mir, und mich vor ihm zu neigen.

Oh wie erschien er mir unmutg’en Zornes voll! 
Er trat zum Tore, und mit einem Stäbchen
öffnet er’s weit, und war kein Widerstreben.

„Vom Himmel ihr Verstoßne, schlechtes Volk“,
begann er auf der schreckensreichen Schwelle,
„von wannen kommt euch solch vermessn’er Trotz?

Was stemmt ihr euch entgegen jenem Willen,
Dem niemals kann sein Ziel verwehret werden
und der schon oft die Qualen euch vermehrt?

Was frommt’s euch, gegens Schicksal anzurennen?
Besinnt euch wohl, auch euer Zerberus
ist noch an Kinn und Maul davon geschunden!“

Dann ging er auf dem schlammigen Pfad zurück
und wand an uns sich nicht, und war wie einer,
den andre Sorge dränget und bedrückt.


Da sah ich eine Schlange mit sechs Füßen,
Die vorn auf einen lossprang und ihn packte.
Die mittler’n Bein‘ umklammerten den Bauch ihm,
Die vordersten verstrickten sich den Armen.
Dann, mit den Zähnen, faßte sie die Backen,
Die Lenden nieder dehnte sie die hintren,
Es bog den Schwanz sie zwischen beiden durch,
Ihn dann das Kreuz entlang emporzustrecken.
Nie haftete an einem Baum der Efeu
So fest, als wie dies grause Ungeheuer
Die seinen um die fremden Glieder schlang.


Thenceforward, what I saw, 
Was not for words to speak, nor memory’s self 
To stand against such outrage on her skill. 

As one, who from a dream awaken’d, straight, 
All he hath seen forgets; yet still retains 
Impression of the feeling in his dream; 

E’en such am I: for all the vision dies,
As’t were, away; and yet the sense of sweet, 
That sprang from it, still trickles in my heart. 

Dante THE DIVINE COMEDY Paradiso 33

 

Von da an war mein Schauen mächtiger
als Worte, die dem Anblick nicht gewachsen;
auch das Gedächtnis hält nicht stand der Übermacht.

Wie’s einem geht, der träumend etwas sieht,
dem nach dem Traum wohl das Gefühl verbleibt,
jedoch das andre nicht zum Geist zurückkehrt,

So ging’s auch mir, denn meine Vision
erlosch fast ganz, doch träufelt mir im Herzen
noch jetzt die Wonne, die sie mir erzeugt.